Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schildvom Arme rieß/ und durch Wasser und Felsen ihnen vorgehende den Weg bähnete; biß es an einer engen Tieffe/ worüber die Japyder hat- ten die Brücke abgeworffen/ zu einem schweren Gefechte kam/ in welchem August mit seinen an beyden Händen und Schienbeinen empfange- nen Wunden selbigen Strom und ihm zugleich seine Ehren-Fahn anröthete. Wie nun die Ja- pydes alldar der Römischen Macht länger nicht die Wage halten konten/ zohen sie sich in ihre Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher sie denen belägernden Römernn durch Abschlagung vieler Stürme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu- ges unglaublichen Schaden zufügten. Ja Au- gust selbst/ als er im zehnden Sturme von einem angeschobenen höltzernen Thurme die Mauer besteigen wolte/ ward mit einem Wurffspieße in die Seite derogestalt verwundet: daß man ihn ohnmächtig ins Zelt brachte. Alleine August ließ sich diß so wenig/ als ein verlezter Löwe schre- cken/ der/ wenn er sein Blut siehet/ nichts minder seine Kräfften/ als Grimm vergrössert. Er ver- schrieb noch zwey frische Legionen darfür/ und dräute keines Kindes in Mutterleibe zu verscho- nen/ wenn der Ort mit Sturm übergienge. Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen erschöpfft/ und die gröste Hertzhafftigkeit durch ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht wird/ ließ der eine Japydische Fürst sich das Winseln der Einwohner verleiten: daß er wie- der des andern Willen seine Helffte der Stadt mit einem Schlosse den Römern auffgab; und Römische Besatzung einnahm/ welche aber fol- gende Nacht von dem andern Fürsten unverse- hens überfallen und erschlagen ward. Hierauff vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde Städte mit fast unmenschlicher Hartnäckigkeit/ ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau- ern zersprengt/ die Waffen zerbrochen waren/ schlachteten sie ihre Weiber und Kinder selbst ab/ zündeten die Stadt an allen Ecken an/ ver- gruben sich also selbst mit der Asche ihres Vater- [Spaltenumbruch] landes; und wunden den Römern den Ruhm/ ja alle Kennzeichen des geringsten Sieges aus den Händen. Jedoch betrauerte August nicht so sehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et- licher Leichen Meister worden war/ als daß die Verzweiffelten ihm den besten Ruhm/ den ein Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab- geschnitten hatten; welcher ist/ seinem Feinde vergeben. Derogestalt sind diese Japyden/ fieng Salonine an/ ein bewehrtes Beyspiel: daß der Mensch sein selbst eigener grosser Feind/ ja sei- nes Unglückes Schmid sey. Sintemahl sie aus Furcht eines ungewissen Todes wieder die Ge- setze der Götter dem Verhängnüsse das Messer und die Fackel aus den Händen gerissen; und so wol ihnen als ihrem Vaterlande ein solch Un- recht angethan/ was der ärgste Todfeind wie- der beyde nicht hätte grimmiger ausüben können. Diesemnach hielte sie es mehr für ein Werck ra- sender Thiere sich lieber selbst ins Verterben stürtzen/ als dem Feinde sich ergeben; welcher ohne Verletzung des Völcker-Rechts die Erge- benen nicht tödten könte. Der Mensch alleine hätte von der gütigen Natur die Hoffnung in Besitz bekommen. Daher solte er niemahls was verzweiffeltes entschliessen/ sondern noch allezeit des besten gewärtig seyn. Rhemetalces begegne- te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht schlechter Dings verwerffen/ noch sie mit einigen für den Lustgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der Einfältigen schelten. Denn wenn selbte die Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet sie/ das Merckmahl eines grossen Geistes genennet zu werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja- pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts als Schmach und Pein zu gewarten/ sondern um das armselige Leben zu betteln hat/ ist es ja besser dem ohne diß unvermeidlichen To- de etliche Schritte entgegen gehen; als durch vergebene Ausweichung dem Fein- de eine Freude' machen/ umb dem ohn- mächtigen Leben mehr Weh zu thun/ der von GOTT entsprossenen und niemahls veral- Q q q q q q 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schildvom