Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
In den letzten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung haben sich besonders die Italiener bemüht Gnomone von bedeutender Größe zu errichten. Sie bedienten sich dazu ihrer hohen Kirchen, deren Wände sie an ihren höchsten Theilen durchbohrten, wo sie dann durch diese Oeffnung das Bild der Sonne auf den gegenüberlie- genden Fußboden der Kirche fallen ließen. Einen solchen Gno- mon errichtete Paul Toscanelli im Jahre 1467 in der berühmten Kuppel der Kathedrale zu Florenz. Die erwähnte Oeffnung war in der Höhe von 277 Fuß über dem Fußboden der Kirche ange- bracht. Dieß ist der größte aller bisher bekannten Gnomone. Einen anderen von 51 Fuß errichtete Gassendi i. J. 1636 in der Kirche des Oratoriums zu Marseille; Ignatio Danti einen andern von 67 Fuß in der Kirche des heil. Petronius zu Bologna, der später von Cassini wiederhergestellt wurde; Bianchini erbaute in der Karthäuserkirche zu Rom (den ehemaligen Bädern des Diocletians) zwei sehr schöne Gnomone von 62 und 75 Fuß; Sully und le Monnier errichteten einen Gnomon von 80 Fuß in der Kirche des heil. Sulpitius zu Paris, an welchem der letzte viele Jahre durch die Solstitialhöhe der Sonne beobachtete, und auf einer gegenüberstehenden Marmorplatte eingrub. Einer der Letzten endlich wurde von den Astronomen Cesaris und Reggio in der Kathedrale zu Mailand i. J. 1786 errichtet. Auf den ältern Sternwarten findet man sie noch oft genug, aber in den neueren Zeiten hat man sie größtentheils verlassen und mit Recht, da sie lange nicht die Genauigkeit gewähren, welche man mit unsern andern Instrumenten erreichen kann. Die Ursache davon liegt größtentheils in der Unsicherheit der Messung der wahren Schat- tenlänge, und in der Veränderlichkeit der Lage hoher Gebäude. Wir haben schon, in der vorhergehenden Note, Gelegenheit ge- habt, von der Leichtigkeit zu sprechen, mit welcher auch die stärk- sten Mauern jedem Drucke nachgeben. Aber die Wirkung der Sonne, wenn sie diese Mauern bescheint, und die Folgen des Frostes und des Wiederaufthauens dieser Mauern sowohl, als auch des Bodens, auf dem sie stehen, ist noch viel bedeutender. Schon Bouguer hat darüber eigene Beobachtungen angestellt. Er hatte in der durchbrochenen Wand des Doms der Invaliden zu Paris ein Fernrohr eingemauert, um ihm zu besonderen Un-
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
In den letzten Jahrhunderten unſerer Zeitrechnung haben ſich beſonders die Italiener bemüht Gnomone von bedeutender Größe zu errichten. Sie bedienten ſich dazu ihrer hohen Kirchen, deren Wände ſie an ihren höchſten Theilen durchbohrten, wo ſie dann durch dieſe Oeffnung das Bild der Sonne auf den gegenüberlie- genden Fußboden der Kirche fallen ließen. Einen ſolchen Gno- mon errichtete Paul Toſcanelli im Jahre 1467 in der berühmten Kuppel der Kathedrale zu Florenz. Die erwähnte Oeffnung war in der Höhe von 277 Fuß über dem Fußboden der Kirche ange- bracht. Dieß iſt der größte aller bisher bekannten Gnomone. Einen anderen von 51 Fuß errichtete Gaſſendi i. J. 1636 in der Kirche des Oratoriums zu Marſeille; Ignatio Danti einen andern von 67 Fuß in der Kirche des heil. Petronius zu Bologna, der ſpäter von Caſſini wiederhergeſtellt wurde; Bianchini erbaute in der Karthäuſerkirche zu Rom (den ehemaligen Bädern des Diocletians) zwei