Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
schon i. J. 1610 die Thäler und Berge des Mondes, die Satel-
liten Jupiters, die sonderbare Gestalt des Saturn, dessen Ring
er aber noch nicht erkennen konnte, die Sonnenflecken und ihre
Bewegungen, und die Phasen der Venus entdeckt. Die meisten
dieser eben so unerwarteten als für ihn ruhmvollen Entdeckungen
machte er in seinem Werke: Nuntius sidereus, Venedig 1610,
bekannt, wofür er von der Republik Venedig eine dreifache Er-
höhung seines Gehaltes, und von Cosmus II. in Florenz ein
Geschenk von tausend Dukaten erhielt. Nahe dreißig Jahre noch
(er starb erst 1642 im 78sten Jahre seines Alters) genoß er die
Freude, die Gränzen der Wissenschaft und unserer Kenntniß des
Himmels zu erweitern, und der Gegenstand der Achtung und
Verehrung aller Gebildeten Europas zu seyn, bis er endlich, drei
Jahre vor seinem Tode, in die Hände unwissender und schaam-
loser Verfolger fiel, unter deren unwürdiger Bedrückung er, ein
blinder Greis, den Rest seines Lebens im Kerker vertrauerte.

Allein dieser Gebrauch der neu erfundenen Fernröhre war
nicht der einzige, und selbst nicht der wichtigste, den die Astrono-
mie von diesen Werkzeugen machte. Bisher hatten sie uns nur
neue, und so lange unbekannte Gegenstände des Himmels vor die
Augen geführt, oder die Oberfläche der bisher nur im Allgemeinen
bekannten, wie die des Mondes, der Venus u. f. näher kennen
gelehrt. Aber unsere Messungen der Größen und der Lagen
der Himmelskörper blieben immer noch nahe denselben Unvoll-
kommenheiten unterworfen, über welche schon die alten Griechen
und Araber sich zu beklagen hatten. So lange wir uns mit den
Absehen begnügen mußten, wie sie bei den älteren Instrumenten
(Fig. 7, 8, 9) angebracht waren, oder auch mit einem bloßen
hohlen Rohre, an dessen einem, dem Ocular-Ende, eine kleine
Oeffnung, und an dem anderen ein Kreuzfaden war, so lange
konnte man, auch bei dem bestgetheilten Instrumente, nicht ge-
nauer beobachten oder messen, als man eben mit freien, unbe-
waffneten Augen zu sehen im Stande war. Sobald aber dieses
hohle Rohr mit zwei Glaslinsen versehen, und in ein eigent-
liches Fernrohr verwandelt war, so durfte man nur das zu
messende Gestirn in den Mittelpunkt dieses an dem Quadranten
angebrachten Fernrohrs führen, und die Beobachtung desselben

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
ſchon i. J. 1610 die Thäler und Berge des Mondes, die Satel-
liten Jupiters, die ſonderbare Geſtalt des Saturn, deſſen Ring
er aber noch nicht erkennen konnte, die Sonnenflecken und ihre
Bewegungen, und die Phaſen der Venus entdeckt. Die meiſten
dieſer eben ſo unerwarteten als für ihn ruhmvollen Entdeckungen
machte er in ſeinem Werke: Nuntius sidereus, Venedig 1610,
bekannt, wofür er von der Republik Venedig eine dreifache Er-
höhung ſeines Gehaltes, und von Cosmus II. in Florenz ein
Geſchenk von tauſend Dukaten erhielt. Nahe dreißig Jahre noch
(er ſtarb erſt 1642 im 78ſten Jahre ſeines Alters) genoß er die
Freude, die Gränzen der Wiſſenſchaft und unſerer Kenntniß des
Himmels zu erweitern, und der Gegenſtand der Achtung und
Verehrung aller Gebildeten Europas zu ſeyn, bis er endlich, drei
Jahre vor ſeinem Tode, in die Hände unwiſſender und ſchaam-
loſer Verfolger fiel, unter deren unwürdiger Bedrückung er, ein
blinder Greis, den Reſt ſeines Lebens im Kerker vertrauerte.

