Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.Wir ersehen aus dem Angeführten, daß die Trinksitten unserer akademischen Jugend keine Wurzel im modernen Leben und keinen Zusammenhang mit diesem haben. Sie bilden einen Ueberrest aus einer Periode der Sittenverwilderung und Unkultur, einen Ueberrest, der nicht wie so manches andere Altherkömmliche der Pflege würdig ist, sondern endlich aufgegeben werden sollte angesichts des Umstandes, daß dem Studierenden heutzutage, namentlich in den größeren Universitätsstädten, höhere, der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlichere Genüsse zu Gebote stehen als die alkoholischen. M. D. u. H. Die kurze mir zur Verfügung stehende Zeit, gestattet mir selbstverständlich nicht, die verschiedenen Seiten der so wichtigen Alkoholfrage auch nur flüchtig zu berühren. Ich muß mich darauf beschränken, auf einige für Sie besonders wichtige Punkte hinzuweisen. Wenn wir die Wirkungen des Alkohols in Betracht ziehen, so stoßen wir auf zwei Reihen von Tatsachen, die wenn auch scheinbar entgegengesetzter Natur, doch innig zusammenhängen. Man könnte, um ein Bild zu gebrauchen, sagen, diese Tatsachen sind auf zwei Seiten eines und desselben Blattes verzeichnet. Auf der einen Seite finden wir Alles Schöne und Gute, das man dem Alkohol zuschreibt, auf der anderen Seite alle Mißstände und Übel, alles Elend, das auf den Alkohol sich zurückführen läßt. Betrachten wir uns zunächst das Schöne und Gute, die Annehmlichkeiten und Vorteile, die der Alkoholgenuß bringen soll. Diese sind es ja auch, welche die ungeheuere Verbreitung des Alkoholgenusses von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart bewirkt haben. Man rühmt dem Alkohol nach, daß er die geistige Tätigkeit anregt, den Geist sozusagen flüssiger macht, daß er ein Gefühl des Wohlbehagens und erhöhter Kraft erzeugt, daß er die Stimmung hebt, Frohsinn hervorruft, die düsteren Seiten des Lebens aus dem Bewußtsein verdrängt und dadurch auch die Sorgen verscheucht -- er ist ja der Sorgenbrecher par excellence --, daß er die sogenannte Gemütlichkeit und die Geselligkeit fördert, und dadurch die Menschen einander näher bringt. Man hat auch behauptet, daß er die Fantasie des Dichters und des bildenden Künstlers anregt und dadurch deren Produktivität in günstiger Weise beeinflußt. Es ist nun keineswegs zu leugnen, daß diese Behauptungen wenigstens zum großen Teile der Wahrheit entsprechen. Aber unsere Schätzung der Vorteile und Annehmlichkeiten des Alkoholgenusses muß eine wesentliche sich bei uns höheren Orts gegen einen Hygieneunterricht an den Gymnasien nicht mehr so ablehnend verhalten soll, nachdem ein Hygieniker an die Spitze der bayrischen Sanitätsverwaltung getreten ist.
