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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Glocke; ie seltner selbte läutet/ ie mehr erwe-
cket sie Aufmerckung; wenn sie aber übel klingt/
verräthet sie entweder die Geringschätzigkeit
des Ertztes; oder daß sie zerbrochen sey. Weß-
wegen Kayser August mehr schrifft-als münd-
lich seine Meynungen entdecket. Schmincke
und Verhüllung sind Kennzeichen eines unge-
stalten Antlitzes/ übrige oder geschmierte Wor-
te eines heßlichen Gemüthes; dessen Antlitz die
Rede ist. Kürtze ist der Redner Meister-Stücke/
eines Fürsten Eigenthum. GOtt redet gar
nicht/ ein kluger Fürst wenig/ ein Thor zu viel;
welcher doch keine geschicktere Larve der Weiß-
heit hat/ als das Schweigen. Auch aus unge-
fährlichen Worten eines Fürsten erzwingen die
Zuhörer Geheimnüsse. Der Donner ist die
Sprache Gottes; und sein Bild auf Erden.
Ein Fürst soll nichts/ als Zentner-Worte für-
bringen; welche kein Verleumder verdrehen;
kein Spötter übel auslegen/ kein Boßhaffter
verdrücken kan. Alles/ was er in Geschäfften re-
det/ sollen Befehle/ in Rechts-Sachen Beschei-
de/ in Verheissungen Verbindligkeiten/ in Ge-
sprächen Nachdenckligkeiten/ im Schertze
Räthsel/ und alle Bejahungen so heilig/ als
würckliche Eyde seyn: Das kleine Glied der
Zunge ist das Steuer-Ruder/ wormit Fürsten
das grosse Schiff der Reiche mit geringer Müh
lencken und umwenden. Auf diesem beruhet
die Ehre und Verkleinerung des Fürsten; das
Heyl und Verterben/ ja das Leben und der Tod
der Unterthanen. Weßwegen der Mund des
Menschen nicht mit vorragenden Wolffs- oder
Elefanten-Zähnen ausgerüstet ist; wormit
Dräu- und Ausübung der Rache entfernet sey.
Ein Fürst aber soll gar nicht dräuen; sondern/
wenn er auch beleidiget wird/ ein Lachen darein
geben; biß die Gelegenheit ihm nichts minder
zu sicherer und gerechter Rache die Hand biete.
Jnzwischen aber/ weil nicht nur das Haupt al-
lenthalben an sich eine Fühle; sondern auch an
Empfindligkeit des Leibes Theil hat; soll er ge-
[Spaltenumbruch] schwinder/ als die Spinne so wol diß/ was das
Gewebe seines Reiches beunruhigen/ als den
Aug-Apffel seiner Hoheit verletzen will/ ihm zu
Gemüthe ziehen. Denn der ist kein Vater des
Volckes/ der seine Wunden nicht in seiner See-
le empfindet; der aber kein großmüthiger Lö-
we/ der von Hasen ihm läst die Haare ausrauf-
fen. Dieses/ Marbod/ ist das wenigste/ was
ein Fürst zu seiner Selbst-Erkäntnüß nur aus
Betrachtung der eusserlichen Sinnen zu lernen
hat. Denn eln Mensch ist ihm selbst ein so grosses
Buch/ das er sein Lebtage nicht auslesen kan;
Die innerlichen Kräfften der Seele aber so hoch:
daß kein Weltweiser ihre völlige Wissenschafft
erreicht hat. Uber diß glaube: daß mehr zu ei-
nem vollkommenen Menschen/ als zu dem
grösten Welt-Beherrscher gehöre. Dieses allein
habe ich dich noch zu erinnern: daß ob zwar ein
Fürst das Haupt des Volckes/ er dennoch kaum
ein Fußschemmel Gottes sey; und daß Könige
sich zwar an die Richtschnur der Vernunfft hal-
ten/ die Zeit ihnen nütze machen/ die Gelegen-
heit mit beyden Händen erwischen/ iedoch alle-
zeit für dem Lichte der Göttlichen Versehung
mit einer Ehrerbietigen Furcht die Augen zu-
drücken müssen. Denn diese ist in der Reichs-
Uhr das Gewichte/ unsere Vernunfft nur der
Weiser; und wenn wir gleich alle Segel unse-
rer Klugheit ausspannen/ alle an denen Ru-
dern unser Mühsamkeit schwitzen; kommen wir
doch nirgendshin anders/ als wo uns der Com-
paß der ewigen Versehung hinleitet; indem sie
uns entweder sonder Zwang unsers freyen Wil-
len ihr Absehen erkiesen läst; oder auch durch
Sturm auf ihrem unerforschlichen Wege da-
hin verwirfft/ wohin wir auch Traums-weise
nie gedacht hatten. Gleichwol aber kan der
nicht scheitern/ noch eines Hafens fehlen; der
auf diesem Meer der Welt GOtt zu seinem
Angel-Sterne/ sein Gewissen zur Magnet-
Nadel hat.

