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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
schenopfer der Wilden erregen Entsetzen auch bei Jenen, die doch
ohne Anstand Tausende von ihren Brüdern, bloßer Meinungen
wegen, dem Scheiterhaufen übergeben oder ihre Blicke an den
Leiden eines Verurtheilten laben, oder ein mit Leichen besäetes
Schlachtfeld mit Vergnügen sehen und sich dieses Vergnügens
noch als einer Tugend rühmen können.

Die Gewohnheit scheint einer der mächtigsten Hebel der mensch-
lichen Gesellschaft zu seyn. Es würde gewiß sehr schlecht um
uns stehen, wenn wir alles nur aus Ueberzeugung thun sollten
und wenn wir zu nichts frühe schon gewöhnt worden wären. Gar
Vieles und vielleicht das Beste in jedem Menschen ist nur durch
Gewohnheit von Jugend auf in ihm entstanden. Wenn unsere
Erzieher, die der jungen sowohl, als die der alten Kinder, diese
Wahrheit ganz einsehen und sie in das praktische Leben einführen
wollten, so würde unsere moralische Welt eine ganz andere Ge-
stalt annehmen. Aber sie vergessen Beide, so oft sie auch das Ge-
gentheil davon im Munde führen, daß ihre Zöglinge ebensowohl
Geist als Körper sind, und daß man diese beiden Dinge nicht so
leicht trennen kann, als sie meinen. Das, was in unserem Geiste
die sogenannte Ueberzeugung hervorbringt, ist nicht immer der ei-
gentliche Beweis. Wie wenig Sachen gibt es, die wir wirklich
als bewiesen annehmen können! Die meisten Menschen sehen,
was sie auch am besten zu sehen glauben, nur wie durch einen
Nebel. Eure Beweise wirken nur auf den Geist, aber Gewohn-
heit
reißt Geist und Körper mit sich fort, und zu ihr muß man
im praktischen Leben, wo uns die Beweise so oft verlassen, wieder
zurückkehren. Wer diese Beweise immer gegenwärtig haben will,
wird sich viele unnütze Geschäfte machen und nie zu Ende kom-
men. Gewohnheit geht sicherer und schneller zugleich. Die beste
Erziehung und die beste Regierung ist die, welche die Kinder und
die Leute gewöhnt hat, gut zu seyn. Grundsätze verlassen uns
in der Stunde der Gefahr, aber Gewohnheit ist eine zweite Na-
tur, die uns nie verlassen kann. Rechtthun aus Grundsatz mag
verdienstlicher fern, aber Rechtthun aus Gewohnheit ist sicherer,
wenigstens für so schwache Geschöpfe, die sich selbst die Engel nicht
anders denken können, als Wesen, die bloß aus der Ursache gut
sind, weil sie, etwa wieder aus Gewohnheit, gut seyn müssen.


Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
ſchenopfer der Wilden erregen Entſetzen auch bei Jenen, die doch
ohne Anſtand Tauſende von ihren Brüdern, bloßer Meinungen
wegen, dem Scheiterhaufen übergeben oder ihre Blicke an den
Leiden eines Verurtheilten laben, oder ein mit Leichen beſäetes
Schlachtfeld mit Vergnügen ſehen und ſich dieſes Vergnügens
noch als einer Tugend rühmen können.

