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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] machen wollen; und der Tugend ihre Anmuth
nehmen/ wormit sie so viel weniger Buhler be-
komme. Sintemahl die Menschen durch gehends
so kalt gearthet wären: daß der Zunder der Eh-
re ihre todten Geister aufwecken müsse. Daher
nichts gewissers/ als daß der/ welcher Ruhm
und Ehre verachtet/ der Tugend schwerlich hold
seyn könne. Massen denn den Menschen die
Ehre fast allein von andern Thieren absonder-
te/ und zu GOtt näherte. Ja sie wäre ein viel
edler Kleinod als das Leben. Denn diß möchte
man wol für jene/ niemahls aber jene für dieses
einbüssen. Zumahl die Ehre das von der Na-
tur in so enge Schrancken der Zeit eingesperrte
Leben sodenn/ wenn es rühmlich eingebüßt
wäre/ verewigte; und das Verlangen beym
Leben hochgesehen/ nach dem Tode bey der
Nachwelt berühmt seyn/ einen sichern Beweiß
abgäbe: daß die Seele unsterblich sey. Denn
wenn sie mit dem Leibe zu seyn aufhörte/ was
hätte sie für Genüß vom Nachruhme? diesem-
nach liesse sich keine Ubermaße leichter entschul-
digen/ als wenn das Verlangen nach einem so
herrlichen Dinge über die Schnure rennte.
Der Leib wüchse nur fünff und zwantzig Jahr/
das Hertz aber funffzig/ und das Gemüthe wie
der Krocodil so lange man lebte; zu einer nicht
unklaren Andeutung: daß die Ergetzligkeiten
des Leibes ein zeitliches; tapffere Entschlüssun-
gen ein langsames/ das Verlangen über andere
zu herrschen gar kein Maß noch Ziel haben solle.
Der zerbrechliche Mensch würde wilden Thie-
ren in vielem nachgeben/ besonders den Raben;
derer Jugend allein hundert Jahr austrüge/
und den Adlern/ welche biß über die Wolcken
flügen/ wenn er nicht durch Helden-Thaten sich
bey den Nachkommen verewigen/ und mit der
Herrschafft über die heben könte/ welche in der
Verachtung bey den Lebenden/ und in der
Vergessenheit der noch ungebohrnen vergra-
ben liegen. Britton hätte zwar wie ein kleiner
Stern für der aufgehenden Sonne des Für-
[Spaltenumbruch] sten Marbods erbleichen müssen; aber dieses
Gesetze wäre nicht nur in dem Reiche der
Staats-Klugheit/ sondern auch der Natur
Herkommens; worinnen eines Dinges Ge-
burt des andern Vernichtigung nach sich züge.
Das geringe Gewürme des Pöfels krieche nur
in dem Staube/ die ohnmächtigen Schnecken
trügen sich nur mit ihren engen Hütten; Gros-
se Gemüther aber zügen mit den Habichten und
den Löwen auf den Raub aus. Und wie es dem
Volcke wol anstünde das Seinige verwahren;
also Fürsten um fremde Güter kämpffen.
Mühte sich doch die Fettigkeit der stinckenden
Moräste in empor steigende Dünste/ und diese
sich in Lufft-Sternen zu verwandeln. Und
ob sie zwar endlich wieder verloderten; wäre doch
ihre Asche nicht unedler/ als der Uhrsprung.
So viel weniger wäre dem von edlem Ge-
schlechte entsprungenen Marbod zu verargen:
daß er nach der Eigenschafft der besten Sterbli-
chen ihm die höchste Pforte der Ehren/ seinen
Nachkommen der Würde/ andern Edlen der
Nachfolge geöffnet hätte. Weil so viel Riesen-
Väter Zwerge; grosse Könige unedle Knechte
zeugten/ und ihr Geschlechte in Abfall bräch-
ten; müsten andere hingegen in Aufnehmen
kommen. Wie einerley Ding unterschiedene
Farben zu haben schiene/ nach dem man es ge-
rade oder seitenwerts ansehe; also wäre nichts
seltzames: daß ein Mensch von einem erhoben/
vom andern gescholten würde. Die alten Hel-
den deuchteten uns Wunderwercke/ die gegen-
wärtigen nichts zu seyn. Wie verkleinerlich
man itzt vom Marbod redete; so groß würde die
Nachwelt von ihm sprechen. Dahero wenn
schon ihn der Neid oder das Unglücke unter sei-
ner Last erdrückte/ könte doch seine Einäsche-
rung ihn zu nichts geringerm/ als er gewest
wäre/ machen; die Welt würde sodenn auf ihn/
wie auf die verfinsterte Sonne/ mehr Augen
wenden/ als da er in vollem Lichte gestanden.
