Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665. Anicet. Jst ihre Seele nicht in Schlang' und Wolff ge- 490.fahr'n? Mnest. Sie stieg den Sternen zu die auch ihr Uhrsprung war'n. Paris. Hat sie durch Laster nicht die Flügel eingebißet? Mnest. Schäum't/ lästert! aber sag't/ ob ihr so gar nicht wisset? Es hege noch ihr Geist in dieser Welt Gericht. Paris. Wo ist ihr Urthel-tisch? Wer? über den sie spricht? 495. Mnester. Die Mord-schaar ist ihr Volck/ der Richtplatz ist's Gewissen. Anicet. Der taug zum Richter nicht/ der selbst muß Laster bißen. Mnester. Was häng't Verleumbdung nicht sür Fleck der Unschuld an? Paris. Sag' ob man rechtes Recht Verleumbdung nennen kan? Mnest. Mit was für Recht entzih't man ihr den Schmuck 500.der Baare? Anic. Man ehr't die Boßheit nicht mit Tempel und Al- tare. Paris. Die Straffe folg't der Schuld; und wenn der Leib erblaß't/ So bleib't er unverehr't/ ihr Leben hoch verhaß't. Mnest. Die Tugend wird durch Haß der Feinde nicht ver- sehret. Anicet. Wo ist itzt einig Mensch der ihr Gedächtnüs eh- 505.ret? Mnest. Die Nachwelt und Halb-Rom wird nicht verges- sen ihr. Paris. Wie daß der Adel ihr nicht träg't die Bilder für? Mnest. Jhr hoch Geschlechte gläntz't auch sonder Ertzt und Steine. Anicet. Kein naßes Aug' ist dar/ das ihren Tod beweine. Mnest. Aus Nerons wird noch kwäll'n an statt der Thrä- 510.ne Blutt. Paris. Wie daß man Weyrauch, nicht in ihren Holtzstoß thut? Mnest.
Anicet. Jſt ihre Seele nicht in Schlang’ und Wolff ge- 490.fahr’n? Mneſt. Sie ſtieg den Sternen zu die auch ihr Uhrſprung war’n. Paris. Hat ſie durch Laſter nicht die Fluͤgel eingebißet? Mneſt. Schaͤum’t/ laͤſtert! aber ſag’t/ ob ihr ſo gar nicht wiſſet? Es hege noch ihr Geiſt in dieſer Welt Gericht. Paris. Wo iſt ihr Urthel-tiſch? Wer? uͤber den ſie ſpricht? 495. Mneſter. Die Mord-ſchaar iſt ihr Volck/ der Richtplatz iſt’s Gewiſſen. Anicet. Der taug zum Richter nicht/ der ſelbſt muß Laſter bißen. Mneſter. Was haͤng’t Verleumbdung nicht ſuͤr Fleck der Unſchuld an? Paris. Sag’ ob man rechtes Recht Verleumbdung nennen kan? Mneſt. Mit was fuͤr Recht entzih’t man ihr den Schmuck 500.der Baare? Anic. Man ehr’t die Boßheit nicht mit Tempel und Al- tare. Paris. Die Straffe folg’t der Schuld; und wenn der Leib erblaß’t/ So bleib’t er unverehr’t/ ihr Leben hoch verhaß’t. Mneſt. Die Tugend wird durch Haß der Feinde nicht ver- ſehret. Anicet. Wo iſt itzt einig Menſch der ihr Gedaͤchtnuͤs eh- 505.ret? Mneſt. Die Nachwelt und Halb-Rom wird nicht vergeſ- ſen ihr. Paris. Wie daß der Adel ihr nicht traͤg’t die Bilder fuͤr? Mneſt. Jhr hoch Geſchlechte glaͤntz’t auch ſonder Ertzt und Steine. Anicet. Kein naßes Aug’ iſt dar/ das ihren Tod beweine. Mneſt. Aus Nerons wird noch kwaͤll’n an ſtatt der Thraͤ- 510.ne Blutt. Paris. Wie daß man Weyrauch, nicht in ihren Holtzſtoß thut? Mneſt.
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war’n.
Paris. Hat ſie durch Laſter nicht die Fluͤgel eingebißet?
Mneſt. Schaͤum’t/ laͤſtert! aber ſag’t/ ob ihr ſo gar nicht
wiſſet?
Es hege noch ihr Geiſt in dieſer Welt Gericht.
Paris. Wo iſt ihr Urthel-tiſch? Wer? uͤber den ſie ſpricht?
Mneſter. Die Mord-ſchaar iſt ihr Volck/ der Richtplatz
iſt’s Gewiſſen.
Anicet. Der taug zum Richter nicht/ der ſelbſt muß Laſter
bißen.
Mneſter. Was haͤng’t Verleumbdung nicht ſuͤr Fleck der
Unſchuld an?
Paris. Sag’ ob man rechtes Recht Verleumbdung nennen
kan?
Mneſt. Mit was fuͤr Recht entzih’t man ihr den Schmuck
der Baare?
Anic. Man ehr’t die Boßheit nicht mit Tempel und Al-
tare.
Paris. Die Straffe folg’t der Schuld; und wenn der Leib
erblaß’t/
So bleib’t er unverehr’t/ ihr Leben hoch verhaß’t.
Mneſt. Die Tugend wird durch Haß der Feinde nicht ver-
ſehret.
Anicet. Wo iſt itzt einig Menſch der ihr Gedaͤchtnuͤs eh-
ret?
Mneſt. Die Nachwelt und Halb-Rom wird nicht vergeſ-
ſen ihr.
Paris. Wie daß der Adel ihr nicht traͤg’t die Bilder fuͤr?
Mneſt. Jhr hoch Geſchlechte glaͤntz’t auch ſonder Ertzt und
Steine.
Anicet. Kein naßes Aug’ iſt dar/ das ihren Tod beweine.
Mneſt. Aus Nerons wird noch kwaͤll’n an ſtatt der Thraͤ-
ne Blutt.
Paris. Wie daß man Weyrauch, nicht in ihren Holtzſtoß
thut?
Mneſt.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 100.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/118>, abgerufen am 29.07.2024. |