Wir ersehen aus dem Angeführten, daß die Trinksitten unserer akademischen Jugend keine Wurzel im modernen Leben und keinen Zusammenhang mit diesem haben. Sie bilden einen Ueberrest aus einer Periode der Sittenverwilderung und Unkultur, einen Ueberrest, der nicht wie so manches andere Altherkömmliche der Pflege würdig ist, sondern endlich aufgegeben werden sollte angesichts des Umstandes, daß dem Studierenden heutzutage, namentlich in den größeren Universitätsstädten, höhere, der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlichere Genüsse zu Gebote stehen als die alkoholischen. M. D. u. H. Die kurze mir zur Verfügung stehende Zeit, gestattet mir selbstverständlich nicht, die verschiedenen Seiten der so wichtigen Alkoholfrage auch nur flüchtig zu berühren. Ich muß mich darauf beschränken, auf einige für Sie besonders wichtige Punkte hinzuweisen. Wenn wir die Wirkungen des Alkohols in Betracht ziehen, so stoßen wir auf zwei Reihen von Tatsachen, die wenn auch scheinbar entgegengesetzter Natur, doch innig zusammenhängen. Man könnte, um ein Bild zu gebrauchen, sagen, diese Tatsachen sind auf zwei Seiten eines und desselben Blattes verzeichnet. Auf der einen Seite finden wir Alles Schöne und Gute, das man dem Alkohol zuschreibt, auf der anderen Seite alle Mißstände und Übel, alles Elend, das auf den Alkohol sich zurückführen läßt. Betrachten wir uns zunächst das Schöne und Gute, die Annehmlichkeiten und Vorteile, die der Alkoholgenuß bringen soll. Diese sind es ja auch, welche die ungeheuere Verbreitung des Alkoholgenusses von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart bewirkt haben. Man rühmt dem Alkohol nach, daß er die geistige Tätigkeit anregt, den Geist sozusagen flüssiger macht, daß er ein Gefühl des Wohlbehagens und erhöhter Kraft erzeugt, daß er die Stimmung hebt, Frohsinn hervorruft, die düsteren Seiten des Lebens aus dem Bewußtsein verdrängt und dadurch auch die Sorgen verscheucht — er ist ja der Sorgenbrecher par excellence —, daß er die sogenannte Gemütlichkeit und die Geselligkeit fördert, und dadurch die Menschen einander näher bringt. Man hat auch behauptet, daß er die Fantasie des Dichters und des bildenden Künstlers anregt und dadurch deren Produktivität in günstiger Weise beeinflußt. Es ist nun keineswegs zu leugnen, daß diese Behauptungen wenigstens zum großen Teile der Wahrheit entsprechen. Aber unsere Schätzung der Vorteile und Annehmlichkeiten des Alkoholgenusses muß eine wesentliche sich bei uns höheren Orts gegen einen Hygieneunterricht an den Gymnasien nicht mehr so ablehnend verhalten soll, nachdem ein Hygieniker an die Spitze der bayrischen Sanitätsverwaltung getreten ist.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0011" n="9"/> <p> Wir ersehen aus dem Angeführten, daß die Trinksitten unserer akademischen Jugend keine Wurzel im modernen Leben und keinen Zusammenhang mit diesem haben. Sie bilden einen Ueberrest aus einer Periode der Sittenverwilderung und Unkultur, einen Ueberrest, der nicht wie so manches andere Altherkömmliche der Pflege würdig ist, sondern endlich aufgegeben werden sollte angesichts des Umstandes, daß dem Studierenden heutzutage, namentlich in den größeren Universitätsstädten, höhere, der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlichere Genüsse zu Gebote stehen als die alkoholischen.</p> <p>M. D. u. H. Die kurze mir zur Verfügung stehende Zeit, gestattet mir selbstverständlich nicht, die verschiedenen Seiten der so wichtigen Alkoholfrage auch nur flüchtig zu berühren. Ich muß mich darauf beschränken, auf einige für Sie besonders wichtige Punkte hinzuweisen. Wenn wir die Wirkungen des Alkohols in Betracht ziehen, so stoßen wir auf zwei Reihen von Tatsachen, die wenn auch scheinbar entgegengesetzter Natur, doch innig zusammenhängen. Man könnte, um ein Bild zu gebrauchen, sagen, diese Tatsachen sind auf zwei Seiten eines und desselben Blattes verzeichnet. Auf der einen Seite finden wir Alles Schöne und Gute, das man dem Alkohol zuschreibt, auf der anderen Seite alle Mißstände und Übel, alles Elend, das auf den Alkohol sich zurückführen läßt. Betrachten wir uns zunächst das Schöne und Gute, die Annehmlichkeiten und Vorteile, die der Alkoholgenuß bringen