Lohenstein, Daniel Casper von: Cleopatra. Breslau, 1661.CLEOPATRA. Kommt drückt mir sterbenden di Starren Augen zu!Wein't ihr? mißgönnt mir nicht di süsse Todten-Ruh. Iras. Wil ihre Majestät uns so verweiset lassen? 80.Sol diser zarte Leib in frischer Blüth' erblassen? 75.Sol diser Adern Kwäll/ der Glider Helffen-Bein/ Der Lippen ihr Rubin der Schlangen Speise sein? Sol ihrer Brüste Milch di faulen Würmer säugen? Solln dise Sonnen Molch' und grüne Nattern zeugen? Der Himmel lasse nicht so herben Schmertz uns schaun! Cleopatr. Ja/ Schwestern/ ja! kommt/ helft mir Sarch und Baare baun. Cyllen. Wil st/ Princessin/ selbst sich auf ihr Grabmal heben? Cleopatr. Pfläg't nicht der Seiden-Wurm ihm selbst sein Grab zu weben? Der kluge Schwan singt selbst behertzt sein Sterbe-Lied. Jhr rühmet: daß an mir Gestalt und Alter blüht; 85.Di Schönheit ist ein Rauch/ di Jugend ist ein Schatten. Eh' als di Knospen uns sind kommen recht zu statten/ Frist schon der Zeiten-Wurm di welcke Blume weg. Wiviel gibts Wespen nicht/ di theil's uns Schand und Fleck Auf unsre Lilgen schmirn/ theils unsre Süssigkeiten 90.Durch ihr vergältes Maul zu Giffte zu bereiten: Den ausgesaugten Safft in garstig Eyter lehrn; Mit unsrer Libes-Milch nur ihre Wollust nehrn. Du weist es/ Charmium/ worauf mein Eifer zihlet. Hat Julius nicht nur mit uns di Brunst gekühlet? 95.Der Keuschheit Purper blüth' entfärbt mit schnöder Lust? Dis/ libste Schwestern/ nag't noch itzo Marck und Brust. Geht euer absehn denn auf meinen Stand und Würde? Mein itzig Beispiel lehrt: der Stand sei Last und Bürde; Daß keine Distel so wi Seid' und Purper stech's 100.Und daß ein Zepter eh' als schwirrend Glaß zerbrech. Als ich den ersten blick des Tages kaum empfangen/ Hat mich das Elend schon an seine Brust gehangen; Mir minder Mutter-Milch als Wermuth eingeflöß't. Eh' als durchs lallen mix di Zunge ward gelößt/ must
CLEOPATRA. Kom̃t druͤckt mir ſterbenden di Starren Augen zu!Wein’t ihr? mißgoͤnnt mir nicht di ſuͤſſe Todten-Ruh. Iras. Wil ihre Majeſtaͤt uns ſo verweiſet laſſen? 80.Sol diſer zarte Leib in friſcher Bluͤth’ erblaſſen? 75.Sol diſer Adern Kwaͤll/ der Glider Helffen-Bein/ Der Lippen ihr Rubin der Schlangen Speiſe ſein? Sol ihrer Bruͤſte Milch di faulen Wuͤrmer ſaͤugen? Solln diſe Sonnen Molch’ und gruͤne Nattern zeugen? Der Himmel laſſe nicht ſo herben Schmertz uns ſchaun! Cleopatr. Ja/ Schweſtern/ ja! kom̃t/ helft mir Sarch und Baare baun. Cyllen. Wil ſt/ Princeſſin/ ſelbſt ſich auf ihr Grabmal heben? Cleopatr. Pflaͤg’t nicht der Seiden-Wurm ihm ſelbſt ſein Grab zu weben? Der kluge Schwan ſingt ſelbſt behertzt ſein Sterbe-Lied. Jhr ruͤhmet: daß an mir Geſtalt und Alter bluͤht; 85.Di Schoͤnheit iſt ein Rauch/ di Jugend iſt ein Schatten. Eh’ als di Knoſpen uns ſind kommen recht zu ſtatten/ Friſt ſchon der Zeiten-Wurm di welcke Blume