Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild
vom Arme rieß/ und durch Wasser und Felsen
ihnen vorgehende den Weg bähnete; biß es an
einer engen Tieffe/ worüber die Japyder hat-
ten die Brücke abgeworffen/ zu einem schweren
Gefechte kam/ in welchem August mit seinen an
beyden Händen und Schienbeinen empfange-
nen Wunden selbigen Strom und ihm zugleich
seine Ehren-Fahn anröthete. Wie nun die Ja-
pydes alldar der Römischen Macht länger nicht
die Wage halten konten/ zohen sie sich in ihre
Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher sie denen
belägernden Römernn durch Abschlagung vieler
Stürme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu-
ges unglaublichen Schaden zufügten. Ja Au-
gust selbst/ als er im zehnden Sturme von einem
angeschobenen höltzernen Thurme die Mauer
besteigen wolte/ ward mit einem Wurffspieße
in die Seite derogestalt verwundet: daß man
ihn ohnmächtig ins Zelt brachte. Alleine August
ließ sich diß so wenig/ als ein verlezter Löwe schre-
cken/ der/ wenn er sein Blut siehet/ nichts minder
seine Kräfften/ als Grimm vergrössert. Er ver-
schrieb noch zwey frische Legionen darfür/ und
dräute keines Kindes in Mutterleibe zu verscho-
nen/ wenn der Ort mit Sturm übergienge.
Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen
erschöpfft/ und die gröste Hertzhafftigkeit durch
ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht
wird/ ließ der eine Japydische Fürst sich das
Winseln der Einwohner verleiten: daß er wie-
der des andern Willen seine Helffte der Stadt
mit einem Schlosse den Römern auffgab; und
Römische Besatzung einnahm/ welche aber fol-
gende Nacht von dem andern Fürsten unverse-
hens überfallen und erschlagen ward. Hierauff
vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde
Städte mit fast unmenschlicher Hartnäckigkeit/
ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau-
ern zersprengt/ die Waffen zerbrochen waren/
schlachteten sie ihre Weiber und Kinder selbst
ab/ zündeten die Stadt an allen Ecken an/ ver-
gruben sich also selbst mit der Asche ihres Vater-
[Spaltenumbruch] landes; und wunden den Römern den Ruhm/
ja alle Kennzeichen des geringsten Sieges aus
den Händen. Jedoch betrauerte August nicht
so sehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et-
licher Leichen Meister worden war/ als daß die
Verzweiffelten ihm den besten Ruhm/ den ein
Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab-
geschnitten hatten; welcher ist/ seinem Feinde
vergeben. Derogestalt sind diese Japyden/ fieng
Salonine an/ ein bewehrtes Beyspiel: daß der
Mensch sein selbst eigener grosser Feind/ ja sei-
nes Unglückes Schmid sey. Sintemahl sie aus
Furcht eines ungewissen Todes wieder die Ge-
setze der Götter dem Verhängnüsse das Messer
und die Fackel aus den Händen gerissen; und so
wol ihnen als ihrem Vaterlande ein solch Un-
recht angethan/ was der ärgste Todfeind wie-
der beyde nicht hätte grimmiger ausüben können.
Diesemnach hielte sie es mehr für ein Werck ra-
sender Thiere sich lieber selbst ins Verterben
stürtzen/ als dem Feinde sich ergeben; welcher
ohne Verletzung des Völcker-Rechts die Erge-
benen nicht tödten könte. Der Mensch alleine
hätte von der gütigen Natur die Hoffnung in
Besitz bekommen. Daher solte er niemahls was
verzweiffeltes entschliessen/ sondern noch allezeit
des besten gewärtig seyn. Rhemetalces begegne-
te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht schlechter
Dings verwerffen/ noch sie mit einigen für den
Lustgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der
Einfältigen schelten. Denn wenn selbte die
Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet sie/ das
Merckmahl eines grossen Geistes genennet zu
werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja-
pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts
als Schmach und Pein zu gewarten/ sondern
um das armselige Leben zu betteln hat/ ist es
ja besser dem ohne diß unvermeidlichen To-
de etliche Schritte entgegen gehen; als
durch vergebene Ausweichung dem Fein-
de eine Freude' machen/ umb dem ohn-
mächtigen Leben mehr Weh zu thun/ der
von GOTT entsprossenen und niemahls

veral-
Q q q q q q 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild
vom Arme rieß/ und durch Waſſer und Felſen
ihnen vorgehende den Weg baͤhnete; biß es an
einer engen Tieffe/ woruͤber die Japyder hat-
ten die Bruͤcke abgeworffen/ zu einem ſchweren
Gefechte kam/ in welchem Auguſt mit ſeinen an
beyden Haͤnden und Schienbeinen empfange-
nen Wunden ſelbigen Strom und ihm zugleich
ſeine Ehren-Fahn anroͤthete. Wie nun die Ja-
pydes alldar der Roͤmiſchen Macht laͤngeꝛ nicht
die Wage halten konten/ zohen ſie ſich in ihre
Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher ſie denen
belaͤgernden Roͤmerñ durch Abſchlagung vieler
Stuͤrme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu-
ges unglaublichen Schaden zufuͤgten. Ja Au-
guſt ſelbſt/ als er im zehnden Sturme von einem
angeſchobenen hoͤltzernen Thurme die Mauer
beſteigen wolte/ ward mit einem Wurffſpieße
in die Seite derogeſtalt verwundet: daß man
ihn ohnmaͤchtig ins Zelt brachte. Alleine Auguſt
ließ ſich diß ſo wenig/ als ein veꝛlezteꝛ Loͤwe ſchre-
cken/ der/ weñ er ſein Blut ſiehet/ nichts minder
ſeine Kraͤfften/ als Grimm vergroͤſſert. Er ver-
ſchrieb noch zwey friſche Legionen darfuͤr/ und
draͤute keines Kindes in Mutterleibe zu verſcho-
nen/ wenn der Ort mit Sturm uͤbergienge.
Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen
erſchoͤpfft/ und die groͤſte Hertzhafftigkeit durch
ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht
wird/ ließ der eine Japydiſche Fuͤrſt ſich das
Winſeln der Einwohner verleiten: daß er wie-
der des andern Willen ſeine Helffte der Stadt
mit einem Schloſſe den Roͤmern auffgab; und
Roͤmiſche Beſatzung einnahm/ welche aber fol-
gende Nacht von dem andern Fuͤrſten unverſe-
hens uͤberfallen und erſchlagen ward. Hierauff
vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde
Staͤdte mit faſt unmenſchlicher Hartnaͤckigkeit/
ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau-
ern zerſprengt/ die Waffen zerbrochen waren/
ſchlachteten ſie ihre Weiber und Kinder ſelbſt
ab/ zuͤndeten die Stadt an allen Ecken an/ ver-
gruben ſich alſo ſelbſt mit der Aſche ihres Vater-
[Spaltenumbruch] landes; und wunden den Roͤmern den Ruhm/
ja alle Kennzeichen des geringſten Sieges aus
den Haͤnden. Jedoch betrauerte Auguſt nicht
ſo ſehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et-
licher Leichen Meiſter worden war/ als daß die
Verzweiffelten ihm den beſten Ruhm/ den ein
Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab-
geſchnitten hatten; welcher iſt/ ſeinem Feinde
vergeben. Derogeſtalt ſind dieſe Japyden/ fieng
Salonine an/ ein bewehrtes Beyſpiel: daß der
Menſch ſein ſelbſt eigener groſſer Feind/ ja ſei-
nes Ungluͤckes Schmid ſey. Sintemahl ſie aus
Furcht eines ungewiſſen Todes wieder die Ge-
ſetze der Goͤtter dem Verhaͤngnuͤſſe das Meſſer
und die Fackel aus den Haͤnden geriſſen; und ſo
wol ihnen als ihrem Vaterlande ein ſolch Un-
recht angethan/ was der aͤrgſte Todfeind wie-
der beyde nicht haͤtte grim̃iger ausuͤben koͤnnen.
