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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
uns bisher davon bekannt geworden ist, unseren großen Zeitge-
nossen Laplace und Gauß verdanken.

Es würde dem vorgesetzten Zwecke dieser Schrift nicht ange-
messen seyn, die von den beiden letztgenannten Männern zu dieser
Absicht gegebenen Methoden hier umständlich mitzutheil n, da dieß
ohne den Gebrauch vieler analytischer Formeln nicht ausführbar
wäre. Wir müssen uns daher bloß darauf beschränken, die Wich-
tigkeit, den Nutzen und die Anwendbarkeit dieser neuen, höchst
interessanten Rechnung, wenigstens in ihren allgemeinsten Zügen
darzustellen und unsere Leser auf den großen Einfluß aufmerksam
zu machen, welchen die hier in Rede stehenden Methoden, wenn
sie dermaleinst weiter ausgebildet und gehörig angewendet seyn
werden, auf die Tiefe sowohl, als auch auf die Verbreitung der
gesammten menschlichen Erkenntniß äußern werden.

§. 63. (Der Begriff des Zufalls ist in unserer Unkenntniß der
Dinge gegründet.) In der That, beinahe alle die wichtigen Fra-
gen, die unsere geselligen Verhältnisse, die unser bürgerliches und
wissenschaftliches Leben, die uns, unsere Besorgnisse und unsere
Hoffnungen selbst für die fernste Zukunft betreffen, sie las-
sen sich alle auf dieses große Problem der Wahrscheinlichkeit zu-
rückführen. Was sind unsere menschlichen Erkenntnisse anders,
als bloße Wahrscheinlichkeiten? -- Selbst in den mathematischen
Wissenschaften, wo wir uns so gern der erkannten reinen Wahrheit
rübmen möchten, sind doch die vorzüglichsten Mittel, uns ihr zu
nähern, Analogie und Induction, die sich beide wieder auf
Wahrscheinlichkeit gründen. -- Vor allem aber stellen sich uns die
Erscheinungen der Natur, die gesammten Phänomene der phy-
sischen sowohl, als auch selbst der geistigen Welt, nur unter dem
Bilde von Wahrscheinlichkeiten dar, von welchen wir die
Sache selbst, die Wahrheit, welche ihnen zu Grunde liegt, nur
selten oder bloß zufällig erfassen können.

Auch schreiben wir bei weitem die meisten dieser Erscheinun-
gen, da wir ihre Ursache und ihren Zusammenhang nicht kennen,
dem Zufalle zu, obschon sie, selbst die geringfügigsten unter ihnen,
ohne Zweifel eben so nothwendige Folgen derselben ewigen Gesetze
der Natur sind, als es die Bewegungen der Sonne und aller
Körper des Himmels nur immer seyn können. Auf diese Weise

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
uns bisher davon bekannt geworden iſt, unſeren großen Zeitge-
noſſen Laplace und Gauß verdanken.

Es würde dem vorgeſetzten Zwecke dieſer Schrift nicht ange-
meſſen ſeyn, die von den beiden letztgenannten Männern zu dieſer
Abſicht gegebenen Methoden hier umſtändlich mitzutheil n, da dieß
ohne den Gebrauch vieler analytiſcher Formeln nicht ausführbar
wäre. Wir müſſen uns daher bloß darauf beſchränken, die Wich-
tigkeit, den Nutzen und die Anwendbarkeit dieſer neuen, höchſt
intereſſanten Rechnung, wenigſtens in ihren allgemeinſten Zügen
darzuſtellen und unſere Leſer auf den großen Einfluß aufmerkſam
zu machen, welchen die hier in Rede ſtehenden Methoden, wenn
ſie dermaleinſt weiter ausgebildet und gehörig angewendet ſeyn
werden, auf die Tiefe ſowohl, als auch auf die Verbreitung der
geſammten menſchlichen Erkenntniß äußern werden.

