Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als eine Frömmigkeit/ wenn man ihm ein Ge-
wissen macht den in seinem Hause über seinem
Tische hinzurichten/ welchen sein Verbrechen
zum Tode verdammt. Numehro bestehet
dein und der Römer Heil in Zusammen-
raffung der Römischen Kräffte/ und in einer
vorsichtigen Zurückziehung von der Lippe.
Jnzwischen glaube/ daß ich meine Waffen der
Römischen Macht beyzufügen entschlossen sey/
da mir der Feind und das Verhängnüß nicht
alle Wege verbeugen würden. Diß abgelesene
Schreiben verursachte unter dem Kriegs-Vol-
cke ein grosses Getümmel. Einige fragten:
Warumb man den Segesthes/ welcher dem Va-
terlande das Römische Joch hätte an die Hörner
schlingen helffen/ welcher Ursache wäre/ daß
Deutschland zu unausleschlichem Spott zwi-
schen dem Rhein und der Elbe die Römischen
Beile und Ruthen gesehen/ nicht zum Sühn-
Opfer den Göttern des Vaterlandes zum ersten
abgeschlachtet hätte? Andere rieffen: Bey an-
dern Völckern wäre es halsbrüchig/ wenn einer
wider seines Feld-Obersten Willen den Feind
angegriffen/ und gleich gesieget hätte. Papirius
hätte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver-
dammt/ und Manlius seinen eigenen Sohn mit
dem Beile richten lassen. Solte nun Segesthes
sein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die
väterlichen Gesetze hiessen Verräther und Uber-
läuffer an Bäume auffhencken. Man solte
diesen Eydbrüchigen herzu schaffen. Sein ho-
her Stand vermöchte ihn nicht des Todes zu be-
freyen/ wo der Deutschen Gesetze nicht zu Spin-
neweben werden solten/ darinnen nur Mücken
und Fliegen hencken blieben/ Wespen und Hor-
nissen aber durchrissen. Missethaten stünden
Fürsten/ wie Flecken den grösten Gestirnen am
schimpflichsten an. Segesthens Bestraffung
könte auch keine Schande auff seine so hochver-
diente Anverwandten wältzen. Denn die La-
ster besudelten niemanden als den Ubelthäter/
und die Ursache/ nicht die Straffe machte einen
unehrlich. Deßwegen hätte Lucius Brutus
[Spaltenumbruch] seine eigene Söhne/ weil sie mit den verjagten
Tarquiniern Verständnüs gehabt/ und Spu-
rius Cassius seinen nach der Römischen Herr-
schafft strebenden Sohn mit Ruthen schlagen/
und des Kopfes kürtzer machen lassen. Mit
solchem Ungestüm fielen sie an die Priester. Gott
und die Vorfahren hätten ihnen die Gewalt ge-
geben die Missethäter in Hafft zu ziehen und zu
verurtheilen. Sie solten über den Segesthes
ihnen nun Recht verhelffen. Gott könne kei-
nen süssern Geruch empfangen/ als den Dampf
vom kreischenden Blute eines boßhaften Men-
schen. Der Feldherr ward über diesem Zufalle
in nicht geringe Verwirrung versetzt; sonderlich
als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Priester/
mit Hülffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se-
gesthes herbey zu schaffen sich bewegen liessen.
Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/
welcher mehrmals vom Segesthes beleidigt
worden war/ einen Dienst zu thun/ nach dem
insgemein unvergeltete Wolthaten für Verlust/
gerächetes Unrecht für Gewinn gehalten wür-
den. Er selbst konte zwar die Verrätherey Se-
gesthens unverdammet nicht lassen/ gleichwohl
fühlte er schon durch die Beleidigung Segesthens
seiner unvergleichlichen Thußnelde Seele ver-
wunden/ und diese Empfindligkeit ihm selbst
durchs Hertze gehen. Ja diese Bekümmernüß
wuchs noch mehr/ als Ganasch das durch den
Segesthes seinen Chautzern verursachte Unheil
wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun-
dert seiner Köpfe seinen so sehr beschimpften Vol-
cke dergleichen Schmach zu bezahlen viel zu wenig
wären. Hertzog Jubil pflichtete dieser Meynung
nicht nur bey/ sondern zoh auch an: Wem das
Vaterland lieb wäre/ der müste solchen Verrä-
thern gram seyn/ welche auch so gar die haßten/
die sie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch-
ten. Solche grosse Verbrechen übersehen/ wäre
ein gewisses Kennzeichen entweder gleichmässi-
ger Boßheit/ oder daß man sich für denen fürch-
tete/ welche für der Gerechtigkeit leben solten.
