Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.
Beruh't des Endspruch's Krafft auff dieser Faust und Degen. Agrip. Die Redligkeit läß't sich durch Dreuen nicht bewe- gen. 405.Jch lache: Daß man mir nach Ruhm und Leben streb't Mit Stricken/ die vielleicht die Spinne fester web't. Sencca. Sie hat nicht Lachens Zeit. Jhr Leugnen wird sie schlagen/ Wenn ihr Domitie wird unter Augen sagen/ Wenn Atimetus wird eröffnen ihren Rath/ 410.Den ihr vergällter Geist auff Rom beschlossen hat. Agrip. Die Warheit führ't uns auch aus dieses Jrr- gangs-Schrancken. Jch wil Domitien für ihre Feindschafft dancken: Da sie an Redligkeit uns abgewinnen wil. Wir woll'n verdammet seyn/ da sie nur halb so viel 415.Dem Käyser gönn't als wir: Wir woll'n das Mord-beil küssen/ Da wir durch unsern Todt den Sohn vergrössert wissen. Ach! aber/ er siht's nicht/ und unsre Seele kränck't: Daß sie durch unsern Fall auch ihn zu stürtzen dänck't. Burrh. Sie stürtzte ja sich selbst durch eigenes Geblütte. 420. Agrip. Die Schälsucht gegen uns verbittert ihr Gemütte. 430.Glaub't sicher: Daß der Safft der Liebe leicht verseig't/ Wo das Geblütte schon in Seiten-Stämme steig't. Hingegen/ ach! Wie kan der Wurtzel Krafft entgehen/ Wenn die geraden Zweig in frischer Blüthe stehen? 425.Es richts/ wer versteh't/ was Mutter-Liebe kan/ Ja den der süße Ruff des Vaters nur geh't an/ Ob sich nicht Hitz und Glutt bequemer scheiden lassen; Als eine Mutter sol ihr Eingeweide hassen Und auff ihr einig's Kind mit Meyneyd schwanger geh'n. Seneca. Der rechte Stamm verdorr't wo frembde Räuber steh'n. So muß die Mutter-Hold auch eignen Kindern fehlen/ Die Ehrsucht an sich zeucht und neue Buhler stehlen. Agrip. Nun die Natur uns nicht zu schützen Kräffte hat; So überleg't mein Werck und urtheilt diser That/ 435. Die
Beruh’t des Endſpruch’s Krafft auff dieſer Fauſt und Degen. Agrip. Die Redligkeit laͤß’t ſich durch Dreuen nicht bewe- gen. 405.Jch lache: Daß man mir nach Ruhm und Leben ſtreb’t Mit Stricken/ die vielleicht die Spinne feſter web’t. Sencca. Sie hat nicht Lachens Zeit. Jhr Leugnen wird ſie ſchlagen/ Wenn ihr Domitie wird unter Augen ſagen/ Wenn Atimetus wird eroͤffnen ihren Rath/ 410.Den ihr vergaͤllter Geiſt auff Rom beſchloſſen hat. Agrip. Die Warheit fuͤhr’t uns auch aus dieſes Jrr- gangs-Schrancken. Jch wil Domitien fuͤr ihre Feindſchafft dancken: Da ſie an Redligkeit uns abgewinnen wil. Wir woll’n verdammet ſeyn/ da ſie nur halb ſo viel 415.Dem Kaͤyſer goͤnn’t als wir: Wir woll’n das Mord-beil kuͤſſen/ Da wir durch unſern Todt den Sohn vergroͤſſert wiſſen. Ach! aber/ er ſiht’s nicht/ und unſre Seele kraͤnck’t: Daß ſie durch unſern Fall auch ihn zu ſtuͤrtzen daͤnck’t. Burrh. Sie ſtuͤrtzte ja ſich ſelbſt durch eigenes Gebluͤtte. 420. Agrip. Die Schaͤlſucht gegen uns verbittert ihr Gemuͤtte. 430.Glaub’t ſicher: Daß der Safft der Liebe leicht verſeig’t/ Wo das Gebluͤtte ſchon in Seiten-Staͤmme ſteig’t. Hingegen/ ach! Wie kan der Wurtzel Krafft entgehen/ Wenn die geraden Zweig in friſcher Bluͤthe ſtehen? 