Die Gewohnheit ſcheint einer der mächtigſten Hebel der menſch-
lichen Geſellſchaft zu ſeyn. Es würde gewiß ſehr ſchlecht um
uns ſtehen, wenn wir alles nur aus Ueberzeugung thun ſollten
und wenn wir zu nichts frühe ſchon gewöhnt worden wären. Gar
Vieles und vielleicht das Beſte in jedem Menſchen iſt nur durch
Gewohnheit von Jugend auf in ihm entſtanden. Wenn unſere
Erzieher, die der jungen ſowohl, als die der alten Kinder, dieſe
Wahrheit ganz einſehen und ſie in das praktiſche Leben einführen
wollten, ſo würde unſere moraliſche Welt eine ganz andere Ge-
ſtalt annehmen. Aber ſie vergeſſen Beide, ſo oft ſie auch das Ge-
gentheil davon im Munde führen, daß ihre Zöglinge ebenſowohl
Geiſt als Körper ſind, und daß man dieſe beiden Dinge nicht ſo
leicht trennen kann, als ſie meinen. Das, was in unſerem Geiſte
die ſogenannte Ueberzeugung hervorbringt, iſt nicht immer der ei-
gentliche Beweis. Wie wenig Sachen gibt es, die wir wirklich
als bewieſen annehmen können! Die meiſten Menſchen ſehen,
was ſie auch am beſten zu ſehen glauben, nur wie durch einen
Nebel. Eure Beweiſe wirken nur auf den Geiſt, aber Gewohn-
heit
reißt Geiſt und Körper mit ſich fort, und zu ihr muß man
im praktiſchen Leben, wo uns die Beweiſe ſo oft verlaſſen, wieder
zurückkehren. Wer dieſe Beweiſe immer gegenwärtig haben will,
wird ſich viele unnütze Geſchäfte machen und nie zu Ende kom-
men. Gewohnheit geht ſicherer und ſchneller zugleich. Die beſte
Erziehung und die beſte Regierung iſt die, welche die Kinder und
die Leute gewöhnt hat, gut zu ſeyn. Grundſätze verlaſſen uns
in der Stunde der Gefahr, aber Gewohnheit iſt eine zweite Na-
tur, die uns nie verlaſſen kann. Rechtthun aus Grundſatz mag
verdienſtlicher fern, aber Rechtthun aus Gewohnheit iſt ſicherer,
wenigſtens für ſo ſchwache Geſchöpfe, die ſich ſelbſt die Engel nicht
anders denken können, als Weſen, die bloß aus der Urſache gut
ſind, weil ſie, etwa wieder aus Gewohnheit, gut ſeyn müſſen.


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[416/0428] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. ſchenopfer der Wilden erregen Entſetzen auch bei Jenen, die doch ohne Anſtand Tauſende von ihren Brüdern, bloßer Meinungen wegen, dem Scheiterhaufen übergeben oder ihre Blicke an den Leiden eines Verurtheilten laben, oder ein mit Leichen beſäetes Schlachtfeld mit Vergnügen ſehen und ſich dieſes Vergnügens noch als einer Tugend rühmen können. Die Gewohnheit ſcheint einer der mächtigſten Hebel der menſch- lichen Geſellſchaft zu ſeyn. Es würde gewiß ſehr ſchlecht um uns ſtehen, wenn wir alles nur aus Ueberzeugung thun ſollten und wenn wir zu nichts frühe ſchon gewöhnt worden wären. Gar Vieles und vielleicht das Beſte in jedem Menſchen iſt nur durch Gewohnheit von Jugend auf in ihm entſtanden. Wenn unſere Erzieher, die der jungen ſowohl, als die der alten Kinder, dieſe Wahrheit ganz einſehen und ſie in das praktiſche Leben einführen wollten, ſo würde unſere moraliſche Welt eine ganz andere Ge- ſtalt annehmen. Aber ſie vergeſſen Beide, ſo oft ſie auch das Ge- gentheil davon im Munde führen, daß ihre Zöglinge ebenſowohl Geiſt als Körper ſind, und daß man dieſe beiden Dinge nicht ſo leicht trennen kann, als ſie meinen. Das, was in unſerem Geiſte die ſogenannte Ueberzeugung hervorbringt, iſt nicht immer der ei- gentliche Beweis. Wie wenig Sachen gibt es, die wir wirklich als bewieſen annehmen können! Die meiſten Menſchen ſehen, was ſie auch am beſten zu ſehen glauben, nur wie durch einen Nebel. Eure Beweiſe wirken nur auf den Geiſt, aber Gewohn- heit reißt Geiſt und Körper mit ſich fort, und zu ihr muß man im praktiſchen Leben, wo uns die Beweiſe ſo oft verlaſſen, wieder zurückkehren. Wer dieſe Beweiſe immer gegenwärtig haben will, wird ſich viele unnütze Geſchäfte machen und nie zu Ende kom- men. Gewohnheit geht ſicherer und ſchneller zugleich. Die beſte Erziehung und die beſte Regierung iſt die, welche die Kinder und die Leute gewöhnt hat, gut zu ſeyn. Grundſätze verlaſſen uns in der Stunde der Gefahr, aber Gewohnheit iſt eine zweite Na- tur, die uns nie verlaſſen kann. Rechtthun aus Grundſatz mag verdienſtlicher fern, aber Rechtthun aus Gewohnheit iſt ſicherer, wenigſtens für ſo ſchwache Geſchöpfe, die ſich ſelbſt die Engel nicht anders denken können, als Weſen, die bloß aus der Urſache gut ſind, weil ſie, etwa wieder aus Gewohnheit, gut ſeyn müſſen.

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/428>, abgerufen am 18.12.2024.