soll. Diese sind es ja auch, welche die ungeheuere Verbreitung des Alkoholgenusses von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart bewirkt haben. Man rühmt dem Alkohol nach, daß er die geistige Tätigkeit anregt, den Geist sozusagen flüssiger macht, daß er ein Gefühl des Wohlbehagens und erhöhter Kraft erzeugt, daß er die Stimmung hebt, Frohsinn hervorruft, die düsteren Seiten des Lebens aus dem Bewußtsein verdrängt und dadurch auch die Sorgen verscheucht — er ist ja der Sorgenbrecher <foreign xml:lang="fr"><hi rendition="#g">par excellence</hi></foreign> —, daß er die sogenannte Gemütlichkeit und die Geselligkeit fördert, und dadurch die Menschen einander näher bringt. Man hat auch behauptet, daß er die Fantasie des Dichters und des bildenden Künstlers anregt und dadurch deren Produktivität in günstiger Weise beeinflußt. Es ist nun keineswegs zu leugnen, daß diese Behauptungen wenigstens zum großen Teile der Wahrheit entsprechen. Aber unsere Schätzung der Vorteile und Annehmlichkeiten des Alkoholgenusses muß eine wesentliche <note xml:id="ID_02" prev="ID_01" place="foot" n="*)"> sich bei uns höheren Orts gegen einen Hygieneunterricht an den Gymnasien nicht mehr so ablehnend verhalten soll, nachdem ein Hygieniker an die Spitze der bayrischen Sanitätsverwaltung getreten ist.</note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0011]
Wir ersehen aus dem Angeführten, daß die Trinksitten unserer akademischen Jugend keine Wurzel im modernen Leben und keinen Zusammenhang mit diesem haben. Sie bilden einen Ueberrest aus einer Periode der Sittenverwilderung und Unkultur, einen Ueberrest, der nicht wie so manches andere Altherkömmliche der Pflege würdig ist, sondern endlich aufgegeben werden sollte angesichts des Umstandes, daß dem Studierenden heutzutage, namentlich in den größeren Universitätsstädten, höhere, der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlichere Genüsse zu Gebote stehen als die alkoholischen.
M. D. u. H. Die kurze mir zur Verfügung stehende Zeit, gestattet mir selbstverständlich nicht, die verschiedenen Seiten der so wichtigen Alkoholfrage auch nur flüchtig zu berühren. Ich muß mich darauf beschränken, auf einige für Sie besonders wichtige Punkte hinzuweisen. Wenn wir die Wirkungen des Alkohols in Betracht ziehen, so stoßen wir auf zwei Reihen von Tatsachen, die wenn auch scheinbar entgegengesetzter Natur, doch innig zusammenhängen. Man könnte, um ein Bild zu gebrauchen, sagen, diese Tatsachen sind auf zwei Seiten eines und desselben Blattes verzeichnet. Auf der einen Seite finden wir Alles Schöne und Gute, das man dem Alkohol zuschreibt, auf der anderen Seite alle Mißstände und Übel, alles Elend, das auf den Alkohol sich zurückführen läßt. Betrachten wir uns zunächst das Schöne und Gute, die Annehmlichkeiten und Vorteile, die der Alkoholgenuß bringen soll. Diese sind es ja auch, welche die ungeheuere Verbreitung des Alkoholgenusses von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart bewirkt haben. Man rühmt dem Alkohol nach, daß er die geistige Tätigkeit anregt, den Geist sozusagen flüssiger macht, daß er ein Gefühl des Wohlbehagens und erhöhter Kraft erzeugt, daß er die Stimmung hebt, Frohsinn hervorruft, die düsteren Seiten des Lebens aus dem Bewußtsein verdrängt und dadurch auch die Sorgen verscheucht — er ist ja der Sorgenbrecher par excellence —, daß er die sogenannte Gemütlichkeit und die Geselligkeit fördert, und dadurch die Menschen einander näher bringt. Man hat auch behauptet, daß er die Fantasie des Dichters und des bildenden Künstlers anregt und dadurch deren Produktivität in günstiger Weise beeinflußt. Es ist nun keineswegs zu leugnen, daß diese Behauptungen wenigstens zum großen Teile der Wahrheit entsprechen. Aber unsere Schätzung der Vorteile und Annehmlichkeiten des Alkoholgenusses muß eine wesentliche *)
*) sich bei uns höheren Orts gegen einen Hygieneunterricht an den Gymnasien nicht mehr so ablehnend verhalten soll, nachdem ein Hygieniker an die Spitze der bayrischen Sanitätsverwaltung getreten ist.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von gutenberg.org.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-18T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |