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Logau, Friedrich von: Deutscher Sinn-Getichte Drey Tausend. Breslau. 1654.

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An den Leser.

GUnstiger/ geliebter Leser/ ich
halte dafür/ daß diese meine
Sinn-Getichte viel fürre-
dens oder fürsprechens nicht
bedürffen; denn ich werde alle Köpffe vn-
ter meinen Hut doch nicht bringen/ nem-
lich niemanden zwingen/ daß er meine
Gedancken müsse gut heissen: Allerding
es nicht möglich in einem Garten zu
verwehren/ daß auff die Blumen nicht so
wol Spinnen/ als Bienen fallen. Jch ge-
dencke nur etwas weniges vom Reimen-
Masse; einmal/ daß die Endungen der
Reime zusammen stimmen nur nach vn-
serer Mund-Art wo sie geschrieben; denn/
wie es vielleicht frembden dannenher
nicht füglich lauten möchte/ wie wir die
selblautenden Buchstaben außsprechen/
also würde es auch in vnsren Ohren übel
klingen/ zu reden wie die frembden reden/
also/ daß es nur nöthig scheinet/ im Reime
sich deß einheimischen Außspruches zu ge-

brau-
An den Leſer.

GUnſtiger/ geliebter Leſer/ ich
halte dafuͤr/ daß dieſe meine
Sinn-Getichte viel fuͤrre-
dens oder fuͤrſprechens nicht
beduͤrffen; denn ich werde alle Koͤpffe vn-
ter meinen Hut doch nicht bringen/ nem-
lich niemanden zwingen/ daß er meine
Gedancken muͤſſe gut heiſſen: Allerding
es nicht moͤglich in einem Garten zu
verwehren/ daß auff die Blumen nicht ſo
wol Spinnen/ als Bienen fallen. Jch ge-
dencke nur etwas weniges vom Reimen-
Maſſe; einmal/ daß die Endungen der
Reime zuſammen ſtimmen nur nach vn-
ſerer Mund-Art wo ſie geſchrieben; deñ/
wie es vielleicht frembden dannenher
nicht fuͤglich lauten moͤchte/ wie wir die
ſelblautenden Buchſtaben außſprechen/
alſo wuͤrde es auch in vnſren Ohren uͤbel
klingen/ zu reden wie die frembden reden/
alſo/ daß es nur noͤthig ſcheinet/ im Reime
ſich deß einheimiſchen Außſpruches zu ge-

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[0008] An den Leſer. GUnſtiger/ geliebter Leſer/ ich halte dafuͤr/ daß dieſe meine Sinn-Getichte viel fuͤrre- dens oder fuͤrſprechens nicht beduͤrffen; denn ich werde alle Koͤpffe vn- ter meinen Hut doch nicht bringen/ nem- lich niemanden zwingen/ daß er meine Gedancken muͤſſe gut heiſſen: Allerding es nicht moͤglich in einem Garten zu verwehren/ daß auff die Blumen nicht ſo wol Spinnen/ als Bienen fallen. Jch ge- dencke nur etwas weniges vom Reimen- Maſſe; einmal/ daß die Endungen der Reime zuſammen ſtimmen nur nach vn- ſerer Mund-Art wo ſie geſchrieben; deñ/ wie es vielleicht frembden dannenher nicht fuͤglich lauten moͤchte/ wie wir die ſelblautenden Buchſtaben außſprechen/ alſo wuͤrde es auch in vnſren Ohren uͤbel klingen/ zu reden wie die frembden reden/ alſo/ daß es nur noͤthig ſcheinet/ im Reime ſich deß einheimiſchen Außſpruches zu ge- brau-

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Zitationshilfe: Logau, Friedrich von: Deutscher Sinn-Getichte Drey Tausend. Breslau. 1654, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/logau_sinngetichte_1654/8>, abgerufen am 18.04.2024.