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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
kreis (mural circle), der auf der Sternwarte in Greenwich aufge-
stellt wurde und der in der Geschichte der beobachtenden Astronomie
Epoche machte. Dieser in dem Meridian aufgestellte Kreis steht
unmittelbar mit einem soliden Pfeiler von Mauerwerk in Ver-
bindung, welcher Pfeiler auch die Verniere oder Mikroscope trägt,
durch welche die Ablesungen an den Kreisen geschehen. Man sieht,
daß ein solcher Kreis eine viel solidere Aufstellung gewährt, als
jene reversiblen Kreise von Ramsden; dafür können sie aber auch
nicht umgewendet werden und man ist daher bei ihnen bloß auf
die Beobachtungen der Poldistanzen beschränkt, ohne auch zugleich
Zenithdistanzen zu erhalten, weil man an ihnen, durch die Beob-
achtung beider Culminationen der Circumpolarsterne, wohl den
Polpunkt, aber nicht den Zenithpunkt des Kreises bestimmen kann,
während im Gegentheile die Kreise von Ramsden sich sehr leicht
umwenden und die Verticalität ihrer Drehungsaxe sehr sicher an-
geben lassen. Im Jahre 1825 wurde ein ganz ähnlicher Kreis
von Troughton auf dieselbe Sternwarte gebracht, und das regel-
mäßige Verfahren eingeführt, daß die Sterne an dem einen Kreis
unmittelbar, und an dem andern zu gleicher Zeit in einem Queck-
silberhorizont beobachtet wurden, wodurch man daher, nebst den
Poldistanzen, auch die Zenithdistanzen der Sterne erhielt. Seit
dieser Einrichtung sollen die Beobachtungen Pond's in Greenwich
an Genauigkeit sehr gewonnen haben.

Wenn aber diese großen und kostbaren Kreise auch die Di-
stanzen der Sterne von dem Pole oder dem Zenithe mit großer
Schärfe zn geben im Stande seyn konnten, so schienen sie doch die
Rectascensionen nicht mit der gewünschten Verläßlichkeit darzustel-
len, was wohl in dem eigenen Baue, vorzüglich in der kurzen
und schwachen Drehungsaxe des Fernrohrs liegen mochte; wenig-
stens fuhren die englischen Astronomen fort, ihre Rectascensionen
an dem ihnen viel sicherer erscheinenden Mittagsrohre zu nehmen.
Erst in den neueren Zeiten hat man diesem Umstande durch eine
andere Einrichtung jener Instrumente abzuhelfen gesucht, wie die
Kreise von Wollaston und Groombridge zeigen. Diese bestehen in
zwei einander parallelen Kreisen, die durch Querstangen fest unter
einander und mit einer starken horizontalen Axe, der des Mittags-
rohrs ähnlich, verbunden sind. Das Fernrohr geht mitten durch

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
kreis (mural circle), der auf der Sternwarte in Greenwich aufge-
ſtellt wurde und der in der Geſchichte der beobachtenden Aſtronomie
Epoche machte. Dieſer in dem Meridian aufgeſtellte Kreis ſteht
unmittelbar mit einem ſoliden Pfeiler von Mauerwerk in Ver-
bindung, welcher Pfeiler auch die Verniere oder Mikroſcope trägt,
durch welche die Ableſungen an den Kreiſen geſchehen. Man ſieht,
daß ein ſolcher Kreis eine viel ſolidere Aufſtellung gewährt, als
jene reverſiblen Kreiſe von Ramsden; dafür können ſie aber auch
nicht umgewendet werden und man iſt daher bei ihnen bloß auf
die Beobachtungen der Poldiſtanzen beſchränkt, ohne auch zugleich
Zenithdiſtanzen zu erhalten, weil man an ihnen, durch die Beob-
achtung beider Culminationen der Circumpolarſterne, wohl den
Polpunkt, aber nicht den Zenithpunkt des Kreiſes beſtimmen kann,
während im Gegentheile die Kreiſe von Ramsden ſich ſehr leicht
umwenden und die Verticalität ihrer Drehungsaxe ſehr ſicher an-
geben laſſen. Im Jahre 1825 wurde ein ganz ähnlicher Kreis
von Troughton auf dieſelbe Sternwarte gebracht, und das regel-
mäßige Verfahren eingeführt, daß die Sterne an dem einen Kreis
unmittelbar, und an dem andern zu gleicher Zeit in einem Queck-
ſilberhorizont beobachtet wurden, wodurch man daher, nebſt den
Poldiſtanzen, auch die Zenithdiſtanzen der Sterne erhielt. Seit
dieſer Einrichtung ſollen die Beobachtungen Pond’s in Greenwich
an Genauigkeit ſehr gewonnen haben.