Marbod hörte gleichsam als verzückt diesen

nichts
Erster Theil. A a a a a a a

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Glocke; ie ſeltner ſelbte laͤutet/ ie mehr erwe-
cket ſie Aufmerckung; wenn ſie aber uͤbel klingt/
verraͤthet ſie entweder die Geringſchaͤtzigkeit
des Ertztes; oder daß ſie zerbrochen ſey. Weß-
wegen Kayſer Auguſt mehr ſchrifft-als muͤnd-
lich ſeine Meynungen entdecket. Schmincke
und Verhuͤllung ſind Kennzeichen eines unge-
ſtalten Antlitzes/ uͤbrige oder geſchmierte Wor-
te eines heßlichen Gemuͤthes; deſſen Antlitz die
Rede iſt. Kuͤrtze iſt der Redner Meiſter-Stuͤcke/
eines Fuͤrſten Eigenthum. GOtt redet gar
nicht/ ein kluger Fuͤrſt wenig/ ein Thor zu viel;
welcher doch keine geſchicktere Larve der Weiß-
heit hat/ als das Schweigen. Auch aus unge-
faͤhrlichen Worten eines Fuͤrſten erzwingen die
Zuhoͤrer Geheimnuͤſſe. Der Donner iſt die
Sprache Gottes; und ſein Bild auf Erden.
Ein Fuͤrſt ſoll nichts/ als Zentner-Worte fuͤr-
bringen; welche kein Verleumder verdrehen;
kein Spoͤtter uͤbel auslegen/ kein Boßhaffter
verdruͤcken kan. Alles/ was er in Geſchaͤfften re-
det/ ſollen Befehle/ in Rechts-Sachen Beſchei-
de/ in Verheiſſungen Verbindligkeiten/ in Ge-
ſpraͤchen Nachdenckligkeiten/ im Schertze
Raͤthſel/ und alle Bejahungen ſo heilig/ als
wuͤrckliche Eyde ſeyn: Das kleine Glied der
Zunge iſt das Steuer-Ruder/ wormit Fuͤrſten
das groſſe Schiff der Reiche mit geringer Muͤh
lencken und umwenden. Auf dieſem beruhet
die Ehre und Verkleinerung des Fuͤrſten; das
Heyl und Verterben/ ja das Leben und der Tod
der Unterthanen. Weßwegen der Mund des
Menſchen nicht mit vorragenden Wolffs- oder
Elefanten-Zaͤhnen ausgeruͤſtet iſt; wormit
Draͤu- und Ausuͤbung der Rache entfernet ſey.
Ein Fuͤrſt aber ſoll gar nicht draͤuen; ſondern/
wenn er auch beleidiget wird/ ein Lachen darein
geben; biß die Gelegenheit ihm nichts minder
zu ſicherer und gerechter Rache die Hand biete.
