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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch]
Der's deutsche Reich in Grund/ die Feind' in Staub gelegt
Tuisco steht allhier in dieser güld'nen Höle.
Lernt/ die ihr Koth für GOtt offt zu verehren pflegt/
GOtt sey ein tauglich Grab den Leichen/ nicht der Seele.

Aber/ sagte Ariovist; ich traue dir selbst nicht
zu: daß ob wol ins gemein der für unvernünfftig
gehalten wird/ der nicht mehr verlangt/ als er
darff/ dein hoher Geist sich mit dem unflätigen
Laster des Geitzes/ welches einen reichen Für-
sten dürfftiger macht/ als ein freygebiger Bett-
ler ist/ mit diesem Armuthe des Gemüthes be-
sudeln soltest; welches nicht ehe/ als wenn der
erblaste Mund die kalte Erde zu käuen bekommt/
ersättigt wird/ und das durch eine unsinnige
Begierde des Menschen Hertze alsdenn am
ärgsten quälet; wenn er am wenigsten mehr zur
Zehrung darff. Wie ich denn auch/ da ich diese
Beysorge gehabt hätte; keinem unter euch diese
verborgenen Reichthümer und Anreitzungen
zum bösen gezeigt haben würde. Aber meinem
unvergreiflichen Urthel nach/ wirstu in der dar-
neben stehenden Kristallen-Taffel etwas mehr
zu bedencken finden; in welche eingegraben
war:

Die ihr aus Ehrsucht mehr/ als Andacht Tempel bauet/
Nur: daß die Nachwelt euch/ wie sie vergöttert schauet/
Baut dem Tuiscon auf kein güldnes Rauch-Altar.
Denn/ kont er lebend gleich nicht mehr seyn/ als er war/
Auch todt nichts weniger/ als dieser Riese werden;
So bleibt er doch/ wie ihr/ für GOtt ein Zwerg auf Erden.

König Marbod; nach dem er diese ihm ein-
gehaltene Zeilen etliche mahl nachdrücklich ge-
lesen hatte; fieng er an: Es ist wahr; wenn wir
eingebildete Welt-Götter unser Absehn und
unser Wesen gegen einander halten/ müssen wir
nachgeben: daß die Gebrechligkeit in unserm
Vermögen einen festern Fuß gesetzt habe; als
die Allmacht in unser Einbildung. Daß un-
sere Gewalt auf nichts anders/ als der Unter-
thanen Demüthigung/ und der Nachbarn
Schwäche gegründet sey. Wir sindun serer
Hoffart nach in alle wege dem Egyptischen
[Spaltenumbruch] Memnons-Bilde zu vergleichen/ welches nur
mit der Sonne Gespräche hält/ an sich selbst a-
ber nichts/ als ein zu Bodem sinckender Stein
ist. Wir sind das eingebildete Gold in denen
angefeuerten Schmeltz-Kolben/ das im Glase
Purpur zur Farbe hat/ im Ausmachen aber
nur Rauch und Asche ist. Ariovist fieng an:
Warlich/ Marbod/ wenn du diß von Hertzen
redest/ hastu aus der Eitelkeit einen fernen
Blick in das Ewige gethan. Denn das Er-
käntnüs seiner eigenen Nichtigkeit/ ist die Helf-
te seiner Verewigung/ wie die Einäscherung
irrdischer Dinge der Weg zu einer neuen Ge-
burt. Wirstu nun behertzigen: daß alle Ver-
gnügung der Welt nur Einbildungen; alle
Güter/ die die Eitelkeit der Ehrsucht und dem
Geitze zur Schaue auslegt/ verfälschte und be-
trügerische Waare sey; daß alles zeitliche vor-
werts die Hoffnung/ hinterrücks die Furcht zur
Vegleiterin hat; daß der anmuthigste Blick des
Glückes ein Blitz sey/ welcher mit seinem An-
lachen einäschert; ja daß alles in der Welt Blen-
dungen/ Träume und Undinge; der vernich-
tende Tod aber allein etwas wahrhafftes sind;
so wirstu bey Zeite deiner Herrschsucht einen
Gräntz-Stein setzen; deine Vernunfft wird
dich anverweisen den allzuweiten Zirckel deiner
Gedancken in die Enge zu ziehen; wormit dein
Gemüthe den Mittel-Punct der Ruhe finde/
deine Seele aber nicht in dem Jrrdischen einge-
züngelt bleibe/ sich zum Ewigen auffzuschwin-
gen.