Nicht nur die Lasterhaften/ sondern auch die/

wel-
Erster Theil. K

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als eine Froͤmmigkeit/ wenn man ihm ein Ge-
wiſſen macht den in ſeinem Hauſe uͤber ſeinem
Tiſche hinzurichten/ welchen ſein Verbrechen
zum Tode verdammt. Numehro beſtehet
dein und der Roͤmer Heil in Zuſammen-
raffung der Roͤmiſchen Kraͤffte/ und in einer
vorſichtigen Zuruͤckziehung von der Lippe.
Jnzwiſchen glaube/ daß ich meine Waffen der
Roͤmiſchen Macht beyzufuͤgen entſchloſſen ſey/
da mir der Feind und das Verhaͤngnuͤß nicht
alle Wege verbeugen wuͤrden. Diß abgeleſene
Schreiben verurſachte unter dem Kriegs-Vol-
cke ein groſſes Getuͤmmel. Einige fragten:
Warumb man den Segeſthes/ welcher dem Va-
terlande das Roͤmiſche Joch haͤtte an die Hoͤrner
ſchlingen helffen/ welcher Urſache waͤre/ daß
Deutſchland zu unausleſchlichem Spott zwi-
ſchen dem Rhein und der Elbe die Roͤmiſchen
Beile und Ruthen geſehen/ nicht zum Suͤhn-
Opfer den Goͤttern des Vaterlandes zum erſten
abgeſchlachtet haͤtte? Andere rieffen: Bey an-
dern Voͤlckern waͤre es halsbruͤchig/ wenn einer
wider ſeines Feld-Oberſten Willen den Feind
angegriffen/ und gleich geſieget haͤtte. Papirius
haͤtte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver-
dam̃t/ und Manlius ſeinen eigenen Sohn mit
dem Beile richten laſſen. Solte nun Segeſthes
ſein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die
vaͤterlichen Geſetze hieſſen Verraͤther und Uber-
laͤuffer an Baͤume auffhencken. Man ſolte
dieſen Eydbruͤchigen herzu ſchaffen. Sein ho-
her Stand vermoͤchte ihn nicht des Todes zu be-
freyen/ wo der Deutſchen Geſetze nicht zu Spin-
neweben werden ſolten/ darinnen nur Muͤcken
und Fliegen hencken blieben/ Weſpen und Hor-
niſſen aber durchriſſen. Miſſethaten ſtuͤnden
Fuͤrſten/ wie Flecken den groͤſten Geſtirnen am
ſchimpflichſten an. Segeſthens Beſtraffung
koͤnte auch keine Schande auff ſeine ſo hochver-
diente Anverwandten waͤltzen. Denn die La-
ſter beſudelten niemanden als den Ubelthaͤter/
und die Urſache/ nicht die Straffe machte einen
unehrlich. Deßwegen haͤtte Lucius Brutus
[Spaltenumbruch] ſeine eigene Soͤhne/ weil ſie mit den verjagten
Tarquiniern Verſtaͤndnuͤs gehabt/ und Spu-
rius Caſſius ſeinen nach der Roͤmiſchen Herr-
ſchafft ſtrebenden Sohn mit Ruthen ſchlagen/
und des Kopfes kuͤrtzer machen laſſen. Mit
ſolchem Ungeſtuͤm fielen ſie an die Prieſter. Gott
und die Vorfahren haͤtten ihnen die Gewalt ge-
geben die Miſſethaͤter in Hafft zu ziehen und zu
verurtheilen. Sie ſolten uͤber den Segeſthes
ihnen nun Recht verhelffen. Gott koͤnne kei-
nen ſuͤſſern Geruch empfangen/ als den Dampf
vom kreiſchenden Blute eines boßhaften Men-
ſchen. Der Feldherr ward uͤber dieſem Zufalle
in nicht geringe Verwirrung verſetzt; ſonderlich
als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Prieſter/
mit Huͤlffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se-
geſthes herbey zu ſchaffen ſich bewegen lieſſen.
Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/
welcher mehrmals vom Segeſthes beleidigt
worden war/ einen Dienſt zu thun/ nach dem
insgemein unvergeltete Wolthaten fuͤr Verluſt/
geraͤchetes Unrecht fuͤr Gewinn gehalten wuͤr-
den. Er ſelbſt konte zwar die Verraͤtherey Se-
geſthens unverdammet nicht laſſen/ gleichwohl
fuͤhlte er ſchon durch die Beleidigung Segeſthens
ſeiner unvergleichlichen Thußnelde Seele ver-
wunden/ und dieſe Empfindligkeit ihm ſelbſt
durchs Hertze gehen. Ja dieſe Bekuͤmmernuͤß
wuchs noch mehr/ als Ganaſch das durch den
Segeſthes ſeinen Chautzern verurſachte Unheil
wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun-
dert ſeiner Koͤpfe ſeinẽ ſo ſehr beſchimpften Vol-
cke dergleichẽ Schmach zu bezahlẽ viel zu wenig
waͤren. Hertzog Jubil pflichtete dieſer Meynung
nicht nur bey/ ſondern zoh auch an: Wem das
Vaterland lieb waͤre/ der muͤſte ſolchen Verraͤ-
thern gram ſeyn/ welche auch ſo gar die haßten/
die ſie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch-
ten. Solche groſſe Verbrechen uͤberſehen/ waͤre
ein gewiſſes Kennzeichen entweder gleichmaͤſſi-
ger Boßheit/ oder daß man ſich fuͤr denen fuͤrch-
tete/ welche fuͤr der Gerechtigkeit leben ſolten.
Nicht nur die Laſterhaften/ ſondern auch die/

wel-
Erſter Theil. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
als eine Fro&#x0364;mmigkeit/ wenn man ihm ein Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en macht den in &#x017F;einem Hau&#x017F;e u&#x0364;ber &#x017F;einem<lb/>
Ti&#x017F;che hinzurichten/ welchen &#x017F;ein Verbrechen<lb/>
zum Tode verdammt. Numehro be&#x017F;tehet<lb/>
dein und der Ro&#x0364;mer Heil in Zu&#x017F;ammen-<lb/>
raffung der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kra&#x0364;ffte/ und in einer<lb/>
vor&#x017F;ichtigen Zuru&#x0364;ckziehung von der Lippe.<lb/>
Jnzwi&#x017F;chen glaube/ daß ich meine Waffen der<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Macht beyzufu&#x0364;gen ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey/<lb/>
da mir der Feind und das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß nicht<lb/>
alle Wege verbeugen wu&#x0364;rden. Diß abgele&#x017F;ene<lb/>
Schreiben verur&#x017F;achte unter dem Kriegs-Vol-<lb/>
cke ein gro&#x017F;&#x017F;es Getu&#x0364;mmel. Einige fragten:<lb/>
Warumb man den Sege&#x017F;thes/ welcher dem Va-<lb/>
terlande das Ro&#x0364;mi&#x017F;che Joch ha&#x0364;tte an die Ho&#x0364;rner<lb/>
&#x017F;chlingen helffen/ welcher Ur&#x017F;ache wa&#x0364;re/ daß<lb/>
Deut&#x017F;chland zu unausle&#x017F;chlichem Spott zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem Rhein und der Elbe die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Beile und Ruthen ge&#x017F;ehen/ nicht zum Su&#x0364;hn-<lb/>
Opfer den Go&#x0364;ttern des Vaterlandes zum er&#x017F;ten<lb/>
abge&#x017F;chlachtet ha&#x0364;tte? Andere rieffen: Bey an-<lb/>
dern Vo&#x0364;lckern wa&#x0364;re es halsbru&#x0364;chig/ wenn einer<lb/>
wider &#x017F;eines Feld-Ober&#x017F;ten Willen den Feind<lb/>
angegriffen/ und gleich ge&#x017F;ieget ha&#x0364;tte. Papirius<lb/>
ha&#x0364;tte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver-<lb/>
dam&#x0303;t/ und Manlius &#x017F;einen eigenen Sohn mit<lb/>
dem Beile richten la&#x017F;&#x017F;en. Solte nun Sege&#x017F;thes<lb/>
&#x017F;ein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die<lb/>
va&#x0364;terlichen Ge&#x017F;etze hie&#x017F;&#x017F;en Verra&#x0364;ther und Uber-<lb/>
la&#x0364;uffer an Ba&#x0364;ume auffhencken. Man &#x017F;olte<lb/>
die&#x017F;en Eydbru&#x0364;chigen herzu &#x017F;chaffen. Sein ho-<lb/>
her Stand vermo&#x0364;chte ihn nicht des Todes zu be-<lb/>
freyen/ wo der Deut&#x017F;chen Ge&#x017F;etze nicht zu Spin-<lb/>
neweben werden &#x017F;olten/ darinnen nur Mu&#x0364;cken<lb/>
und Fliegen hencken blieben/ We&#x017F;pen und Hor-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en aber durchri&#x017F;&#x017F;en. Mi&#x017F;&#x017F;ethaten &#x017F;tu&#x0364;nden<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ wie Flecken den gro&#x0364;&#x017F;ten Ge&#x017F;tirnen am<lb/>
&#x017F;chimpflich&#x017F;ten an. Sege&#x017F;thens Be&#x017F;traffung<lb/>
ko&#x0364;nte auch keine Schande auff &#x017F;eine &#x017F;o hochver-<lb/>
diente Anverwandten wa&#x0364;ltzen. Denn die La-<lb/>
&#x017F;ter be&#x017F;udelten niemanden als den Ubeltha&#x0364;ter/<lb/>
und die Ur&#x017F;ache/ nicht die Straffe machte einen<lb/>
unehrlich. Deßwegen ha&#x0364;tte Lucius Brutus<lb/><cb/>
&#x017F;eine eigene So&#x0364;hne/ weil &#x017F;ie mit den verjagten<lb/>
Tarquiniern Ver&#x017F;ta&#x0364;ndnu&#x0364;s gehabt/ und Spu-<lb/>
rius Ca&#x017F;&#x017F;ius &#x017F;einen nach der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Herr-<lb/>
&#x017F;chafft &#x017F;trebenden Sohn mit Ruthen &#x017F;chlagen/<lb/>
und des Kopfes ku&#x0364;rtzer machen la&#x017F;&#x017F;en. Mit<lb/>
&#x017F;olchem Unge&#x017F;tu&#x0364;m fielen &#x017F;ie an die Prie&#x017F;ter. Gott<lb/>
und die Vorfahren ha&#x0364;tten ihnen die Gewalt ge-<lb/>
geben die Mi&#x017F;&#x017F;etha&#x0364;ter in Hafft zu ziehen und zu<lb/>
verurtheilen. Sie &#x017F;olten u&#x0364;ber den Sege&#x017F;thes<lb/>
ihnen nun Recht verhelffen. Gott ko&#x0364;nne kei-<lb/>
nen &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Geruch empfangen/ als den Dampf<lb/>
vom krei&#x017F;chenden Blute eines boßhaften Men-<lb/>
&#x017F;chen. Der Feldherr ward u&#x0364;ber die&#x017F;em Zufalle<lb/>
in nicht geringe Verwirrung ver&#x017F;etzt; &#x017F;onderlich<lb/>
als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Prie&#x017F;ter/<lb/>
mit Hu&#x0364;lffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se-<lb/>
ge&#x017F;thes herbey zu &#x017F;chaffen &#x017F;ich bewegen lie&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/<lb/>
welcher mehrmals vom Sege&#x017F;thes beleidigt<lb/>
worden war/ einen Dien&#x017F;t zu thun/ nach dem<lb/>
insgemein unvergeltete Wolthaten fu&#x0364;r Verlu&#x017F;t/<lb/>
gera&#x0364;chetes Unrecht fu&#x0364;r Gewinn gehalten wu&#x0364;r-<lb/>
den. Er &#x017F;elb&#x017F;t konte zwar die Verra&#x0364;therey Se-<lb/>
ge&#x017F;thens unverdammet nicht la&#x017F;&#x017F;en/ gleichwohl<lb/>
fu&#x0364;hlte er &#x017F;chon durch die Beleidigung Sege&#x017F;thens<lb/>
&#x017F;einer unvergleichlichen Thußnelde Seele ver-<lb/>
wunden/ und die&#x017F;e Empfindligkeit ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
durchs Hertze gehen. Ja die&#x017F;e Beku&#x0364;mmernu&#x0364;ß<lb/>
wuchs noch mehr/ als Gana&#x017F;ch das durch den<lb/>
Sege&#x017F;thes &#x017F;einen Chautzern verur&#x017F;achte Unheil<lb/>
wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun-<lb/>
dert &#x017F;einer Ko&#x0364;pfe &#x017F;eine&#x0303; &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;chimpften Vol-<lb/>
cke dergleiche&#x0303; Schmach zu bezahle&#x0303; viel zu wenig<lb/>
wa&#x0364;ren. Hertzog Jubil pflichtete die&#x017F;er Meynung<lb/>
nicht nur bey/ &#x017F;ondern zoh auch an: Wem das<lb/>
Vaterland lieb wa&#x0364;re/ der mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;olchen Verra&#x0364;-<lb/>
thern gram &#x017F;eyn/ welche auch &#x017F;o gar die haßten/<lb/>
die &#x017F;ie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch-<lb/>
ten. Solche gro&#x017F;&#x017F;e Verbrechen u&#x0364;ber&#x017F;ehen/ wa&#x0364;re<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es Kennzeichen entweder gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
ger Boßheit/ oder daß man &#x017F;ich fu&#x0364;r denen fu&#x0364;rch-<lb/>
tete/ welche fu&#x0364;r der Gerechtigkeit leben &#x017F;olten.<lb/>
Nicht nur die La&#x017F;terhaften/ &#x017F;ondern auch die/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. K</fw><fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0121] Arminius und Thußnelda. als eine Froͤmmigkeit/ wenn man ihm ein Ge- wiſſen macht den in ſeinem Hauſe uͤber ſeinem Tiſche hinzurichten/ welchen ſein Verbrechen zum Tode verdammt. Numehro beſtehet dein und der Roͤmer Heil in Zuſammen- raffung der Roͤmiſchen Kraͤffte/ und in einer vorſichtigen Zuruͤckziehung von der Lippe. Jnzwiſchen glaube/ daß ich meine Waffen der Roͤmiſchen Macht beyzufuͤgen entſchloſſen ſey/ da mir der Feind und das Verhaͤngnuͤß nicht alle Wege verbeugen wuͤrden. Diß abgeleſene Schreiben verurſachte unter dem Kriegs-Vol- cke ein groſſes Getuͤmmel. Einige fragten: Warumb man den Segeſthes/ welcher dem Va- terlande das Roͤmiſche Joch haͤtte an die Hoͤrner ſchlingen helffen/ welcher Urſache waͤre/ daß Deutſchland zu unausleſchlichem Spott zwi- ſchen dem Rhein und der Elbe die Roͤmiſchen Beile und Ruthen geſehen/ nicht zum Suͤhn- Opfer den Goͤttern des Vaterlandes zum erſten abgeſchlachtet haͤtte? Andere rieffen: Bey an- dern Voͤlckern waͤre es halsbruͤchig/ wenn einer wider ſeines Feld-Oberſten Willen den Feind angegriffen/ und gleich geſieget haͤtte. Papirius haͤtte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver- dam̃t/ und Manlius ſeinen eigenen Sohn mit dem Beile richten laſſen. Solte nun Segeſthes ſein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die vaͤterlichen Geſetze hieſſen Verraͤther und Uber- laͤuffer an Baͤume auffhencken. Man ſolte dieſen Eydbruͤchigen herzu ſchaffen. Sein ho- her Stand vermoͤchte ihn nicht des Todes zu be- freyen/ wo der Deutſchen Geſetze nicht zu Spin- neweben werden ſolten/ darinnen nur Muͤcken und Fliegen hencken blieben/ Weſpen und Hor- niſſen aber durchriſſen. Miſſethaten ſtuͤnden Fuͤrſten/ wie Flecken den groͤſten Geſtirnen am ſchimpflichſten an. Segeſthens Beſtraffung koͤnte auch keine Schande auff ſeine ſo hochver- diente Anverwandten waͤltzen. Denn die La- ſter beſudelten niemanden als den Ubelthaͤter/ und die Urſache/ nicht die Straffe machte einen unehrlich. Deßwegen haͤtte Lucius Brutus ſeine eigene Soͤhne/ weil ſie mit den verjagten Tarquiniern Verſtaͤndnuͤs gehabt/ und Spu- rius Caſſius ſeinen nach der Roͤmiſchen Herr- ſchafft ſtrebenden Sohn mit Ruthen ſchlagen/ und des Kopfes kuͤrtzer machen laſſen. Mit ſolchem Ungeſtuͤm fielen ſie an die Prieſter. Gott und die Vorfahren haͤtten ihnen die Gewalt ge- geben die Miſſethaͤter in Hafft zu ziehen und zu verurtheilen. Sie ſolten uͤber den Segeſthes ihnen nun Recht verhelffen. Gott koͤnne kei- nen ſuͤſſern Geruch empfangen/ als den Dampf vom kreiſchenden Blute eines boßhaften Men- ſchen. Der Feldherr ward uͤber dieſem Zufalle in nicht geringe Verwirrung verſetzt; ſonderlich als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Prieſter/ mit Huͤlffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se- geſthes herbey zu ſchaffen ſich bewegen lieſſen. Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/ welcher mehrmals vom Segeſthes beleidigt worden war/ einen Dienſt zu thun/ nach dem insgemein unvergeltete Wolthaten fuͤr Verluſt/ geraͤchetes Unrecht fuͤr Gewinn gehalten wuͤr- den. Er ſelbſt konte zwar die Verraͤtherey Se- geſthens unverdammet nicht laſſen/ gleichwohl fuͤhlte er ſchon durch die Beleidigung Segeſthens ſeiner unvergleichlichen Thußnelde Seele ver- wunden/ und dieſe Empfindligkeit ihm ſelbſt durchs Hertze gehen. Ja dieſe Bekuͤmmernuͤß wuchs noch mehr/ als Ganaſch das durch den Segeſthes ſeinen Chautzern verurſachte Unheil wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun- dert ſeiner Koͤpfe ſeinẽ ſo ſehr beſchimpften Vol- cke dergleichẽ Schmach zu bezahlẽ viel zu wenig waͤren. Hertzog Jubil pflichtete dieſer Meynung nicht nur bey/ ſondern zoh auch an: Wem das Vaterland lieb waͤre/ der muͤſte ſolchen Verraͤ- thern gram ſeyn/ welche auch ſo gar die haßten/ die ſie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch- ten. Solche groſſe Verbrechen uͤberſehen/ waͤre ein gewiſſes Kennzeichen entweder gleichmaͤſſi- ger Boßheit/ oder daß man ſich fuͤr denen fuͤrch- tete/ welche fuͤr der Gerechtigkeit leben ſolten. Nicht nur die Laſterhaften/ ſondern auch die/ wel- Erſter Theil. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/121
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/121>, abgerufen am 24.11.2024.