Dieſemnach hielte ſie es mehr fuͤr ein Werck ra-
ſender Thiere ſich lieber ſelbſt ins Verterben
ſtuͤrtzen/ als dem Feinde ſich ergeben; welcher
ohne Verletzung des Voͤlcker-Rechts die Erge-
benen nicht toͤdten koͤnte. Der Menſch alleine
haͤtte von der guͤtigen Natur die Hoffnung in
Beſitz bekommen. Daher ſolte er niemahls was
verzweiffeltes entſchlieſſen/ ſondern noch allezeit
des beſten gewaͤrtig ſeyn. Rhemetalces begegne-
te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht ſchlechter
Dings verwerffen/ noch ſie mit einigen fuͤr den
Luſtgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der
Einfaͤltigen ſchelten. Denn wenn ſelbte die
Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet ſie/ das
Merckmahl eines groſſen Geiſtes genennet zu
werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja-
pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts
als Schmach und Pein zu gewarten/ ſondern
um das armſelige Leben zu betteln hat/ iſt es
ja beſſer dem ohne diß unvermeidlichen To-
de etliche Schritte entgegen gehen; als
durch vergebene Ausweichung dem Fein-
de eine Freude’ machen/ umb dem ohn-
maͤchtigen Leben mehr Weh zu thun/ der
von GOTT entſproſſenen und niemahls

veral-
Q q q q q q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1107" n="1043[1045]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild<lb/>
vom Arme rieß/ und durch Wa&#x017F;&#x017F;er und Fel&#x017F;en<lb/>
ihnen vorgehende den Weg ba&#x0364;hnete; biß es an<lb/>
einer engen Tieffe/ woru&#x0364;ber die Japyder hat-<lb/>
ten die Bru&#x0364;cke abgeworffen/ zu einem &#x017F;chweren<lb/>
Gefechte kam/ in welchem Augu&#x017F;t mit &#x017F;einen an<lb/>
beyden Ha&#x0364;nden und Schienbeinen empfange-<lb/>
nen Wunden &#x017F;elbigen Strom und ihm zugleich<lb/>
&#x017F;eine Ehren-Fahn anro&#x0364;thete. Wie nun die Ja-<lb/>
pydes alldar der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Macht la&#x0364;nge&#xA75B; nicht<lb/>
die Wage halten konten/ zohen &#x017F;ie &#x017F;ich in ihre<lb/>
Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher &#x017F;ie denen<lb/>
bela&#x0364;gernden Ro&#x0364;mern&#x0303; durch Ab&#x017F;chlagung vieler<lb/>
Stu&#x0364;rme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu-<lb/>
ges unglaublichen Schaden zufu&#x0364;gten. Ja Au-<lb/>
gu&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t/ als er im zehnden Sturme von einem<lb/>
ange&#x017F;chobenen ho&#x0364;ltzernen Thurme die Mauer<lb/>
be&#x017F;teigen wolte/ ward mit einem Wurff&#x017F;pieße<lb/>
in die Seite deroge&#x017F;talt verwundet: daß man<lb/>
ihn ohnma&#x0364;chtig ins Zelt brachte. Alleine Augu&#x017F;t<lb/>
ließ &#x017F;ich diß &#x017F;o wenig/ als ein ve&#xA75B;lezte&#xA75B; Lo&#x0364;we &#x017F;chre-<lb/>
cken/ der/ wen&#x0303; er &#x017F;ein Blut &#x017F;iehet/ nichts minder<lb/>
&#x017F;eine Kra&#x0364;fften/ als Grimm vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert. Er ver-<lb/>
&#x017F;chrieb noch zwey fri&#x017F;che Legionen darfu&#x0364;r/ und<lb/>
dra&#x0364;ute keines Kindes in Mutterleibe zu ver&#x017F;cho-<lb/>
nen/ wenn der Ort mit Sturm u&#x0364;bergienge.<lb/>
Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen<lb/>
er&#x017F;cho&#x0364;pfft/ und die gro&#x0364;&#x017F;te Hertzhafftigkeit durch<lb/>
ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht<lb/>
wird/ ließ der eine Japydi&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ich das<lb/>
Win&#x017F;eln der Einwohner verleiten: daß er wie-<lb/>
der des andern Willen &#x017F;eine Helffte der Stadt<lb/>
mit einem Schlo&#x017F;&#x017F;e den Ro&#x0364;mern auffgab; und<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;che Be&#x017F;atzung einnahm/ welche aber fol-<lb/>
gende Nacht von dem andern Fu&#x0364;r&#x017F;ten unver&#x017F;e-<lb/>
hens u&#x0364;berfallen und er&#x017F;chlagen ward. Hierauff<lb/>
vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde<lb/>