Allein dieſer Gebrauch der neu erfundenen Fernröhre war
nicht der einzige, und ſelbſt nicht der wichtigſte, den die Aſtrono-
mie von dieſen Werkzeugen machte. Bisher hatten ſie uns nur
neue, und ſo lange unbekannte Gegenſtände des Himmels vor die
Augen geführt, oder die Oberfläche der bisher nur im Allgemeinen
bekannten, wie die des Mondes, der Venus u. f. näher kennen
gelehrt. Aber unſere Meſſungen der Größen und der Lagen
der Himmelskörper blieben immer noch nahe denſelben Unvoll-
kommenheiten unterworfen, über welche ſchon die alten Griechen
und Araber ſich zu beklagen hatten. So lange wir uns mit den
Abſehen begnügen mußten, wie ſie bei den älteren Inſtrumenten
(Fig. 7, 8, 9) angebracht waren, oder auch mit einem bloßen
hohlen Rohre, an deſſen einem, dem Ocular-Ende, eine kleine
Oeffnung, und an dem anderen ein Kreuzfaden war, ſo lange
konnte man, auch bei dem beſtgetheilten Inſtrumente, nicht ge-
nauer beobachten oder meſſen, als man eben mit freien, unbe-
waffneten Augen zu ſehen im Stande war. Sobald aber dieſes
hohle Rohr mit zwei Glaslinſen verſehen, und in ein eigent-
liches Fernrohr verwandelt war, ſo durfte man nur das zu
meſſende Geſtirn in den Mittelpunkt dieſes an dem Quadranten
angebrachten Fernrohrs führen, und die Beobachtung deſſelben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0286" n="274"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung und Gebrauch der a&#x017F;tronom. In&#x017F;trumente.</fw><lb/>
&#x017F;chon i. J. 1610 die Thäler und Berge des Mondes, die Satel-<lb/>
liten Jupiters, die &#x017F;onderbare Ge&#x017F;talt des Saturn, de&#x017F;&#x017F;en Ring<lb/>
er aber noch nicht erkennen konnte, die Sonnenflecken und ihre<lb/>
Bewegungen, und die Pha&#x017F;en der Venus entdeckt. Die mei&#x017F;ten<lb/>
die&#x017F;er eben &#x017F;o unerwarteten als für ihn ruhmvollen Entdeckungen<lb/>
machte er in &#x017F;einem Werke: <hi rendition="#aq">Nuntius sidereus,</hi> Venedig 1610,<lb/>
bekannt, wofür er von der Republik Venedig eine dreifache Er-<lb/>
höhung &#x017F;eines Gehaltes, und von Cosmus <hi rendition="#aq">II.</hi> in Florenz ein<lb/>
Ge&#x017F;chenk von tau&#x017F;end Dukaten erhielt. Nahe dreißig Jahre noch<lb/>
(er &#x017F;tarb er&#x017F;t 1642 im 78&#x017F;ten Jahre &#x017F;eines Alters) genoß er die<lb/>
Freude, die Gränzen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und un&#x017F;erer Kenntniß des<lb/>
Himmels zu erweitern, und der Gegen&#x017F;tand der Achtung und<lb/>
Verehrung aller Gebildeten Europas zu &#x017F;eyn, bis er endlich, drei<lb/>
Jahre vor &#x017F;einem Tode, in die Hände unwi&#x017F;&#x017F;ender und &#x017F;chaam-<lb/>
lo&#x017F;er Verfolger fiel, unter deren unwürdiger Bedrückung er, ein<lb/>
blinder Greis, den Re&#x017F;t &#x017F;eines Lebens im Kerker vertrauerte.</p><lb/>
            <p>Allein die&#x017F;er Gebrauch der neu erfundenen Fernröhre war<lb/>
nicht der einzige, und &#x017F;elb&#x017F;t nicht der wichtig&#x017F;te, den die A&#x017F;trono-<lb/>
mie von die&#x017F;en Werkzeugen machte. Bisher hatten &#x017F;ie uns nur<lb/>
neue, und &#x017F;o lange unbekannte Gegen&#x017F;tände des Himmels vor die<lb/>
Augen geführt, oder die Oberfläche der bisher nur im Allgemeinen<lb/>
bekannten, wie die des Mondes, der Venus u. f. näher kennen<lb/>
gelehrt. Aber un&#x017F;ere <hi rendition="#g">Me&#x017F;&#x017F;ungen</hi> der Größen und der Lagen<lb/>
der Himmelskörper blieben immer noch nahe den&#x017F;elben Unvoll-<lb/>
kommenheiten unterworfen, über welche &#x017F;chon die alten Griechen<lb/>
