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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
nehmen und der ohne Zweifel in der Folge der Zeiten noch viel
weiter erhöht werden wird, so lange das Menschengeschlecht für
das Größte und Erhabenste, das es zum Gegenstande seiner Be-
trachtung wählen kann, Sinn und Empfänglichkeit behält. Un-
sern alten Vorgängern in Griechenland mag es schwer genug ge-
worden seyn, die Kreise zu erkennen, in welchen sich die Planeten
unseres Sonnensystems bewegen. Zweitausend volle Jahre ver-
flossen seit jener Entdeckung, bis ein hochbegabter Mann aus den
Beobachtungen Tycho's, die alle diejenigen seiner Vorgänger an Ge-
nauigkeit übertrafen, den Schluß zog, daß diese Bahnen der Planeten
keine Kreise, sondern Ellipsen sind, in deren einem Brennpunkte
die Sonne ruht. Und erst in der Mitte des letztvergangenen
Jahrhunderts, wo die astronomischen Instrumente besonders durch
englische Künstler eine neue Verbesserung erhielten, konnte man
durch Beobachtungen zeigen, daß auch diese Ellipsen nur eine An-
näherung zur Wahrheit sind, und daß die eigentlichen Bahnen
der Planeten sehr zusammengesetzte krumme Linien von doppelter
Krümmung sind, deren Gestalt und Lage immerwährenden Aen-
derungen unterworfen ist, Aenderungen, von welchen uns die von
Newton begründete und von seinen Nachfolgern weiter ausgebil-
dete Theorie die vollständigste Rechenschaft gibt. -- Ebenso hat
man vielleicht sehr bald bemerkt, daß alle Fixsterne ihren täglichen
Weg um die Erde in Kreisen zurücklegen, und wir haben ge-
sehen, welche Mühe es unsern Vorgängern kostete, sich von die-
ser Täuschung zu befreien und diese Erscheinung durch die täg-
liche Umdrehung der Erde um ihre Axe zu erklären. Erst spät
erkannte man mit Hülfe neuer, besserer Instrumente, daß diese
sogenannten Kreise der Fixsterne auch eine Art von elliptischer
Gestalt hatten, und dadurch wurde man auf die Entdeckung der Re-
fraction (I. S. 341) geführt, ohne deren Kenntniß jede weitere
Ausbildung der Astronomie so gut als unmöglich gewesen wäre.
Nun glaubte man, die krummen Linien, welche die Gestirne in
ihrem täglichen scheinbaren Laufe um die Erde beschreiben, voll-
kommen bestimmt zu haben und jeden Punkt derselben mit der
größten Schärfe angeben zu können. Allein als Bradley in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Besitz des besten Instru-
mentes seiner Zeit gelangte, entdeckte dieser vortreffliche Beob-

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
nehmen und der ohne Zweifel in der Folge der Zeiten noch viel
weiter erhöht werden wird, ſo lange das Menſchengeſchlecht für
das Größte und Erhabenſte, das es zum Gegenſtande ſeiner Be-
trachtung wählen kann, Sinn und Empfänglichkeit behält. Un-
ſern alten Vorgängern in Griechenland mag es ſchwer genug ge-
worden ſeyn, die Kreiſe zu erkennen, in welchen ſich die Planeten
unſeres Sonnenſyſtems bewegen. Zweitauſend volle Jahre ver-
floſſen ſeit jener Entdeckung, bis ein hochbegabter Mann aus den
Beobachtungen Tycho’s, die alle diejenigen ſeiner Vorgänger an Ge-
nauigkeit übertrafen, den Schluß zog, daß dieſe Bahnen der Planeten
keine Kreiſe, ſondern Ellipſen ſind, in deren einem Brennpunkte
die Sonne ruht. Und erſt in der Mitte des letztvergangenen
Jahrhunderts, wo die aſtronomiſchen Inſtrumente beſonders durch
engliſche Künſtler eine neue Verbeſſerung erhielten, konnte man
durch Beobachtungen zeigen, daß auch dieſe Ellipſen nur eine An-
näherung zur Wahrheit ſind, und daß die eigentlichen Bahnen
der Planeten ſehr zuſammengeſetzte krumme Linien von doppelter
Krümmung ſind, deren Geſtalt und Lage immerwährenden Aen-
derungen unterworfen iſt, Aenderungen, von welchen uns die von
Newton begründete und von ſeinen Nachfolgern weiter ausgebil-
dete Theorie die vollſtändigſte Rechenſchaft gibt. — Ebenſo hat
man vielleicht ſehr bald bemerkt, daß alle Fixſterne ihren täglichen
Weg um die Erde in Kreiſen zurücklegen, und wir haben ge-
ſehen, welche Mühe es unſern Vorgängern koſtete, ſich von die-
ſer Täuſchung zu befreien und dieſe Erſcheinung durch die täg-
liche Umdrehung der Erde um ihre Axe zu erklären. Erſt ſpät
erkannte man mit Hülfe neuer, beſſerer Inſtrumente, daß dieſe
ſogenannten Kreiſe der Fixſterne auch eine Art von elliptiſcher
Geſtalt hatten, und dadurch wurde man auf die Entdeckung der Re-
fraction (I. S. 341) geführt, ohne deren Kenntniß jede weitere
Ausbildung der Aſtronomie ſo gut als unmöglich geweſen wäre.