Sta&#x0364;dte mit fa&#x017F;t unmen&#x017F;chlicher Hartna&#x0364;ckigkeit/<lb/>
ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau-<lb/>
ern zer&#x017F;prengt/ die Waffen zerbrochen waren/<lb/>
&#x017F;chlachteten &#x017F;ie ihre Weiber und Kinder &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ab/ zu&#x0364;ndeten die Stadt an allen Ecken an/ ver-<lb/>
gruben &#x017F;ich al&#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;t mit der A&#x017F;che ihres Vater-<lb/><cb/>
landes; und wunden den Ro&#x0364;mern den Ruhm/<lb/>
ja alle Kennzeichen des gering&#x017F;ten Sieges aus<lb/>
den Ha&#x0364;nden. Jedoch betrauerte Augu&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et-<lb/>
licher Leichen Mei&#x017F;ter worden war/ als daß die<lb/>
Verzweiffelten ihm den be&#x017F;ten Ruhm/ den ein<lb/>
Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab-<lb/>
ge&#x017F;chnitten hatten; welcher i&#x017F;t/ &#x017F;einem Feinde<lb/>
vergeben. Deroge&#x017F;talt &#x017F;ind die&#x017F;e Japyden/ fieng<lb/>
Salonine an/ ein bewehrtes Bey&#x017F;piel: daß der<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;t eigener gro&#x017F;&#x017F;er Feind/ ja &#x017F;ei-<lb/>
nes Unglu&#x0364;ckes Schmid &#x017F;ey. Sintemahl &#x017F;ie aus<lb/>
Furcht eines ungewi&#x017F;&#x017F;en Todes wieder die Ge-<lb/>
&#x017F;etze der Go&#x0364;tter dem Verha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e das Me&#x017F;&#x017F;er<lb/>
und die Fackel aus den Ha&#x0364;nden geri&#x017F;&#x017F;en; und &#x017F;o<lb/>
wol ihnen als ihrem Vaterlande ein &#x017F;olch Un-<lb/>
recht angethan/ was der a&#x0364;rg&#x017F;te Todfeind wie-<lb/>
der beyde nicht ha&#x0364;tte grim&#x0303;iger ausu&#x0364;ben ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die&#x017F;emnach hielte &#x017F;ie es mehr fu&#x0364;r ein Werck ra-<lb/>
&#x017F;ender Thiere &#x017F;ich lieber &#x017F;elb&#x017F;t ins Verterben<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzen/ als dem Feinde &#x017F;ich ergeben; welcher<lb/>
ohne Verletzung des Vo&#x0364;lcker-Rechts die Erge-<lb/>
benen nicht to&#x0364;dten ko&#x0364;nte. Der Men&#x017F;ch alleine<lb/>
ha&#x0364;tte von der gu&#x0364;tigen Natur die Hoffnung in<lb/>
Be&#x017F;itz bekommen. Daher &#x017F;olte er niemahls was<lb/>
verzweiffeltes ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern noch allezeit<lb/>
des be&#x017F;ten gewa&#x0364;rtig &#x017F;eyn. Rhemetalces begegne-<lb/>
te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht &#x017F;chlechter<lb/>
Dings verwerffen/ noch &#x017F;ie mit einigen fu&#x0364;r den<lb/>
Lu&#x017F;tgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der<lb/>
Einfa&#x0364;ltigen &#x017F;chelten. Denn wenn &#x017F;elbte die<lb/>
Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet &#x017F;ie/ das<lb/>
Merckmahl eines gro&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;tes genennet zu<lb/>
werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja-<lb/>
pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts<lb/>
als Schmach und Pein zu gewarten/ &#x017F;ondern<lb/>
um das arm&#x017F;elige Leben zu betteln hat/ i&#x017F;t es<lb/>
ja be&#x017F;&#x017F;er dem ohne diß unvermeidlichen To-<lb/>
de etliche Schritte entgegen gehen; als<lb/>
durch vergebene Ausweichung dem Fein-<lb/>
de eine Freude&#x2019; machen/ umb dem ohn-<lb/>
ma&#x0364;chtigen Leben mehr Weh zu thun/ der<lb/>
von GOTT ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;enen und niemahls<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q q q q q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">veral-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1043[1045]/1107] Arminius und Thußnelda. einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild vom Arme rieß/ und durch Waſſer und Felſen ihnen vorgehende den Weg baͤhnete; biß es an einer engen Tieffe/ woruͤber die Japyder hat- ten die Bruͤcke abgeworffen/ zu einem ſchweren Gefechte kam/ in welchem Auguſt mit ſeinen an beyden Haͤnden und Schienbeinen empfange- nen Wunden ſelbigen Strom und ihm zugleich ſeine Ehren-Fahn anroͤthete. Wie nun die Ja- pydes alldar der Roͤmiſchen Macht laͤngeꝛ nicht die Wage halten konten/ zohen ſie ſich in ihre Haupt-Stadt Mebulum/ aus welcher ſie denen belaͤgernden Roͤmerñ durch Abſchlagung vieler Stuͤrme/ und Verbrennung ihres Sturmzeu- ges unglaublichen Schaden zufuͤgten. Ja Au- guſt ſelbſt/ als er im zehnden Sturme von einem angeſchobenen hoͤltzernen Thurme die Mauer beſteigen wolte/ ward mit einem Wurffſpieße in die Seite derogeſtalt verwundet: daß man ihn ohnmaͤchtig ins Zelt brachte. Alleine Auguſt ließ ſich diß ſo wenig/ als ein veꝛlezteꝛ Loͤwe ſchre- cken/ der/ weñ er ſein Blut ſiehet/ nichts minder ſeine Kraͤfften/ als Grimm vergroͤſſert. Er ver- ſchrieb noch zwey friſche Legionen darfuͤr/ und draͤute keines Kindes in Mutterleibe zu verſcho- nen/ wenn der Ort mit Sturm uͤbergienge. Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen erſchoͤpfft/ und die groͤſte Hertzhafftigkeit durch ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht wird/ ließ der eine Japydiſche Fuͤrſt ſich das Winſeln der Einwohner verleiten: daß er wie- der des andern Willen ſeine Helffte der Stadt mit einem Schloſſe den Roͤmern auffgab; und Roͤmiſche Beſatzung einnahm/ welche aber fol- gende Nacht von dem andern Fuͤrſten unverſe- hens uͤberfallen und erſchlagen ward. Hierauff vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde Staͤdte mit faſt unmenſchlicher Hartnaͤckigkeit/ ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret/ die Mau- ern zerſprengt/ die Waffen zerbrochen waren/ ſchlachteten ſie ihre Weiber und Kinder ſelbſt ab/ zuͤndeten die Stadt an allen Ecken an/ ver- gruben ſich alſo ſelbſt mit der Aſche ihres Vater- landes; und wunden den Roͤmern den Ruhm/ ja alle Kennzeichen des geringſten Sieges aus den Haͤnden. Jedoch betrauerte Auguſt nicht ſo ſehr: daß er nur eines Steinhauffens/ und et- licher Leichen Meiſter worden war/ als daß die Verzweiffelten ihm den beſten Ruhm/ den ein Uberwinder erlangen kan/ mit ihrem Leben ab- geſchnitten hatten; welcher iſt/ ſeinem Feinde vergeben. Derogeſtalt ſind dieſe Japyden/ fieng Salonine an/ ein bewehrtes Beyſpiel: daß der Menſch ſein ſelbſt eigener groſſer Feind/ ja ſei- nes Ungluͤckes Schmid ſey. Sintemahl ſie aus Furcht eines ungewiſſen Todes wieder die Ge- ſetze der Goͤtter dem Verhaͤngnuͤſſe das Meſſer und die Fackel aus den Haͤnden geriſſen; und ſo wol ihnen als ihrem Vaterlande ein ſolch Un- recht angethan/ was der aͤrgſte Todfeind wie- der beyde nicht haͤtte grim̃iger ausuͤben koͤnnen. Dieſemnach hielte ſie es mehr fuͤr ein Werck ra- ſender Thiere ſich lieber ſelbſt ins Verterben ſtuͤrtzen/ als dem Feinde ſich ergeben; welcher ohne Verletzung des Voͤlcker-Rechts die Erge- benen nicht toͤdten koͤnte. Der Menſch alleine haͤtte von der guͤtigen Natur die Hoffnung in Beſitz bekommen. Daher ſolte er niemahls was verzweiffeltes entſchlieſſen/ ſondern noch allezeit des beſten gewaͤrtig ſeyn. Rhemetalces begegne- te ihr: Jch wil die Hoffnung nicht ſchlechter Dings verwerffen/ noch ſie mit einigen fuͤr den Luſtgarten der Narren/ und eine Kurtzweil der Einfaͤltigen ſchelten. Denn wenn ſelbte die Vernunfft zum Grunde hat/ verdienet ſie/ das Merckmahl eines groſſen Geiſtes genennet zu werden. Wenn man aber/ wie hier die Ja- pyden/ von einem verbitterten Feinde nichts als Schmach und Pein zu gewarten/ ſondern um das armſelige Leben zu betteln hat/ iſt es ja beſſer dem ohne diß unvermeidlichen To- de etliche Schritte entgegen gehen; als durch vergebene Ausweichung dem Fein- de eine Freude’ machen/ umb dem ohn- maͤchtigen Leben mehr Weh zu thun/ der von GOTT entſproſſenen und niemahls veral- Q q q q q q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1107
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1043[1045]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1107>, abgerufen am 19.05.2024.