weg. Wiviel gibts Weſpen nicht/ di theil’s uns Schand und Fleck Auf unſre Lilgen ſchmirn/ theils unſre Suͤſſigkeiten 90.Durch ihr vergaͤltes Maul zu Giffte zu bereiten: Den ausgeſaugten Safft in garſtig Eyter lehrn; Mit unſrer Libes-Milch nur ihre Wolluſt nehrn. Du weiſt es/ Charmium/ worauf mein Eifer zihlet. Hat Julius nicht nur mit uns di Brunſt gekuͤhlet? 95.Der Keuſchheit Purper bluͤth’ entfaͤrbt mit ſchnoͤder Luſt? Dis/ libſte Schweſtern/ nag’t noch itzo Marck und Bruſt. Geht euer abſehn denn auf meinen Stand und Wuͤrde? Mein itzig Beiſpiel lehrt: der Stand ſei Laſt und Buͤrde; Daß keine Diſtel ſo wi Seid’ und Purper ſtech’s 100.Und daß ein Zepter eh’ als ſchwirrend Glaß zerbrech. Als ich den erſten blick des Tages kaum empfangen/ Hat mich das Elend ſchon an ſeine Bruſt gehangen; Mir minder Mutter-Milch als Wermuth eingefloͤß’t. Eh’ als durchs lallen mix di Zunge ward geloͤßt/ muſt
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CLEOPATRA.
Kom̃t druͤckt mir ſterbenden di Starren Augen zu!
Wein’t ihr? mißgoͤnnt mir nicht di ſuͤſſe Todten-Ruh.
Iras. Wil ihre Majeſtaͤt uns ſo verweiſet laſſen?
Sol diſer zarte Leib in friſcher Bluͤth’ erblaſſen?
Sol diſer Adern Kwaͤll/ der Glider Helffen-Bein/
Der Lippen ihr Rubin der Schlangen Speiſe ſein?
Sol ihrer Bruͤſte Milch di faulen Wuͤrmer ſaͤugen?
Solln diſe Sonnen Molch’ und gruͤne Nattern zeugen?
Der Himmel laſſe nicht ſo herben Schmertz uns ſchaun!
Cleopatr. Ja/ Schweſtern/ ja! kom̃t/ helft mir Sarch und
Baare baun.
Cyllen. Wil ſt/ Princeſſin/ ſelbſt ſich auf ihr Grabmal heben?
Cleopatr. Pflaͤg’t nicht der Seiden-Wurm ihm ſelbſt ſein
Grab zu weben?
Der kluge Schwan ſingt ſelbſt behertzt ſein Sterbe-Lied.
Jhr ruͤhmet: daß an mir Geſtalt und Alter bluͤht;
Di Schoͤnheit iſt ein Rauch/ di Jugend iſt ein Schatten.
Eh’ als di Knoſpen uns ſind kommen recht zu ſtatten/
Friſt ſchon der Zeiten-Wurm di welcke Blume weg.
Wiviel gibts Weſpen nicht/ di theil’s uns Schand und Fleck
Auf unſre Lilgen ſchmirn/ theils unſre Suͤſſigkeiten
Durch ihr vergaͤltes Maul zu Giffte zu bereiten:
Den ausgeſaugten Safft in garſtig Eyter lehrn;
Mit unſrer Libes-Milch nur ihre Wolluſt nehrn.
Du weiſt es/ Charmium/ worauf mein Eifer zihlet.
Hat Julius nicht nur mit uns di Brunſt gekuͤhlet?
Der Keuſchheit Purper bluͤth’ entfaͤrbt mit ſchnoͤder Luſt?
Dis/ libſte Schweſtern/ nag’t noch itzo Marck und Bruſt.
Geht euer abſehn denn auf meinen Stand und Wuͤrde?
Mein itzig Beiſpiel lehrt: der Stand ſei Laſt und Buͤrde;
Daß keine Diſtel ſo wi Seid’ und Purper ſtech’s
Und daß ein Zepter eh’ als ſchwirrend Glaß zerbrech.
Als ich den erſten blick des Tages kaum empfangen/
Hat mich das Elend ſchon an ſeine Bruſt gehangen;
Mir minder Mutter-Milch als Wermuth eingefloͤß’t.
Eh’ als durchs lallen mix di Zunge ward geloͤßt/
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