Denen itzt sein Schweiß stinckte/ würde seine

Leiche

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] machen wollen; und der Tugend ihre Anmuth
nehmen/ wormit ſie ſo viel weniger Buhler be-
kom̃e. Sintemahl die Menſchen durch gehends
ſo kalt gearthet waͤren: daß der Zunder der Eh-
re ihre todten Geiſter aufwecken muͤſſe. Daher
nichts gewiſſers/ als daß der/ welcher Ruhm
und Ehre verachtet/ der Tugend ſchwerlich hold
ſeyn koͤnne. Maſſen denn den Menſchen die
Ehre faſt allein von andern Thieren abſonder-
te/ und zu GOtt naͤherte. Ja ſie waͤre ein viel
edler Kleinod als das Leben. Denn diß moͤchte
man wol fuͤr jene/ niemahls aber jene fuͤr dieſes
einbuͤſſen. Zumahl die Ehre das von der Na-
tur in ſo enge Schrancken der Zeit eingeſperrte
Leben ſodenn/ wenn es ruͤhmlich eingebuͤßt
waͤre/ verewigte; und das Verlangen beym
Leben hochgeſehen/ nach dem Tode bey der
Nachwelt beruͤhmt ſeyn/ einen ſichern Beweiß
abgaͤbe: daß die Seele unſterblich ſey. Denn
wenn ſie mit dem Leibe zu ſeyn aufhoͤrte/ was
haͤtte ſie fuͤr Genuͤß vom Nachruhme? dieſem-
nach lieſſe ſich keine Ubermaße leichter entſchul-
digen/ als wenn das Verlangen nach einem ſo
herꝛlichen Dinge uͤber die Schnure rennte.
Der Leib wuͤchſe nur fuͤnff und zwantzig Jahr/
das Hertz aber funffzig/ und das Gemuͤthe wie
der Krocodil ſo lange man lebte; zu einer nicht
unklaren Andeutung: daß die Ergetzligkeiten
des Leibes ein zeitliches; tapffere Entſchluͤſſun-
gen ein langſames/ das Verlangen uͤber andere
zu herꝛſchen gar kein Maß noch Ziel haben ſolle.
Der zerbrechliche Menſch wuͤrde wilden Thie-
ren in vielem nachgeben/ beſonders den Raben;
derer Jugend allein hundert Jahr austruͤge/
und den Adlern/ welche biß uͤber die Wolcken
fluͤgen/ wenn er nicht durch Helden-Thaten ſich
bey den Nachkommen verewigen/ und mit der
Herꝛſchafft uͤber die heben koͤnte/ welche in der
Verachtung bey den Lebenden/ und in der
Vergeſſenheit der noch ungebohrnen vergra-
ben liegen. Britton haͤtte zwar wie ein kleiner
Stern fuͤr der aufgehenden Sonne des Fuͤr-
[Spaltenumbruch] ſten Marbods erbleichen muͤſſen; aber dieſes
Geſetze waͤre nicht nur in dem Reiche der
Staats-Klugheit/ ſondern auch der Natur
Herkommens; worinnen eines Dinges Ge-
burt des andern Vernichtigung nach ſich zuͤge.
Das geringe Gewuͤrme des Poͤfels krieche nur
in dem Staube/ die ohnmaͤchtigen Schnecken
truͤgen ſich nur mit ihren engen Huͤtten; Groſ-
ſe Gemuͤther aber zuͤgen mit den Habichten und
den Loͤwen auf den Raub aus. Und wie es dem
Volcke wol anſtuͤnde das Seinige verwahren;
alſo Fuͤrſten um fremde Guͤter kaͤmpffen.
Muͤhte ſich doch die Fettigkeit der ſtinckenden
Moraͤſte in empor ſteigende Duͤnſte/ und dieſe
ſich in Lufft-Sternen zu verwandeln. Und
ob ſie zwar endlich wieder verlodeꝛten; waͤre doch
ihre Aſche nicht unedler/ als der Uhrſprung.
So viel weniger waͤre dem von edlem Ge-
ſchlechte entſprungenen Marbod zu verargen:
daß er nach der Eigenſchafft der beſten Sterbli-
chen ihm die hoͤchſte Pforte der Ehren/ ſeinen
Nachkommen der Wuͤrde/ andern Edlen der
Nachfolge geoͤffnet haͤtte. Weil ſo viel Rieſen-
Vaͤter Zwerge; groſſe Koͤnige unedle Knechte
zeugten/ und ihr Geſchlechte in Abfall braͤch-
ten; muͤſten andere hingegen in Aufnehmen
kommen. Wie einerley Ding unterſchiedene
Farben zu haben ſchiene/ nach dem man es ge-
rade oder ſeitenwerts anſehe; alſo waͤre nichts
ſeltzames: daß ein Menſch von einem erhoben/
vom andern geſcholten wuͤrde. Die alten Hel-
den deuchteten uns Wunderwercke/ die gegen-
waͤrtigen nichts zu ſeyn. Wie verkleinerlich
man itzt vom Marbod redete; ſo groß wuͤrde die
Nachwelt von ihm ſprechen. Dahero wenn
ſchon ihn der Neid oder das Ungluͤcke unter ſei-
ner Laſt erdruͤckte/ koͤnte doch ſeine Einaͤſche-
rung ihn zu nichts geringerm/ als er geweſt
waͤre/ machen; die Welt wuͤrde ſodenn auf ihn/
wie auf die verfinſterte Sonne/ mehr Augen
wenden/ als da er in vollem Lichte geſtanden.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1098[1100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1162>, abgerufen am 19.05.2024.