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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] then sahen selbten Anfangs mit Entsetz-hernach
mit grosser Verwunderung an. Ariovist aber
reckte seine beyde Fackeln empor gegen dem
Haupte/ und erinnerte sie dieses Riesen-Bild/
von welchem dieses Riesen-Gebürge den Nah-
men führte/ nicht überhin/ sondern mehr seinen
Kern/ als die Schale zu betrachten. Worauf
der Ritter Lichtenstein zum ersten gewahr ward:
daß in diesem durchsichtigen Steine ein natür-
licher Mensch steckte; weßwegen er alsofort/ ob
ihn seine Augen betrügen/ Ariovisten fragte.
Nein/ antwortete dieser. Denn ihr sehet hier
für Augen die unverwesete Leiche des grossen
Fürsten Tuisco; und auswendig seinen Kristal-
lenen Sarch. Aller Augen erstarreten für be-
gieriger Betrachtung dieses Wunder-Grabes;
und aller Zungen erstummten für Verwunde-
rung; biß Marbod über eine lange Weile in
diese Worte ausbrach: O glückseliger Tuiscon/
dessen Tugend zwar unter allen Sterblichen
verdienet köstlicher/ als kein ander Mensch be-
graben zu seyn! dessen Geist aber auch schwer-
lich der Nachwelt ein so herrliches Begräbnüs
verdancken kan; gegen welchem der Egyptischen
Könige/ des Mausolus und des Porsenna
Marmel-Gräber Staub; Cleopatrens Per-
len-Grufft Tockenwerck/ der Macrobischen
und derer ums Meere wohnender Mohren
gläserne/ und die güldenen Särche/ darein
Ptolomeus den grossen Alexander legte/ für A-
sche und schlechte Scherben zu halten sind; also
dieser grosse Fürst seines Begräbnüsses halber
meinem Bedüncken nach mit niemanden/ als
mit derselben Natter zu eifern hat; welche über
der Weichsel an dem Gothonischen Meer-
Strande sich in den noch weichen Agstein ver-
wickelte; und nach dem dieser sich versteinerte/
darinnen begraben/ von dem Fürsten selbigen
Landes dem Feldherrn Segimern/ von diesem
aber der Kayserin Livia verehret ward. War-
lich/ wo iemahls ein Grabmahl in der Welt ei-
ner vieljährigen Tauerung werth gewest ist/
[Spaltenumbruch] verdienet diß eine Ewigkeit; und es ist zu wün-
schen: daß wie ohne diß der Donner denen
Grabmalen keinen Schaden thut/ dieses von
keinem Erdbeben versehret werden möge. Aber
durch was für Zauberey ist die Leiche in diesen
durchsichtigen Stein gebracht/ und durch was
für kräfftigen Balsam über zwey taufend Jahr
für Fäulnüs und Verwesung verwahret wor-
den? Ariovist versetzte: Sie solten nur acht ha-
ben: so würden sie aus dem Gewölbe dieser Hö-
le unaufhörlich Wasser abtröpffen/ keines aber
nirgends flüssen/ sondern sich in kurtzer Zeit in
so durchsichtigen Stein verwandeln sehen. Da-
her es nicht nur der Augenschein gebe/ sondern
ihn auch der Sothische Priester/ welcher ihm
diese Höle/ als der Sothischen Weisen grosses
Heiligthum/ zum ersten gezeigt/ glaubhafft be-
richtet hätte: daß man des grossen Tuiscons
Sohn/ welcher vom Tanais an/ biß zum Rhei-
ne geherrscht/ und diese Höle durch Anleitung
eines Wahrsagers gefunden hätte/ aber in dem
Marsingischen Gebiete gestorben wäre/ seines
Vaters Leiche in einem versteinernden Brun-
nen dieses Gebürges gelegt/ hernach/ als selbte
entweder das todte Fleisch wie vorhin Holtz und
Pflantzen zu Steine gemacht/ oder zum min-
sten mit einer steinernen Schale überzogen/ in
diese Höle versetzt hätte; wormit von dem stets
abtrieffenden Wasser/ welches die Krafft im
Augenblicke zu versteinern hat/ sein Bild von
Jahre zu Jahre sich vergrösserte. Da es denn
nach so langer Zeit zu einem solchen ungeheu-
ren Riesen/ diß Gebürge aber von den Sothi-
schen Weisen/ die sonst diese Hölen überaus ge-
heim gehalten/ das Riesen-Gebürge genennet
worden ist. König Marbod hatte Ariovi-
sten beyde Ohren/ diesem Bilde aber beyde
Augen gewiedmet/ und wuste sein und
seiner beyden Ritter Mund nicht genung-
same Lob-Sprüche dieser Säule zuzueig-
nen; gegen der sie alle Wunderwercke der
Welt für Schattenwerck hielten; Tan-

nenberg
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] then ſahen ſelbten Anfangs mit Entſetz-hernach
mit groſſer Verwunderung an. Arioviſt aber
reckte ſeine beyde Fackeln empor gegen dem
Haupte/ und erinnerte ſie dieſes Rieſen-Bild/
von welchem dieſes Rieſen-Gebuͤrge den Nah-
men fuͤhrte/ nicht uͤberhin/ ſondern mehr ſeinen
Kern/ als die Schale zu betrachten. Worauf
der Ritter Lichtenſtein zum erſten gewahr ward:
daß in dieſem durchſichtigen Steine ein natuͤr-
licher Menſch ſteckte; weßwegen er alſofort/ ob
ihn ſeine Augen betruͤgen/ Arioviſten fragte.