und Araber &#x017F;ich zu beklagen hatten. So lange wir uns mit den<lb/><hi rendition="#g">Ab&#x017F;ehen</hi> begnügen mußten, wie &#x017F;ie bei den älteren In&#x017F;trumenten<lb/>
(Fig. 7, 8, 9) angebracht waren, oder auch mit einem bloßen<lb/>
hohlen Rohre, an de&#x017F;&#x017F;en einem, dem Ocular-Ende, eine kleine<lb/>
Oeffnung, und an dem anderen ein Kreuzfaden war, &#x017F;o lange<lb/>
konnte man, auch bei dem be&#x017F;tgetheilten In&#x017F;trumente, nicht ge-<lb/>
nauer <hi rendition="#g">beobachten</hi> oder me&#x017F;&#x017F;en, als man eben mit freien, unbe-<lb/>
waffneten Augen zu <hi rendition="#g">&#x017F;ehen</hi> im Stande war. Sobald aber die&#x017F;es<lb/><hi rendition="#g">hohle Rohr</hi> mit zwei Glaslin&#x017F;en ver&#x017F;ehen, und in ein eigent-<lb/>
liches <hi rendition="#g">Fernrohr</hi> verwandelt war, &#x017F;o durfte man nur das zu<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ende Ge&#x017F;tirn in den Mittelpunkt die&#x017F;es an dem Quadranten<lb/>
angebrachten Fernrohrs führen, und die Beobachtung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0286] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. ſchon i. J. 1610 die Thäler und Berge des Mondes, die Satel- liten Jupiters, die ſonderbare Geſtalt des Saturn, deſſen Ring er aber noch nicht erkennen konnte, die Sonnenflecken und ihre Bewegungen, und die Phaſen der Venus entdeckt. Die meiſten dieſer eben ſo unerwarteten als für ihn ruhmvollen Entdeckungen machte er in ſeinem Werke: Nuntius sidereus, Venedig 1610, bekannt, wofür er von der Republik Venedig eine dreifache Er- höhung ſeines Gehaltes, und von Cosmus II. in Florenz ein Geſchenk von tauſend Dukaten erhielt. Nahe dreißig Jahre noch (er ſtarb erſt 1642 im 78ſten Jahre ſeines Alters) genoß er die Freude, die Gränzen der Wiſſenſchaft und unſerer Kenntniß des Himmels zu erweitern, und der Gegenſtand der Achtung und Verehrung aller Gebildeten Europas zu ſeyn, bis er endlich, drei Jahre vor ſeinem Tode, in die Hände unwiſſender und ſchaam- loſer Verfolger fiel, unter deren unwürdiger Bedrückung er, ein blinder Greis, den Reſt ſeines Lebens im Kerker vertrauerte. Allein dieſer Gebrauch der neu erfundenen Fernröhre war nicht der einzige, und ſelbſt nicht der wichtigſte, den die Aſtrono- mie von dieſen Werkzeugen machte. Bisher hatten ſie uns nur neue, und ſo lange unbekannte Gegenſtände des Himmels vor die Augen geführt, oder die Oberfläche der bisher nur im Allgemeinen bekannten, wie die des Mondes, der Venus u. f. näher kennen gelehrt. Aber unſere Meſſungen der Größen und der Lagen der Himmelskörper blieben immer noch nahe denſelben Unvoll- kommenheiten unterworfen, über welche ſchon die alten Griechen und Araber ſich zu beklagen hatten. So lange wir uns mit den Abſehen begnügen mußten, wie ſie bei den älteren Inſtrumenten (Fig. 7, 8, 9) angebracht waren, oder auch mit einem bloßen hohlen Rohre, an deſſen einem, dem Ocular-Ende, eine kleine Oeffnung, und an dem anderen ein Kreuzfaden war, ſo lange konnte man, auch bei dem beſtgetheilten Inſtrumente, nicht ge- nauer beobachten oder meſſen, als man eben mit freien, unbe- waffneten Augen zu ſehen im Stande war. Sobald aber dieſes hohle Rohr mit zwei Glaslinſen verſehen, und in ein eigent- liches Fernrohr verwandelt war, ſo durfte man nur das zu meſſende Geſtirn in den Mittelpunkt dieſes an dem Quadranten angebrachten Fernrohrs führen, und die Beobachtung deſſelben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/286
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/286>, abgerufen am 10.05.2024.