Jnzwiſchen aber/ weil nicht nur das Haupt al-
lenthalben an ſich eine Fuͤhle; ſondern auch an
Empfindligkeit des Leibes Theil hat; ſoll er ge-
[Spaltenumbruch] ſchwinder/ als die Spinne ſo wol diß/ was das
Gewebe ſeines Reiches beunruhigen/ als den
Aug-Apffel ſeiner Hoheit verletzen will/ ihm zu
Gemuͤthe ziehen. Denn der iſt kein Vater des
Volckes/ der ſeine Wunden nicht in ſeiner See-
le empfindet; der aber kein großmuͤthiger Loͤ-
we/ der von Haſen ihm laͤſt die Haare ausrauf-
fen. Dieſes/ Marbod/ iſt das wenigſte/ was
ein Fuͤrſt zu ſeiner Selbſt-Erkaͤntnuͤß nur aus
Betrachtung der euſſerlichen Sinnen zu lernen
hat. Denn eln Menſch iſt ihm ſelbſt ein ſo groſſes
Buch/ das er ſein Lebtage nicht ausleſen kan;
Die innerlichen Kraͤfften der Seele aber ſo hoch:
daß kein Weltweiſer ihre voͤllige Wiſſenſchafft
erreicht hat. Uber diß glaube: daß mehr zu ei-
nem vollkommenen Menſchen/ als zu dem
groͤſten Welt-Beherꝛſcher gehoͤre. Dieſes allein
habe ich dich noch zu erinnern: daß ob zwar ein
Fuͤrſt das Haupt des Volckes/ er dennoch kaum
ein Fußſchemmel Gottes ſey; und daß Koͤnige
ſich zwar an die Richtſchnur der Vernunfft hal-
ten/ die Zeit ihnen nuͤtze machen/ die Gelegen-
heit mit beyden Haͤnden erwiſchen/ iedoch alle-
zeit fuͤr dem Lichte der Goͤttlichen Verſehung
mit einer Ehrerbietigen Furcht die Augen zu-
druͤcken muͤſſen. Denn dieſe iſt in der Reichs-
Uhr das Gewichte/ unſere Vernunfft nur der
Weiſer; und wenn wir gleich alle Segel unſe-
rer Klugheit ausſpannen/ alle an denen Ru-
dern unſer Muͤhſamkeit ſchwitzen; kommen wir
doch nirgendshin anders/ als wo uns der Com-
paß der ewigen Verſehung hinleitet; indem ſie
uns entwedeꝛ ſonder Zwang unſers freyen Wil-
len ihr Abſehen erkieſen laͤſt; oder auch durch
Sturm auf ihrem unerforſchlichen Wege da-
hin verwirfft/ wohin wir auch Traums-weiſe
nie gedacht hatten. Gleichwol aber kan der
nicht ſcheitern/ noch eines Hafens fehlen; der
auf dieſem Meer der Welt GOtt zu ſeinem
Angel-Sterne/ ſein Gewiſſen zur Magnet-
Nadel hat.

Marbod hoͤrte gleichſam als verzuͤckt dieſen

nichts
Erſter Theil. A a a a a a a
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[1105[1107]/1169] Arminius und Thußnelda. Glocke; ie ſeltner ſelbte laͤutet/ ie mehr erwe- cket ſie Aufmerckung; wenn ſie aber uͤbel klingt/ verraͤthet ſie entweder die Geringſchaͤtzigkeit des Ertztes; oder daß ſie zerbrochen ſey. Weß- wegen Kayſer Auguſt mehr ſchrifft-als muͤnd- lich ſeine Meynungen entdecket. Schmincke und Verhuͤllung ſind Kennzeichen eines unge- ſtalten Antlitzes/ uͤbrige oder geſchmierte Wor- te eines heßlichen Gemuͤthes; deſſen Antlitz die Rede iſt. Kuͤrtze iſt der Redner Meiſter-Stuͤcke/ eines Fuͤrſten Eigenthum. GOtt redet gar nicht/ ein kluger Fuͤrſt wenig/ ein Thor zu viel; welcher doch keine geſchicktere Larve der Weiß- heit hat/ als das Schweigen. Auch aus unge- faͤhrlichen Worten eines Fuͤrſten erzwingen die Zuhoͤrer Geheimnuͤſſe. Der Donner iſt die Sprache Gottes; und ſein Bild auf Erden. Ein Fuͤrſt ſoll nichts/ als Zentner-Worte fuͤr- bringen; welche kein Verleumder verdrehen; kein Spoͤtter uͤbel auslegen/ kein Boßhaffter verdruͤcken kan. Alles/ was er in Geſchaͤfften re- det/ ſollen Befehle/ in Rechts-Sachen Beſchei- de/ in Verheiſſungen Verbindligkeiten/ in Ge- ſpraͤchen Nachdenckligkeiten/ im Schertze Raͤthſel/ und alle Bejahungen ſo heilig/ als wuͤrckliche Eyde ſeyn: Das kleine Glied der Zunge iſt das Steuer-Ruder/ wormit Fuͤrſten das groſſe Schiff der Reiche mit geringer Muͤh lencken und umwenden. Auf dieſem beruhet die Ehre und Verkleinerung des Fuͤrſten; das Heyl und Verterben/ ja das Leben und der Tod der Unterthanen. Weßwegen der Mund des Menſchen nicht mit vorragenden Wolffs- oder Elefanten-Zaͤhnen ausgeruͤſtet iſt; wormit Draͤu- und Ausuͤbung der Rache entfernet ſey. Ein Fuͤrſt aber ſoll gar nicht draͤuen; ſondern/ wenn er auch beleidiget wird/ ein Lachen darein geben; biß die Gelegenheit ihm nichts minder zu ſicherer und gerechter Rache die Hand biete. Jnzwiſchen aber/ weil nicht nur das Haupt al- lenthalben an ſich eine Fuͤhle; ſondern auch an Empfindligkeit des Leibes Theil hat; ſoll er ge- ſchwinder/ als die Spinne ſo wol diß/ was das Gewebe ſeines Reiches beunruhigen/ als den Aug-Apffel ſeiner Hoheit verletzen will/ ihm zu Gemuͤthe ziehen. Denn der iſt kein Vater des Volckes/ der ſeine Wunden nicht in ſeiner See- le empfindet; der aber kein großmuͤthiger Loͤ- we/ der von Haſen ihm laͤſt die Haare ausrauf- fen. Dieſes/ Marbod/ iſt das wenigſte/ was ein Fuͤrſt zu ſeiner Selbſt-Erkaͤntnuͤß nur aus Betrachtung der euſſerlichen Sinnen zu lernen hat. Denn eln Menſch iſt ihm ſelbſt ein ſo groſſes Buch/ das er ſein Lebtage nicht ausleſen kan; Die innerlichen Kraͤfften der Seele aber ſo hoch: daß kein Weltweiſer ihre voͤllige Wiſſenſchafft erreicht hat. Uber diß glaube: daß mehr zu ei- nem vollkommenen Menſchen/ als zu dem groͤſten Welt-Beherꝛſcher gehoͤre. Dieſes allein habe ich dich noch zu erinnern: daß ob zwar ein Fuͤrſt das Haupt des Volckes/ er dennoch kaum ein Fußſchemmel Gottes ſey; und daß Koͤnige ſich zwar an die Richtſchnur der Vernunfft hal- ten/ die Zeit ihnen nuͤtze machen/ die Gelegen- heit mit beyden Haͤnden erwiſchen/ iedoch alle- zeit fuͤr dem Lichte der Goͤttlichen Verſehung mit einer Ehrerbietigen Furcht die Augen zu- druͤcken muͤſſen. Denn dieſe iſt in der Reichs- Uhr das Gewichte/ unſere Vernunfft nur der Weiſer; und wenn wir gleich alle Segel unſe- rer Klugheit ausſpannen/ alle an denen Ru- dern unſer Muͤhſamkeit ſchwitzen; kommen wir doch nirgendshin anders/ als wo uns der Com- paß der ewigen Verſehung hinleitet; indem ſie uns entwedeꝛ ſonder Zwang unſers freyen Wil- len ihr Abſehen erkieſen laͤſt; oder auch durch Sturm auf ihrem unerforſchlichen Wege da- hin verwirfft/ wohin wir auch Traums-weiſe nie gedacht hatten. Gleichwol aber kan der nicht ſcheitern/ noch eines Hafens fehlen; der auf dieſem Meer der Welt GOtt zu ſeinem Angel-Sterne/ ſein Gewiſſen zur Magnet- Nadel hat. Marbod hoͤrte gleichſam als verzuͤckt dieſen nichts Erſter Theil. A a a a a a a

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1105[1107]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1169>, abgerufen am 19.05.2024.