Arme rieß/ und durch Waſſer und Felſen ihnen vorgehende den Weg baͤhnete; biß es an einer engen Tieffe/ woruͤber die Japyder hat- ten die Bruͤcke abgeworffen/ zu einem ſchweren Gefechte kam/ in welchem Auguſt mit ſeinen an beyden Haͤnden und Schienbeinen empfange- nen Wunden ſelbigen Strom und ihm zugleich ſeine Ehren-Fahn anroͤthete. Wie nun die Ja- pydes alldar der Roͤmiſchen Macht laͤngeꝛ nicht die Wage halten konten/ zohen ſie ſich in ihre Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher ſie denen belaͤgernden Roͤmerñ durch Abſchlagung vieler Stuͤrme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu- ges unglaublichen Schaden zufuͤgten. Ja Au- guſt ſelbſt/ als er im zehnden Sturme von einem angeſchobenen hoͤltzernen Thurme die Mauer beſteigen wolte/ ward mit einem Wurffſpieße in die Seite derogeſtalt verwundet: daß man ihn ohnmaͤchtig ins Zelt brachte. Alleine Auguſt ließ ſich diß ſo wenig/ als ein veꝛlezteꝛ Loͤwe ſchre- cken/ der/ weñ er ſein Blut ſiehet/ nichts minder ſeine Kraͤfften/ als Grimm vergroͤſſert. Er ver- ſchrieb noch zwey friſche Legionen darfuͤr/ und draͤute keines Kindes in Mutterleibe zu verſcho- nen/ wenn der Ort mit Sturm uͤbergienge. Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen erſchoͤpfft/ und die groͤſte Hertzhafftigkeit durch ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht wird/ ließ der eine Japydiſche Fuͤrſt ſich das Winſeln der Einwohner verleiten: daß er wie- der des andern Willen ſeine Helffte der Stadt mit einem Schloſſe den Roͤmern auffgab; und Roͤmiſche Beſatzung einnahm/ welche aber fol- gende Nacht von dem andern Fuͤrſten unverſe- hens uͤberfallen und erſchlagen ward. Hierauff vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde Staͤdte mit faſt unmenſchlicher Hartnaͤckigkeit/ ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau- ern zerſprengt/ die Waffen zerbrochen waren/ ſchlachteten ſie ihre Weiber und Kinder ſelbſt ab/ zuͤndeten die Stadt an allen Ecken an/ ver- gruben ſich alſo ſelbſt mit der Aſche ihres Vater- [Spaltenumbruch] landes; und wunden den Roͤmern den Ruhm/ ja alle Kennzeichen des geringſten Sieges aus den Haͤnden. Jedoch betrauerte Auguſt nicht ſo ſehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et- licher Leichen Meiſter worden war/ als daß die Verzweiffelten ihm den beſten Ruhm/ den ein Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab- geſchnitten hatten; welcher iſt/ ſeinem Feinde vergeben. Derogeſtalt ſind dieſe Japyden/ fieng Salonine an/ ein bewehrtes Beyſpiel: daß der Menſch ſein ſelbſt eigener groſſer Feind/ ja ſei- nes Ungluͤckes Schmid ſey. Sintemahl ſie aus Furcht eines ungewiſſen Todes wieder die Ge- ſetze der Goͤtter dem Verhaͤngnuͤſſe das Meſſer und die Fackel aus den Haͤnden geriſſen; und ſo wol ihnen als ihrem Vaterlande ein ſolch Un- recht angethan/ was der aͤrgſte Todfeind wie- der beyde nicht haͤtte grim̃iger ausuͤben koͤnnen. Dieſemnach hielte ſie es mehr fuͤr ein Werck ra- ſender Thiere ſich lieber ſelbſt ins Verterben ſtuͤrtzen/ als dem Feinde ſich ergeben; welcher ohne Verletzung des Voͤlcker-Rechts die Erge- benen nicht toͤdten koͤnte. Der Menſch alleine haͤtte von der guͤtigen Natur die Hoffnung in Beſitz bekommen. Daher ſolte er niemahls was verzweiffeltes entſchlieſſen/ ſondern noch allezeit des beſten gewaͤrtig ſeyn. Rhemetalces begegne- te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht ſchlechter Dings verwerffen/ noch ſie mit einigen fuͤr den Luſtgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der Einfaͤltigen ſchelten. Denn wenn ſelbte die Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet ſie/ das Merckmahl eines groſſen Geiſtes genennet zu werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja- pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts als Schmach und Pein zu gewarten/ ſondern um das armſelige Leben zu betteln hat/ iſt es ja beſſer dem ohne diß unvermeidlichen To- de etliche Schritte entgegen gehen; als durch vergebene Ausweichung dem Fein- de eine Freude’ machen/ umb dem ohn- maͤchtigen Leben mehr Weh zu thun/ der von GOTT entſproſſenen und niemahls veral- Q q q q q q 2
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Arminius und Thußnelda.
einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild
vom Arme rieß/ und durch Waſſer und Felſen
ihnen vorgehende den Weg baͤhnete; biß es an
einer engen Tieffe/ woruͤber die Japyder hat-
ten die Bruͤcke abgeworffen/ zu einem ſchweren
Gefechte kam/ in welchem Auguſt mit ſeinen an
beyden Haͤnden und Schienbeinen empfange-
nen Wunden ſelbigen Strom und ihm zugleich
ſeine Ehren-Fahn anroͤthete. Wie nun die Ja-
pydes alldar der Roͤmiſchen Macht laͤngeꝛ nicht
die Wage halten konten/ zohen ſie ſich in ihre
Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher ſie denen
belaͤgernden Roͤmerñ durch Abſchlagung vieler
Stuͤrme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu-
ges unglaublichen Schaden zufuͤgten. Ja Au-
guſt ſelbſt/ als er im zehnden Sturme von einem
angeſchobenen hoͤltzernen Thurme die Mauer
beſteigen wolte/ ward mit einem Wurffſpieße
in die Seite derogeſtalt verwundet: daß man
ihn ohnmaͤchtig ins Zelt brachte. Alleine Auguſt
ließ ſich diß ſo wenig/ als ein veꝛlezteꝛ Loͤwe ſchre-
cken/ der/ weñ er ſein Blut ſiehet/ nichts minder
ſeine Kraͤfften/ als Grimm vergroͤſſert. Er ver-
ſchrieb noch zwey friſche Legionen darfuͤr/ und
draͤute keines Kindes in Mutterleibe zu verſcho-
nen/ wenn der Ort mit Sturm uͤbergienge.
Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen
erſchoͤpfft/ und die groͤſte Hertzhafftigkeit durch
ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht
wird/ ließ der eine Japydiſche Fuͤrſt ſich das
Winſeln der Einwohner verleiten: daß er wie-
der des andern Willen ſeine Helffte der Stadt
mit einem Schloſſe den Roͤmern auffgab; und
Roͤmiſche Beſatzung einnahm/ welche aber fol-
gende Nacht von dem andern Fuͤrſten unverſe-
hens uͤberfallen und erſchlagen ward. Hierauff
vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde
Staͤdte mit faſt unmenſchlicher Hartnaͤckigkeit/
ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau-
ern zerſprengt/ die Waffen zerbrochen waren/
ſchlachteten ſie ihre Weiber und Kinder ſelbſt
ab/ zuͤndeten die Stadt an allen Ecken an/ ver-
gruben ſich alſo ſelbſt mit der Aſche ihres Vater-
landes; und wunden den Roͤmern den Ruhm/
ja alle Kennzeichen des geringſten Sieges aus
den Haͤnden. Jedoch betrauerte Auguſt nicht
ſo ſehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et-
licher Leichen Meiſter worden war/ als daß die
Verzweiffelten ihm den beſten Ruhm/ den ein
Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab-
geſchnitten hatten; welcher iſt/ ſeinem Feinde
vergeben. Derogeſtalt ſind dieſe Japyden/ fieng
Salonine an/ ein bewehrtes Beyſpiel: daß der
Menſch ſein ſelbſt eigener groſſer Feind/ ja ſei-
nes Ungluͤckes Schmid ſey. Sintemahl ſie aus
Furcht eines ungewiſſen Todes wieder die Ge-
ſetze der Goͤtter dem Verhaͤngnuͤſſe das Meſſer
und die Fackel aus den Haͤnden geriſſen; und ſo
wol ihnen als ihrem Vaterlande ein ſolch Un-
recht angethan/ was der aͤrgſte Todfeind wie-
der beyde nicht haͤtte grim̃iger ausuͤben koͤnnen.
Dieſemnach hielte ſie es mehr fuͤr ein Werck ra-
ſender Thiere ſich lieber ſelbſt ins Verterben
ſtuͤrtzen/ als dem Feinde ſich ergeben; welcher
ohne Verletzung des Voͤlcker-Rechts die Erge-
benen nicht toͤdten koͤnte. Der Menſch alleine
haͤtte von der guͤtigen Natur die Hoffnung in
Beſitz bekommen. Daher ſolte er niemahls was
verzweiffeltes entſchlieſſen/ ſondern noch allezeit
des beſten gewaͤrtig ſeyn. Rhemetalces begegne-
te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht ſchlechter
Dings verwerffen/ noch ſie mit einigen fuͤr den
Luſtgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der
Einfaͤltigen ſchelten. Denn wenn ſelbte die
Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet ſie/ das
Merckmahl eines groſſen Geiſtes genennet zu
werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja-
pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts
als Schmach und Pein zu gewarten/ ſondern
um das armſelige Leben zu betteln hat/ iſt es
ja beſſer dem ohne diß unvermeidlichen To-
de etliche Schritte entgegen gehen; als
durch vergebene Ausweichung dem Fein-
de eine Freude’ machen/ umb dem ohn-
maͤchtigen Leben mehr Weh zu thun/ der
von GOTT entſproſſenen und niemahls
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