Diesen und vielen andern heilsamen Erin-
nerungen des frommen Ariovistes gab König
Marbod/ Lichtenstein und Tannenberg ein
auffmercksames Gehöre; welche hierüber von
ihm wieder aus diesen zweyen Hölen geführet
wurden. Sie kamen nach derselben fleißigster
Betrachtung zu dem Felsenritze wieder heraus/
als die Sonne schon untergegangen war. Weß-
wegen sie daselbst übernachten und sich mit de-
nen Wurtzeln und Beeren/ welche Ariovist

aussuch-
Siebendes Buch
[Spaltenumbruch]
Der’s deutſche Reich in Grund/ die Feind’ in Staub gelegt
Tuiſco ſteht allhier in dieſer guͤld’nen Hoͤle.
Lernt/ die ihr Koth fuͤr GOtt offt zu verehren pflegt/
GOtt ſey ein tauglich Grab den Leichen/ nicht der Seele.

Aber/ ſagte Arioviſt; ich traue dir ſelbſt nicht
zu: daß ob wol ins gemein der fuͤr unvernuͤnfftig
gehalten wird/ der nicht mehr verlangt/ als er
darff/ dein hoher Geiſt ſich mit dem unflaͤtigen
Laſter des Geitzes/ welches einen reichen Fuͤr-
ſten duͤrfftiger macht/ als ein freygebiger Bett-
ler iſt/ mit dieſem Armuthe des Gemuͤthes be-
ſudeln ſolteſt; welches nicht ehe/ als wenn der
erblaſte Mund die kalte Erde zu kaͤuen bekom̃t/
erſaͤttigt wird/ und das durch eine unſinnige
Begierde des Menſchen Hertze alsdenn am
aͤrgſten quaͤlet; wenn er am wenigſten mehr zur
Zehrung darff. Wie ich denn auch/ da ich dieſe
Beyſorge gehabt haͤtte; keinem unter euch dieſe
verborgenen Reichthuͤmer und Anreitzungen
zum boͤſen gezeigt haben wuͤrde. Aber meinem
unvergreiflichen Urthel nach/ wirſtu in der dar-
neben ſtehenden Kriſtallen-Taffel etwas mehr
zu bedencken finden; in welche eingegraben
war:

Die ihr aus Ehrſucht mehr/ als Andacht Tempel bauet/
Nur: daß die Nachwelt euch/ wie ſie vergoͤttert ſchauet/
Baut dem Tuiſcon auf kein guͤldnes Rauch-Altar.
Denn/ kont er lebend gleich nicht mehr ſeyn/ als er war/
Auch todt nichts weniger/ als dieſer Rieſe werden;
So bleibt er doch/ wie ihr/ fuͤr GOtt ein Zwerg auf Erden.

