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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Rost/ so verzehret sie ein ander Zahn der Zeit;
ja ein einiger verwahrloster Funcken. Da nun
aber du/ Marbod/ seuffzest: daß dein Leib hier
auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuisco in
Kristall möge verwahret werden; wie vielmehr
hastu nachzusinnen: daß die viel edlere Seele im
Himmel die Sonne selbst zum Kleide habe.
Weil der Mensch scheinet gebohren zu seyn: daß
er sterbe; muß er sich bemühen also zu sterben:
daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum
Grabeleitet; soll das Grab ihm die Staffel seyn
zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar-
bod/ du wirst ein herrlicher Grab/ als diß ist;
oder aus einem Diamantenen Felsen dir gehau-
en werden könte/ verdienen; wenn du diß/ was
die Vorwelt an den güldenen Fuß dieses Bil-
des verzeichnet hat/ beobachten wirst; ja dein
Gemüthe wird im Leben unver sehrlicher Ruh/
deine Seele unver gänglicher Vergnügung ge-
nüssen; wenn du denen Erinner ungen über der
Pforte dieser Höle nachlebest. Hiermit bückte
sich Ariovist/ räumete um den güldenen Fuß
vollends das versteinerte Wasser weg; und zeig-
te seinen Gefärthen/ wie daselbst mit eitel Edel-
gesteinen nachfolgende Worte auffs künstlichste
ins Gold versetzt waren.

Der Erde Marck das Gold/ und so viel edle Steine
Sind's Armuth dieser Grufft. Luiscons edles Grab
Jst ihr und Deutschlands Schatz. Weil diß nur sein Gebeine
Beysammen hält/ wird ihm kein Feind was ringen ab.

Als Marbod diese kostbare Schrifft gelesen/
fieng er an: So sehe ich wol: daß die Leiche des
grossen Tuisco ein Schutz-Bild/ und also ein
grosser Schatz Deutschlands sey; an dessen Be-
wahrung das Heil/ an Versehrung aber der
Untergang des Vaterlandes gelegen sey. A-
riovist lächelte/ ihm antwortende: Jch w[e]iß
wol: daß das der gemeinen Sage nach vom
Himmel gefallene Trojanische Palladium/
welches man mir noch zu Rom als ein grosses
Heiligthum gewiesen/ nichts anders/ als des
Königs Pelops Gerippe/ welches ein Asiati-
[Spaltenumbruch] scher Weiser bey einer gewissen Verein barung
der Sternen aus seinen Todten-Beinen zusam-
men gesetzt/ und dem Könige Troß verehret
hat; das Olympische Schutz-Bild nichts/ als
Knochen eines Jndianischen Thieres; der
Spartaner Minerven-Schild die Menschen-
Haut des weisen Pherecydes; das Syrische
Dagons-Bild mit einer Wallfisch-Haut um-
zogen gewesen; und alle diesen Heiligthümern
eine Krafft der Unüberwindligkeit zugeeignet
worden sey. Alleine ich bin der Meinung: daß
wie gegenwärtige Schrifft einen andern Ver-
stand hat; also auch jene Bildnüße gar auf was
anders gezielet haben. Marbod fragte alsofort:
Ob denn diese ziemlich klare Reymen anders
ausgelegt werden könten; als daß so lange Tuis-
cons Bild unver sehrt bliebe/ Deutschland wür-
de unüberwindlich seyn? Jnalle Wege/ ant-
wortete Ariovist. Denn/ weil ich meine Aus-
legung dieses Geheimnüßes wol so gefährlich
nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu
sehen bekommen; massen Jlus zu Troja/ Me-
tellus zu Rom hiervon soll verblindet seyn; so
wil ich meinen gemuthmasten Verstand dieses
Retzels nicht verschweigen: daß nemlich/ so lan-
ge Deutschland sich nicht selbst durch Zwiespalt
trennen werde/ kein Feind selbtem was anha-
ben würde. Denn nach dem Schirme des Gött-
lichen Verhängnüßes kan den Feinden eines
Reiches kein besserer Riegel/ als die Eintracht
der Bürger für geschoben werden. Einzele
Pfeile können auch Zwer ge zerbrechen; viel auf
einmal aber nicht Riesen-Armen. Diese/ mein
lieber Marbod/ hüte dich ja vollends zu zerthei-
len/ wo du dein streitbares Vaterland nicht zu
einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der
herrschsüchtigen Römer machen wilst. Aber
ich muß dich durch die Uberschrifft des Ein-
gangs noch für einer schnödern Dienstbarkeit
warnen. Hier mit führte Ariovist den König
Marbod daselbst hin/ und zeigte ihm die in
Berg-Kristallen tieff eingegrabene Worte:

Der's

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Roſt/ ſo verzehret ſie ein ander Zahn der Zeit;
ja ein einiger verwahrloſter Funcken. Da nun
aber du/ Marbod/ ſeuffzeſt: daß dein Leib hier
auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuiſco in
Kriſtall moͤge verwahret werden; wie vielmehr
haſtu nachzuſinnen: daß die viel edlere Seele im
Himmel die Sonne ſelbſt zum Kleide habe.
Weil der Menſch ſcheinet gebohren zu ſeyn: daß
er ſterbe; muß er ſich bemuͤhen alſo zu ſterben:
daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum
Grabeleitet; ſoll das Grab ihm die Staffel ſeyn
zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar-
bod/ du wirſt ein herrlicher Grab/ als diß iſt;
oder aus einem Diamantenen Felſen dir gehau-
en werden koͤnte/ verdienen; wenn du diß/ was
die Vorwelt an den guͤldenen Fuß dieſes Bil-
des verzeichnet hat/ beobachten wirſt; ja dein
Gemuͤthe wird im Leben unver ſehrlicher Ruh/
deine Seele unver gaͤnglicher Vergnuͤgung ge-
nuͤſſen; wenn du denen Erinner ungen uͤber der
Pforte dieſer Hoͤle nachlebeſt. Hiermit buͤckte
ſich Arioviſt/ raͤumete um den guͤldenen Fuß
vollends das verſteinerte Waſſer weg; und zeig-
te ſeinen Gefaͤrthen/ wie daſelbſt mit eitel Edel-
geſteinen nachfolgende Worte auffs kuͤnſtlichſte
ins Gold verſetzt waren.

Der Erde Marck das Gold/ und ſo viel edle Steine
Sind’s Armuth dieſer Grufft. Luiſcons edles Grab
Jſt ihr und Deutſchlands Schatz. Weil diß nur ſein Gebeine
Beyſammen haͤlt/ wird ihm kein Feind was ringen ab.

Als Marbod dieſe koſtbare Schrifft geleſen/
fieng er an: So ſehe ich wol: daß die Leiche des
groſſen Tuiſco ein Schutz-Bild/ und alſo ein
groſſer Schatz Deutſchlands ſey; an deſſen Be-
wahrung das Heil/ an Verſehrung aber der
Untergang des Vaterlandes gelegen ſey. A-
rioviſt laͤchelte/ ihm antwortende: Jch w[e]iß
wol: daß das der gemeinen Sage nach vom
Himmel gefallene Trojaniſche Palladium/
welches man mir noch zu Rom als ein groſſes
Heiligthum gewieſen/ nichts anders/ als des
Koͤnigs Pelops Gerippe/ welches ein Aſiati-
[Spaltenumbruch] ſcher Weiſer bey einer gewiſſen Verein barung
der Sternen aus ſeinen Todten-Beinen zuſam-
men geſetzt/ und dem Koͤnige Troß verehret
hat; das Olympiſche Schutz-Bild nichts/ als
Knochen eines Jndianiſchen Thieres; der
Spartaner Minerven-Schild die Menſchen-
Haut des weiſen Pherecydes; das Syriſche
Dagons-Bild mit einer Wallfiſch-Haut um-
zogen geweſen; und alle dieſen Heiligthuͤmern
eine Krafft der Unuͤberwindligkeit zugeeignet
worden ſey. Alleine ich bin der Meinung: daß
wie gegenwaͤrtige Schrifft einen andern Ver-
ſtand hat; alſo auch jene Bildnuͤße gar auf was
anders gezielet haben. Marbod fragte alſofort:
Ob denn dieſe ziemlich klare Reymen anders
ausgelegt werden koͤnten; als daß ſo lange Tuiſ-
cons Bild unver ſehrt bliebe/ Deutſchland wuͤr-
de unuͤberwindlich ſeyn? Jnalle Wege/ ant-
wortete Arioviſt. Denn/ weil ich meine Aus-
legung dieſes Geheimnuͤßes wol ſo gefaͤhrlich
nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu
ſehen bekommen; maſſen Jlus zu Troja/ Me-
tellus zu Rom hiervon ſoll verblindet ſeyn; ſo
wil ich meinen gemuthmaſten Verſtand dieſes
Retzels nicht verſchweigen: daß nemlich/ ſo lan-
ge Deutſchland ſich nicht ſelbſt durch Zwieſpalt
trennen werde/ kein Feind ſelbtem was anha-
ben wuͤrde. Denn nach dem Schirme des Goͤtt-
lichen Verhaͤngnuͤßes kan den Feinden eines
Reiches kein beſſerer Riegel/ als die Eintracht
der Buͤrger fuͤr geſchoben werden. Einzele
Pfeile koͤnnen auch Zwer ge zerbrechen; viel auf
einmal aber nicht Rieſen-Armen. Dieſe/ mein
lieber Marbod/ huͤte dich ja vollends zu zerthei-
len/ wo du dein ſtreitbares Vaterland nicht zu
einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der
herrſchſuͤchtigen Roͤmer machen wilſt. Aber
ich muß dich durch die Uberſchrifft des Ein-
gangs noch fuͤr einer ſchnoͤdern Dienſtbarkeit
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Marbod daſelbſt hin/ und zeigte ihm die in
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1119[1121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1183>, abgerufen am 19.05.2024.