§. 63. (Der Begriff des Zufalls iſt in unſerer Unkenntniß der
Dinge gegründet.) In der That, beinahe alle die wichtigen Fra-
gen, die unſere geſelligen Verhältniſſe, die unſer bürgerliches und
wiſſenſchaftliches Leben, die uns, unſere Beſorgniſſe und unſere
Hoffnungen ſelbſt für die fernſte Zukunft betreffen, ſie laſ-
ſen ſich alle auf dieſes große Problem der Wahrſcheinlichkeit zu-
rückführen. Was ſind unſere menſchlichen Erkenntniſſe anders,
als bloße Wahrſcheinlichkeiten? — Selbſt in den mathematiſchen
Wiſſenſchaften, wo wir uns ſo gern der erkannten reinen Wahrheit
rübmen möchten, ſind doch die vorzüglichſten Mittel, uns ihr zu
nähern, Analogie und Induction, die ſich beide wieder auf
Wahrſcheinlichkeit gründen. — Vor allem aber ſtellen ſich uns die
Erſcheinungen der Natur, die geſammten Phänomene der phy-
ſiſchen ſowohl, als auch ſelbſt der geiſtigen Welt, nur unter dem
Bilde von Wahrſcheinlichkeiten dar, von welchen wir die
Sache ſelbſt, die Wahrheit, welche ihnen zu Grunde liegt, nur
ſelten oder bloß zufällig erfaſſen können.

Auch ſchreiben wir bei weitem die meiſten dieſer Erſcheinun-
gen, da wir ihre Urſache und ihren Zuſammenhang nicht kennen,
dem Zufalle zu, obſchon ſie, ſelbſt die geringfügigſten unter ihnen,
ohne Zweifel eben ſo nothwendige Folgen derſelben ewigen Geſetze
der Natur ſind, als es die Bewegungen der Sonne und aller
Körper des Himmels nur immer ſeyn können. Auf dieſe Weiſe

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[409/0421] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. uns bisher davon bekannt geworden iſt, unſeren großen Zeitge- noſſen Laplace und Gauß verdanken. Es würde dem vorgeſetzten Zwecke dieſer Schrift nicht ange- meſſen ſeyn, die von den beiden letztgenannten Männern zu dieſer Abſicht gegebenen Methoden hier umſtändlich mitzutheil n, da dieß ohne den Gebrauch vieler analytiſcher Formeln nicht ausführbar wäre. Wir müſſen uns daher bloß darauf beſchränken, die Wich- tigkeit, den Nutzen und die Anwendbarkeit dieſer neuen, höchſt intereſſanten Rechnung, wenigſtens in ihren allgemeinſten Zügen darzuſtellen und unſere Leſer auf den großen Einfluß aufmerkſam zu machen, welchen die hier in Rede ſtehenden Methoden, wenn ſie dermaleinſt weiter ausgebildet und gehörig angewendet ſeyn werden, auf die Tiefe ſowohl, als auch auf die Verbreitung der geſammten menſchlichen Erkenntniß äußern werden. §. 63. (Der Begriff des Zufalls iſt in unſerer Unkenntniß der Dinge gegründet.) In der That, beinahe alle die wichtigen Fra- gen, die unſere geſelligen Verhältniſſe, die unſer bürgerliches und wiſſenſchaftliches Leben, die uns, unſere Beſorgniſſe und unſere Hoffnungen ſelbſt für die fernſte Zukunft betreffen, ſie laſ- ſen ſich alle auf dieſes große Problem der Wahrſcheinlichkeit zu- rückführen. Was ſind unſere menſchlichen Erkenntniſſe anders, als bloße Wahrſcheinlichkeiten? — Selbſt in den mathematiſchen Wiſſenſchaften, wo wir uns ſo gern der erkannten reinen Wahrheit rübmen möchten, ſind doch die vorzüglichſten Mittel, uns ihr zu nähern, Analogie und Induction, die ſich beide wieder auf Wahrſcheinlichkeit gründen. — Vor allem aber ſtellen ſich uns die Erſcheinungen der Natur, die geſammten Phänomene der phy- ſiſchen ſowohl, als auch ſelbſt der geiſtigen Welt, nur unter dem Bilde von Wahrſcheinlichkeiten dar, von welchen wir die Sache ſelbſt, die Wahrheit, welche ihnen zu Grunde liegt, nur ſelten oder bloß zufällig erfaſſen können. Auch ſchreiben wir bei weitem die meiſten dieſer Erſcheinun- gen, da wir ihre Urſache und ihren Zuſammenhang nicht kennen, dem Zufalle zu, obſchon ſie, ſelbſt die geringfügigſten unter ihnen, ohne Zweifel eben ſo nothwendige Folgen derſelben ewigen Geſetze der Natur ſind, als es die Bewegungen der Sonne und aller Körper des Himmels nur immer ſeyn können. Auf dieſe Weiſe

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/421>, abgerufen am 18.12.2024.