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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Tag durch aller dreyer Beyhülffe drittehalb
Ellen tieff verfertiget/ und also Ariovistens Lei-
che darein geleget ward. Das Grab erhöhe-
ten sie nach der alten Deutschen Art mit Rasen;
und sagte Marbod: Jhre Vorfahren hätten
Marmelne Gräber für keine Ehre/ sondern
eine Beschwerde der Todten gehalten. Ario-
visten wäre rühmlich genung: daß er einen Kö-
nig zum Todten-Gräber/ seine Jugend nebst
der Tapfferkeit die Klugheit des Alters/ sein
Alter die Unschuld der Kinder gehabt; und als
der Tod ihn gantz zu verriegeln vermeint/ der
Nachruhm und die Seele den Sarch für der
Zeit erbrochen/ jener sich in die Welt vertheilet/
diese in eine herrlichere Wohnstatt verfügt hät-
te. Tannenberg schnitt in die Rinde des an-
sehnlichen Ahorn-Baumes folgende Reymen
ein:

Hier ist's Grab Ariovistens/ dessen mächtig Krieges-Heer/
Doch nicht ihn und seinen Muth Glück und Cäsar hat bestrit ten;
Dessen Beyspiel Fürsten lehret: iede Herrschens-Kunst sey
sch wer/
Gleich wol könn[t] ein Mensch der Welt/ nur ein GOtt ihm selbst
gebitten.

Nach dem sie sein Grab zu guter letzt noch
mit häuffigen Thränen genetzet/ und die vom
Todten ausgeropffte Wurtzeln verzehret hat-
ten/ setzten sie ihren Fuß weiter/ und kamen ge-
gen Abend an einen stillstehenden See; welcher
ihnen auf diesem hohen Gebürge/ und weil al-
les darinnen für eitel grossen Forellen wiebelte/
so viel wunderlicher fürkam. Tannenberg/
welchen nach so vieler Tage schlechter Kost nach
diesen köstlichen Fischen gelüstete/ schälete ein
wenig Bast von einem Baum/ machte daraus
und von einer Nadel eine Angel. Er hatte sie
aber noch nicht recht ins Wasser gehenckt; als
ein nackter/ wiewol gantz schupfichter Mann
auf einem Kahne aus dem Schilffe gegen ihn
herzu schiffte/ und ihn mit dem Ruder dräuende
anschrie: Er solle ihm sein Heiligthum unver-
[Spaltenumbruch] sehrt lassen. Tannenberg/ der ihn für einen
Fischer hielt/ antwortete: sie würden ihm für
wenig Fische schon gerecht werden. Jener ver-
setzte: Der grosse Wasser-Geist dieses Gebür-
ges hat eurer Vergeltung nicht von nöthen;
erholet euch aber in der nicht ferne von hier flüs-
senden Bach dieses Abgangs. Hiermit schlug
er das Ruder auf das Wasser/ worvon der gan-
tze See nicht anders als das stürmende Meer
zuschäumen anfieng; worüber allen dreyen
die Haare zu Berge stunden/ und sie eussersten
Kräfften nach Berg-ab lieffen/ biß sie keuchen-
de eine kleine/ aber mit Forellen und Eschen
so angefüllte Bach antraffen: daß sie nach ge-
haltener Berathschlagung und Anweisung obi-
gen Wasser-Geistes ihrer nach Nothdurfft mit
den Händen erwischen konten. Der Hunger
und die Schönheit dieser Fische bewegten Tan-
nenber gen abermahls: daß er um selbte zu rö-
sten von denen nahe darbey stehenden Wachol-
der-Sträuchen Holtz abzubrechen anfieng. Er
hatte aber kaum die Hand ausgestreckt; als von
einer hohen Tanne ihm eine Stimme zuruffte:
Hüte dich einen Ast zu versehren; wo du deines
Lebens nicht müde bist. Tannenberg ward
hierüber ungedultig/ und antwortete: Ob in so
Holtz-reichen Wäldern einem dürfftigen mit
besserem Fuge eine Hand voll Holtz/ als in der
Lufft dem Menschen das Athemholen zu ver-
wehren wäre. Er kriegte aber zur Antwort:
Lässestu dir nicht an tausenderley andern Bäu-
men genügen; sondern mustu dem Wald-Geist
dieses Gebürges mit Versehrung der ihm ge-
wiedmeten Wacholder -Stauden beleidigen?
Tannenberg und seine zwey Gefärthen erschra-
cken abermals über dieser Stimme/ sonderlich/
da sie den zuruffenden mit Hörnern am Haup-
te/ mit Klauen an den Füssen/ und langen
Bockshaaren am Leibe gebildet sahen. Gleich-
wol aber faste ihm Tannenberg das Hertze/
und brach von der nechsten Tanne das benöthig-

te Holtz

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Tag durch aller dreyer Beyhuͤlffe drittehalb
Ellen tieff verfertiget/ und alſo Arioviſtens Lei-
che darein geleget ward. Das Grab erhoͤhe-
ten ſie nach der alten Deutſchen Art mit Raſen;
und ſagte Marbod: Jhre Vorfahren haͤtten
Marmelne Graͤber fuͤr keine Ehre/ ſondern
eine Beſchwerde der Todten gehalten. Ario-
viſten waͤre ruͤhmlich genung: daß er einen Koͤ-
nig zum Todten-Graͤber/ ſeine Jugend nebſt
der Tapfferkeit die Klugheit des Alters/ ſein
Alter die Unſchuld der Kinder gehabt; und als
der Tod ihn gantz zu verriegeln vermeint/ der
Nachruhm und die Seele den Sarch fuͤr der
Zeit erbrochen/ jener ſich in die Welt vertheilet/
dieſe in eine herrlichere Wohnſtatt verfuͤgt haͤt-
te. Tannenberg ſchnitt in die Rinde des an-
ſehnlichen Ahorn-Baumes folgende Reymen
ein:

Hier iſt’s Grab Arioviſtens/ deſſen maͤchtig Krieges-Heer/
Doch nicht ihn und ſeinen Muth Gluͤck und Caͤſar hat beſtrit ten;
Deſſen Beyſpiel Fuͤrſten lehret: iede Herrſchens-Kunſt ſey
ſch wer/
Gleich wol koͤnn[t] ein Menſch der Welt/ nur ein GOtt ihm ſelbſt
gebitten.

Nach dem ſie ſein Grab zu guter letzt noch
mit haͤuffigen Thraͤnen genetzet/ und die vom
Todten ausgeropffte Wurtzeln verzehret hat-
ten/ ſetzten ſie ihren Fuß weiter/ und kamen ge-
gen Abend an einen ſtillſtehenden See; welcher
ihnen auf dieſem hohen Gebuͤrge/ und weil al-
les darinnen fuͤr eitel groſſen Forellen wiebelte/
ſo viel wunderlicher fuͤrkam. Tannenberg/
welchen nach ſo vieler Tage ſchlechter Koſt nach
dieſen koͤſtlichen Fiſchen geluͤſtete/ ſchaͤlete ein
wenig Baſt von einem Baum/ machte daraus
und von einer Nadel eine Angel. Er hatte ſie
aber noch nicht recht ins Waſſer gehenckt; als
ein nackter/ wiewol gantz ſchupfichter Mann
auf einem Kahne aus dem Schilffe gegen ihn
herzu ſchiffte/ und ihn mit dem Ruder draͤuende
anſchrie: Er ſolle ihm ſein Heiligthum unver-
[Spaltenumbruch] ſehrt laſſen. Tannenberg/ der ihn fuͤr einen
Fiſcher hielt/ antwortete: ſie wuͤrden ihm fuͤr
wenig Fiſche ſchon gerecht werden. Jener ver-
ſetzte: Der groſſe Waſſer-Geiſt dieſes Gebuͤr-
ges hat eurer Vergeltung nicht von noͤthen;
erholet euch aber in der nicht ferne von hier fluͤſ-
ſenden Bach dieſes Abgangs. Hiermit ſchlug
er das Ruder auf das Waſſer/ worvon der gan-
tze See nicht anders als das ſtuͤrmende Meer
zuſchaͤumen anfieng; woruͤber allen dreyen
die Haare zu Berge ſtunden/ und ſie euſſerſten
Kraͤfften nach Berg-ab lieffen/ biß ſie keuchen-
de eine kleine/ aber mit Forellen und Eſchen
ſo angefuͤllte Bach antraffen: daß ſie nach ge-
haltener Berathſchlagung und Anweiſung obi-
gen Waſſer-Geiſtes ihrer nach Nothdurfft mit
den Haͤnden erwiſchen konten. Der Hunger
und die Schoͤnheit dieſer Fiſche bewegten Tan-
nenber gen abermahls: daß er um ſelbte zu roͤ-
ſten von denen nahe darbey ſtehenden Wachol-
der-Straͤuchen Holtz abzubrechen anfieng. Er
hatte aber kaum die Hand ausgeſtreckt; als von
einer hohen Tanne ihm eine Stimme zuruffte:
Huͤte dich einen Aſt zu verſehren; wo du deines
Lebens nicht muͤde biſt. Tannenberg ward
hieruͤber ungedultig/ und antwortete: Ob in ſo
Holtz-reichen Waͤldern einem duͤrfftigen mit
beſſerem Fuge eine Hand voll Holtz/ als in der
Lufft dem Menſchen das Athemholen zu ver-
wehren waͤre. Er kriegte aber zur Antwort:
Laͤſſeſtu dir nicht an tauſenderley andern Baͤu-
men genuͤgen; ſondern muſtu dem Wald-Geiſt
dieſes Gebuͤrges mit Verſehrung der ihm ge-
wiedmeten Wacholder -Stauden beleidigen?
Tannenberg und ſeine zwey Gefaͤrthen erſchra-
cken abermals uͤber dieſer Stimme/ ſonderlich/
da ſie den zuruffenden mit Hoͤrnern am Haup-
te/ mit Klauen an den Fuͤſſen/ und langen
Bockshaaren am Leibe gebildet ſahen. Gleich-
wol aber faſte ihm Tannenberg das Hertze/
und brach von der nechſten Tanne das benoͤthig-

te Holtz
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1122[1124]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1186>, abgerufen am 19.05.2024.