Nein/ antwortete dieſer. Denn ihr ſehet hier
fuͤr Augen die unverweſete Leiche des groſſen
Fuͤrſten Tuiſco; und auswendig ſeinen Kriſtal-
lenen Sarch. Aller Augen erſtarreten fuͤr be-
gieriger Betrachtung dieſes Wunder-Grabes;
und aller Zungen erſtummten fuͤr Verwunde-
rung; biß Marbod uͤber eine lange Weile in
dieſe Worte ausbrach: O gluͤckſeliger Tuiſcon/
deſſen Tugend zwar unter allen Sterblichen
verdienet koͤſtlicher/ als kein ander Menſch be-
graben zu ſeyn! deſſen Geiſt aber auch ſchwer-
lich der Nachwelt ein ſo herrliches Begraͤbnuͤs
verdancken kan; gegen welchem der Egyptiſchen
Koͤnige/ des Mauſolus und des Porſenna
Marmel-Graͤber Staub; Cleopatrens Per-
len-Grufft Tockenwerck/ der Macrobiſchen
und derer ums Meere wohnender Mohren
glaͤſerne/ und die guͤldenen Saͤrche/ darein
Ptolomeus den groſſen Alexander legte/ fuͤr A-
ſche und ſchlechte Scherben zu halten ſind; alſo
dieſer groſſe Fuͤrſt ſeines Begraͤbnuͤſſes halber
meinem Beduͤncken nach mit niemanden/ als
mit derſelben Natter zu eifern hat; welche uͤber
der Weichſel an dem Gothoniſchen Meer-
Strande ſich in den noch weichen Agſtein ver-
wickelte; und nach dem dieſer ſich verſteinerte/
darinnen begraben/ von dem Fuͤrſten ſelbigen
Landes dem Feldherrn Segimern/ von dieſem
aber der Kayſerin Livia verehret ward. War-
lich/ wo iemahls ein Grabmahl in der Welt ei-
ner vieljaͤhrigen Tauerung werth geweſt iſt/
[Spaltenumbruch] verdienet diß eine Ewigkeit; und es iſt zu wuͤn-
ſchen: daß wie ohne diß der Donner denen
Grabmalen keinen Schaden thut/ dieſes von
keinem Erdbeben verſehret werden moͤge. Aber
durch was fuͤr Zauberey iſt die Leiche in dieſen
durchſichtigen Stein gebracht/ und durch was
fuͤr kraͤfftigen Balſam uͤber zwey taufend Jahr
fuͤr Faͤulnuͤs und Verweſung verwahret wor-
den? Arioviſt verſetzte: Sie ſolten nur acht ha-
ben: ſo wuͤrden ſie aus dem Gewoͤlbe dieſer Hoͤ-
le unaufhoͤrlich Waſſer abtroͤpffen/ keines aber
nirgends fluͤſſen/ ſondern ſich in kurtzer Zeit in
ſo durchſichtigen Stein verwandeln ſehen. Da-
her es nicht nur der Augenſchein gebe/ ſondern
ihn auch der Sothiſche Prieſter/ welcher ihm
dieſe Hoͤle/ als der Sothiſchen Weiſen groſſes
Heiligthum/ zum erſten gezeigt/ glaubhafft be-
richtet haͤtte: daß man des groſſen Tuiſcons
Sohn/ welcher vom Tanais an/ biß zum Rhei-
ne geherrſcht/ und dieſe Hoͤle durch Anleitung
eines Wahrſagers gefunden haͤtte/ aber in dem
Marſingiſchen Gebiete geſtorben waͤre/ ſeines
Vaters Leiche in einem verſteinernden Brun-
nen dieſes Gebuͤrges gelegt/ hernach/ als ſelbte
entweder das todte Fleiſch wie vorhin Holtz und
Pflantzen zu Steine gemacht/ oder zum min-
ſten mit einer ſteinernen Schale uͤberzogen/ in
dieſe Hoͤle verſetzt haͤtte; wormit von dem ſtets
abtrieffenden Waſſer/ welches die Krafft im
Augenblicke zu verſteinern hat/ ſein Bild von
Jahre zu Jahre ſich vergroͤſſerte. Da es denn
nach ſo langer Zeit zu einem ſolchen ungeheu-
ren Rieſen/ diß Gebuͤrge aber von den Sothi-
ſchen Weiſen/ die ſonſt dieſe Hoͤlen uͤberaus ge-
heim gehalten/ das Rieſen-Gebuͤrge genennet
worden iſt. Koͤnig Marbod hatte Ariovi-
ſten beyde Ohren/ dieſem Bilde aber beyde
Augen gewiedmet/ und wuſte ſein und
ſeiner beyden Ritter Mund nicht genung-
ſame Lob-Spruͤche dieſer Saͤule zuzueig-
nen; gegen der ſie alle Wunderwercke der
Welt fuͤr Schattenwerck hielten; Tan-

nenberg
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1117[1119]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1181>, abgerufen am 19.05.2024.