Wenn aber dieſe großen und koſtbaren Kreiſe auch die Di-
ſtanzen der Sterne von dem Pole oder dem Zenithe mit großer
Schärfe zn geben im Stande ſeyn konnten, ſo ſchienen ſie doch die
Rectaſcenſionen nicht mit der gewünſchten Verläßlichkeit darzuſtel-
len, was wohl in dem eigenen Baue, vorzüglich in der kurzen
und ſchwachen Drehungsaxe des Fernrohrs liegen mochte; wenig-
ſtens fuhren die engliſchen Aſtronomen fort, ihre Rectaſcenſionen
an dem ihnen viel ſicherer erſcheinenden Mittagsrohre zu nehmen.
Erſt in den neueren Zeiten hat man dieſem Umſtande durch eine
andere Einrichtung jener Inſtrumente abzuhelfen geſucht, wie die
Kreiſe von Wollaſton und Groombridge zeigen. Dieſe beſtehen in
zwei einander parallelen Kreiſen, die durch Querſtangen feſt unter
einander und mit einer ſtarken horizontalen Axe, der des Mittags-
rohrs ähnlich, verbunden ſind. Das Fernrohr geht mitten durch

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[333/0345] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. kreis (mural circle), der auf der Sternwarte in Greenwich aufge- ſtellt wurde und der in der Geſchichte der beobachtenden Aſtronomie Epoche machte. Dieſer in dem Meridian aufgeſtellte Kreis ſteht unmittelbar mit einem ſoliden Pfeiler von Mauerwerk in Ver- bindung, welcher Pfeiler auch die Verniere oder Mikroſcope trägt, durch welche die Ableſungen an den Kreiſen geſchehen. Man ſieht, daß ein ſolcher Kreis eine viel ſolidere Aufſtellung gewährt, als jene reverſiblen Kreiſe von Ramsden; dafür können ſie aber auch nicht umgewendet werden und man iſt daher bei ihnen bloß auf die Beobachtungen der Poldiſtanzen beſchränkt, ohne auch zugleich Zenithdiſtanzen zu erhalten, weil man an ihnen, durch die Beob- achtung beider Culminationen der Circumpolarſterne, wohl den Polpunkt, aber nicht den Zenithpunkt des Kreiſes beſtimmen kann, während im Gegentheile die Kreiſe von Ramsden ſich ſehr leicht umwenden und die Verticalität ihrer Drehungsaxe ſehr ſicher an- geben laſſen. Im Jahre 1825 wurde ein ganz ähnlicher Kreis von Troughton auf dieſelbe Sternwarte gebracht, und das regel- mäßige Verfahren eingeführt, daß die Sterne an dem einen Kreis unmittelbar, und an dem andern zu gleicher Zeit in einem Queck- ſilberhorizont beobachtet wurden, wodurch man daher, nebſt den Poldiſtanzen, auch die Zenithdiſtanzen der Sterne erhielt. Seit dieſer Einrichtung ſollen die Beobachtungen Pond’s in Greenwich an Genauigkeit ſehr gewonnen haben. Wenn aber dieſe großen und koſtbaren Kreiſe auch die Di- ſtanzen der Sterne von dem Pole oder dem Zenithe mit großer Schärfe zn geben im Stande ſeyn konnten, ſo ſchienen ſie doch die Rectaſcenſionen nicht mit der gewünſchten Verläßlichkeit darzuſtel- len, was wohl in dem eigenen Baue, vorzüglich in der kurzen und ſchwachen Drehungsaxe des Fernrohrs liegen mochte; wenig- ſtens fuhren die engliſchen Aſtronomen fort, ihre Rectaſcenſionen an dem ihnen viel ſicherer erſcheinenden Mittagsrohre zu nehmen. Erſt in den neueren Zeiten hat man dieſem Umſtande durch eine andere Einrichtung jener Inſtrumente abzuhelfen geſucht, wie die Kreiſe von Wollaſton und Groombridge zeigen. Dieſe beſtehen in zwei einander parallelen Kreiſen, die durch Querſtangen feſt unter einander und mit einer ſtarken horizontalen Axe, der des Mittags- rohrs ähnlich, verbunden ſind. Das Fernrohr geht mitten durch

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/345>, abgerufen am 13.05.2024.