Nun glaubte man, die krummen Linien, welche die Geſtirne in
ihrem täglichen ſcheinbaren Laufe um die Erde beſchreiben, voll-
kommen beſtimmt zu haben und jeden Punkt derſelben mit der
größten Schärfe angeben zu können. Allein als Bradley in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Beſitz des beſten Inſtru-
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[390/0402] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. nehmen und der ohne Zweifel in der Folge der Zeiten noch viel weiter erhöht werden wird, ſo lange das Menſchengeſchlecht für das Größte und Erhabenſte, das es zum Gegenſtande ſeiner Be- trachtung wählen kann, Sinn und Empfänglichkeit behält. Un- ſern alten Vorgängern in Griechenland mag es ſchwer genug ge- worden ſeyn, die Kreiſe zu erkennen, in welchen ſich die Planeten unſeres Sonnenſyſtems bewegen. Zweitauſend volle Jahre ver- floſſen ſeit jener Entdeckung, bis ein hochbegabter Mann aus den Beobachtungen Tycho’s, die alle diejenigen ſeiner Vorgänger an Ge- nauigkeit übertrafen, den Schluß zog, daß dieſe Bahnen der Planeten keine Kreiſe, ſondern Ellipſen ſind, in deren einem Brennpunkte die Sonne ruht. Und erſt in der Mitte des letztvergangenen Jahrhunderts, wo die aſtronomiſchen Inſtrumente beſonders durch engliſche Künſtler eine neue Verbeſſerung erhielten, konnte man durch Beobachtungen zeigen, daß auch dieſe Ellipſen nur eine An- näherung zur Wahrheit ſind, und daß die eigentlichen Bahnen der Planeten ſehr zuſammengeſetzte krumme Linien von doppelter Krümmung ſind, deren Geſtalt und Lage immerwährenden Aen- derungen unterworfen iſt, Aenderungen, von welchen uns die von Newton begründete und von ſeinen Nachfolgern weiter ausgebil- dete Theorie die vollſtändigſte Rechenſchaft gibt. — Ebenſo hat man vielleicht ſehr bald bemerkt, daß alle Fixſterne ihren täglichen Weg um die Erde in Kreiſen zurücklegen, und wir haben ge- ſehen, welche Mühe es unſern Vorgängern koſtete, ſich von die- ſer Täuſchung zu befreien und dieſe Erſcheinung durch die täg- liche Umdrehung der Erde um ihre Axe zu erklären. Erſt ſpät erkannte man mit Hülfe neuer, beſſerer Inſtrumente, daß dieſe ſogenannten Kreiſe der Fixſterne auch eine Art von elliptiſcher Geſtalt hatten, und dadurch wurde man auf die Entdeckung der Re- fraction (I. S. 341) geführt, ohne deren Kenntniß jede weitere Ausbildung der Aſtronomie ſo gut als unmöglich geweſen wäre. Nun glaubte man, die krummen Linien, welche die Geſtirne in ihrem täglichen ſcheinbaren Laufe um die Erde beſchreiben, voll- kommen beſtimmt zu haben und jeden Punkt derſelben mit der größten Schärfe angeben zu können. Allein als Bradley in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Beſitz des beſten Inſtru- mentes ſeiner Zeit gelangte, entdeckte dieſer vortreffliche Beob-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/402>, abgerufen am 06.05.2024.