425.Es richts/ wer verſteh’t/ was Mutter-Liebe kan/ Ja den der ſuͤße Ruff des Vaters nur geh’t an/ Ob ſich nicht Hitz und Glutt bequemer ſcheiden laſſen; Als eine Mutter ſol ihr Eingeweide haſſen Und auff ihr einig’s Kind mit Meyneyd ſchwanger geh’n. Seneca. Der rechte Stam̃ verdorr’t wo frembde Raͤuber ſteh’n. So muß die Mutter-Hold auch eignen Kindern fehlen/ Die Ehrſucht an ſich zeucht und neue Buhler ſtehlen. Agrip. Nun die Natur uns nicht zu ſchuͤtzen Kraͤffte hat; So uͤberleg’t mein Werck und urtheilt diſer That/ 435. Die
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Beruh’t des Endſpruch’s Krafft auff dieſer Fauſt und
Degen.
Agrip. Die Redligkeit laͤß’t ſich durch Dreuen nicht bewe-
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Jch lache: Daß man mir nach Ruhm und Leben ſtreb’t
Mit Stricken/ die vielleicht die Spinne feſter web’t.
Sencca. Sie hat nicht Lachens Zeit. Jhr Leugnen wird ſie
ſchlagen/
Wenn ihr Domitie wird unter Augen ſagen/
Wenn Atimetus wird eroͤffnen ihren Rath/
Den ihr vergaͤllter Geiſt auff Rom beſchloſſen hat.
Agrip. Die Warheit fuͤhr’t uns auch aus dieſes Jrr-
gangs-Schrancken.
Jch wil Domitien fuͤr ihre Feindſchafft dancken:
Da ſie an Redligkeit uns abgewinnen wil.
Wir woll’n verdammet ſeyn/ da ſie nur halb ſo viel
Dem Kaͤyſer goͤnn’t als wir: Wir woll’n das Mord-beil
kuͤſſen/
Da wir durch unſern Todt den Sohn vergroͤſſert wiſſen.
Ach! aber/ er ſiht’s nicht/ und unſre Seele kraͤnck’t:
Daß ſie durch unſern Fall auch ihn zu ſtuͤrtzen daͤnck’t.
Burrh. Sie ſtuͤrtzte ja ſich ſelbſt durch eigenes Gebluͤtte.
Agrip. Die Schaͤlſucht gegen uns verbittert ihr Gemuͤtte.
Glaub’t ſicher: Daß der Safft der Liebe leicht verſeig’t/
Wo das Gebluͤtte ſchon in Seiten-Staͤmme ſteig’t.
Hingegen/ ach! Wie kan der Wurtzel Krafft entgehen/
Wenn die geraden Zweig in friſcher Bluͤthe ſtehen?
Es richts/ wer verſteh’t/ was Mutter-Liebe kan/
Ja den der ſuͤße Ruff des Vaters nur geh’t an/
Ob ſich nicht Hitz und Glutt bequemer ſcheiden laſſen;
Als eine Mutter ſol ihr Eingeweide haſſen
Und auff ihr einig’s Kind mit Meyneyd ſchwanger geh’n.
Seneca. Der rechte Stam̃ verdorr’t wo frembde Raͤuber
ſteh’n.
So muß die Mutter-Hold auch eignen Kindern fehlen/
Die Ehrſucht an ſich zeucht und neue Buhler ſtehlen.
Agrip. Nun die Natur uns nicht zu ſchuͤtzen Kraͤffte hat;
So uͤberleg’t mein Werck und urtheilt diſer That/
435. Die
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