Koͤnig Marbod; nach dem er dieſe ihm ein-
gehaltene Zeilen etliche mahl nachdruͤcklich ge-
leſen hatte; fieng er an: Es iſt wahr; wenn wir
eingebildete Welt-Goͤtter unſer Abſehn und
unſer Weſen gegen einander halten/ muͤſſen wir
nachgeben: daß die Gebrechligkeit in unſerm
Vermoͤgen einen feſtern Fuß geſetzt habe; als
die Allmacht in unſer Einbildung. Daß un-
ſere Gewalt auf nichts anders/ als der Unter-
thanen Demuͤthigung/ und der Nachbarn
Schwaͤche gegruͤndet ſey. Wir ſindun ſerer
Hoffart nach in alle wege dem Egyptiſchen
[Spaltenumbruch] Memnons-Bilde zu vergleichen/ welches nur
mit der Sonne Geſpraͤche haͤlt/ an ſich ſelbſt a-
ber nichts/ als ein zu Bodem ſinckender Stein
iſt. Wir ſind das eingebildete Gold in denen
angefeuerten Schmeltz-Kolben/ das im Glaſe
Purpur zur Farbe hat/ im Ausmachen aber
nur Rauch und Aſche iſt. Arioviſt fieng an:
Warlich/ Marbod/ wenn du diß von Hertzen
redeſt/ haſtu aus der Eitelkeit einen fernen
Blick in das Ewige gethan. Denn das Er-
kaͤntnuͤs ſeiner eigenen Nichtigkeit/ iſt die Helf-
te ſeiner Verewigung/ wie die Einaͤſcherung
irrdiſcher Dinge der Weg zu einer neuen Ge-
burt. Wirſtu nun behertzigen: daß alle Ver-
gnuͤgung der Welt nur Einbildungen; alle
Guͤter/ die die Eitelkeit der Ehrſucht und dem
Geitze zur Schaue auslegt/ verfaͤlſchte und be-
truͤgeriſche Waare ſey; daß alles zeitliche vor-
werts die Hoffnung/ hinterruͤcks die Furcht zur
Vegleiterin hat; daß der anmuthigſte Blick des
Gluͤckes ein Blitz ſey/ welcher mit ſeinem An-
lachen einaͤſchert; ja daß alles in der Welt Blen-
dungen/ Traͤume und Undinge; der vernich-
tende Tod aber allein etwas wahrhafftes ſind;
ſo wirſtu bey Zeite deiner Herrſchſucht einen
Graͤntz-Stein ſetzen; deine Vernunfft wird
dich anverweiſen den allzuweiten Zirckel deiner
Gedancken in die Enge zu ziehen; wormit dein
Gemuͤthe den Mittel-Punct der Ruhe finde/
deine Seele aber nicht in dem Jrrdiſchen einge-
zuͤngelt bleibe/ ſich zum Ewigen auffzuſchwin-
gen.

Dieſen und vielen andern heilſamen Erin-
nerungen des frommen Arioviſtes gab Koͤnig
Marbod/ Lichtenſtein und Tannenberg ein
auffmerckſames Gehoͤre; welche hieruͤber von
ihm wieder aus dieſen zweyen Hoͤlen gefuͤhret
wurden. Sie kamen nach derſelben fleißigſter
Betrachtung zu dem Felſenritze wieder heraus/
als die Sonne ſchon untergegangen war. Weß-
wegen ſie daſelbſt uͤbernachten und ſich mit de-
nen Wurtzeln und Beeren/ welche Arioviſt

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[1120[1122]/1184] Siebendes Buch Der’s deutſche Reich in Grund/ die Feind’ in Staub gelegt Tuiſco ſteht allhier in dieſer guͤld’nen Hoͤle. Lernt/ die ihr Koth fuͤr GOtt offt zu verehren pflegt/ GOtt ſey ein tauglich Grab den Leichen/ nicht der Seele. Aber/ ſagte Arioviſt; ich traue dir ſelbſt nicht zu: daß ob wol ins gemein der fuͤr unvernuͤnfftig gehalten wird/ der nicht mehr verlangt/ als er darff/ dein hoher Geiſt ſich mit dem unflaͤtigen Laſter des Geitzes/ welches einen reichen Fuͤr- ſten duͤrfftiger macht/ als ein freygebiger Bett- ler iſt/ mit dieſem Armuthe des Gemuͤthes be- ſudeln ſolteſt; welches nicht ehe/ als wenn der erblaſte Mund die kalte Erde zu kaͤuen bekom̃t/ erſaͤttigt wird/ und das durch eine unſinnige Begierde des Menſchen Hertze alsdenn am aͤrgſten quaͤlet; wenn er am wenigſten mehr zur Zehrung darff. Wie ich denn auch/ da ich dieſe Beyſorge gehabt haͤtte; keinem unter euch dieſe verborgenen Reichthuͤmer und Anreitzungen zum boͤſen gezeigt haben wuͤrde. Aber meinem unvergreiflichen Urthel nach/ wirſtu in der dar- neben ſtehenden Kriſtallen-Taffel etwas mehr zu bedencken finden; in welche eingegraben war: Die ihr aus Ehrſucht mehr/ als Andacht Tempel bauet/ Nur: daß die Nachwelt euch/ wie ſie vergoͤttert ſchauet/ Baut dem Tuiſcon auf kein guͤldnes Rauch-Altar. Denn/ kont er lebend gleich nicht mehr ſeyn/ als er war/ Auch todt nichts weniger/ als dieſer Rieſe werden; So bleibt er doch/ wie ihr/ fuͤr GOtt ein Zwerg auf Erden. Koͤnig Marbod; nach dem er dieſe ihm ein- gehaltene Zeilen etliche mahl nachdruͤcklich ge- leſen hatte; fieng er an: Es iſt wahr; wenn wir eingebildete Welt-Goͤtter unſer Abſehn und unſer Weſen gegen einander halten/ muͤſſen wir nachgeben: daß die Gebrechligkeit in unſerm Vermoͤgen einen feſtern Fuß geſetzt habe; als die Allmacht in unſer Einbildung. Daß un- ſere Gewalt auf nichts anders/ als der Unter- thanen Demuͤthigung/ und der Nachbarn Schwaͤche gegruͤndet ſey. Wir ſindun ſerer Hoffart nach in alle wege dem Egyptiſchen Memnons-Bilde zu vergleichen/ welches nur mit der Sonne Geſpraͤche haͤlt/ an ſich ſelbſt a- ber nichts/ als ein zu Bodem ſinckender Stein iſt. Wir ſind das eingebildete Gold in denen angefeuerten Schmeltz-Kolben/ das im Glaſe Purpur zur Farbe hat/ im Ausmachen aber nur Rauch und Aſche iſt. Arioviſt fieng an: Warlich/ Marbod/ wenn du diß von Hertzen redeſt/ haſtu aus der Eitelkeit einen fernen Blick in das Ewige gethan. Denn das Er- kaͤntnuͤs ſeiner eigenen Nichtigkeit/ iſt die Helf- te ſeiner Verewigung/ wie die Einaͤſcherung irrdiſcher Dinge der Weg zu einer neuen Ge- burt. Wirſtu nun behertzigen: daß alle Ver- gnuͤgung der Welt nur Einbildungen; alle Guͤter/ die die Eitelkeit der Ehrſucht und dem Geitze zur Schaue auslegt/ verfaͤlſchte und be- truͤgeriſche Waare ſey; daß alles zeitliche vor- werts die Hoffnung/ hinterruͤcks die Furcht zur Vegleiterin hat; daß der anmuthigſte Blick des Gluͤckes ein Blitz ſey/ welcher mit ſeinem An- lachen einaͤſchert; ja daß alles in der Welt Blen- dungen/ Traͤume und Undinge; der vernich- tende Tod aber allein etwas wahrhafftes ſind; ſo wirſtu bey Zeite deiner Herrſchſucht einen Graͤntz-Stein ſetzen; deine Vernunfft wird dich anverweiſen den allzuweiten Zirckel deiner Gedancken in die Enge zu ziehen; wormit dein Gemuͤthe den Mittel-Punct der Ruhe finde/ deine Seele aber nicht in dem Jrrdiſchen einge- zuͤngelt bleibe/ ſich zum Ewigen auffzuſchwin- gen. Dieſen und vielen andern heilſamen Erin- nerungen des frommen Arioviſtes gab Koͤnig Marbod/ Lichtenſtein und Tannenberg ein auffmerckſames Gehoͤre; welche hieruͤber von ihm wieder aus dieſen zweyen Hoͤlen gefuͤhret wurden. Sie kamen nach derſelben fleißigſter Betrachtung zu dem Felſenritze wieder heraus/ als die Sonne ſchon untergegangen war. Weß- wegen ſie daſelbſt uͤbernachten und ſich mit de- nen Wurtzeln und Beeren/ welche Arioviſt ausſuch-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1120[1122]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1184>, abgerufen am 28.05.2024.