ſehr ſchöne Gnomone von 62 und 75 Fuß; Sully und le Monnier errichteten einen Gnomon von 80 Fuß in der Kirche des heil. Sulpitius zu Paris, an welchem der letzte viele Jahre durch die Solſtitialhöhe der Sonne beobachtete, und auf einer gegenüberſtehenden Marmorplatte eingrub. Einer der Letzten endlich wurde von den Aſtronomen Ceſaris und Reggio in der Kathedrale zu Mailand i. J. 1786 errichtet. Auf den ältern Sternwarten findet man ſie noch oft genug, aber in den neueren Zeiten hat man ſie größtentheils verlaſſen und mit Recht, da ſie lange nicht die Genauigkeit gewähren, welche man mit unſern andern Inſtrumenten erreichen kann. Die Urſache davon liegt größtentheils in der Unſicherheit der Meſſung der wahren Schat- tenlänge, und in der Veränderlichkeit der Lage hoher Gebäude. Wir haben ſchon, in der vorhergehenden Note, Gelegenheit ge- habt, von der Leichtigkeit zu ſprechen, mit welcher auch die ſtärk- ſten Mauern jedem Drucke nachgeben. Aber die Wirkung der Sonne, wenn ſie dieſe Mauern beſcheint, und die Folgen des Froſtes und des Wiederaufthauens dieſer Mauern ſowohl, als auch des Bodens, auf dem ſie ſtehen, iſt noch viel bedeutender. Schon Bouguer hat darüber eigene Beobachtungen angeſtellt. Er hatte in der durchbrochenen Wand des Doms der Invaliden zu Paris ein Fernrohr eingemauert, um ihm zu beſonderen Un-
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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
In den letzten Jahrhunderten unſerer Zeitrechnung haben ſich
beſonders die Italiener bemüht Gnomone von bedeutender Größe
zu errichten. Sie bedienten ſich dazu ihrer hohen Kirchen, deren
Wände ſie an ihren höchſten Theilen durchbohrten, wo ſie dann
durch dieſe Oeffnung das Bild der Sonne auf den gegenüberlie-
genden Fußboden der Kirche fallen ließen. Einen ſolchen Gno-
mon errichtete Paul Toſcanelli im Jahre 1467 in der berühmten
Kuppel der Kathedrale zu Florenz. Die erwähnte Oeffnung war
in der Höhe von 277 Fuß über dem Fußboden der Kirche ange-
bracht. Dieß iſt der größte aller bisher bekannten Gnomone.
Einen anderen von 51 Fuß errichtete Gaſſendi i. J. 1636 in der
Kirche des Oratoriums zu Marſeille; Ignatio Danti einen andern
von 67 Fuß in der Kirche des heil. Petronius zu Bologna, der
ſpäter von Caſſini wiederhergeſtellt wurde; Bianchini erbaute
in der Karthäuſerkirche zu Rom (den ehemaligen Bädern des
Diocletians) zwei ſehr ſchöne Gnomone von 62 und 75 Fuß;
Sully und le Monnier errichteten einen Gnomon von 80 Fuß in
der Kirche des heil. Sulpitius zu Paris, an welchem der letzte
viele Jahre durch die Solſtitialhöhe der Sonne beobachtete, und
auf einer gegenüberſtehenden Marmorplatte eingrub. Einer der
Letzten endlich wurde von den Aſtronomen Ceſaris und Reggio in
der Kathedrale zu Mailand i. J. 1786 errichtet. Auf den ältern
Sternwarten findet man ſie noch oft genug, aber in den neueren
Zeiten hat man ſie größtentheils verlaſſen und mit Recht, da ſie
lange nicht die Genauigkeit gewähren, welche man mit unſern
andern Inſtrumenten erreichen kann. Die Urſache davon liegt
größtentheils in der Unſicherheit der Meſſung der wahren Schat-
tenlänge, und in der Veränderlichkeit der Lage hoher Gebäude.
Wir haben ſchon, in der vorhergehenden Note, Gelegenheit ge-
habt, von der Leichtigkeit zu ſprechen, mit welcher auch die ſtärk-
ſten Mauern jedem Drucke nachgeben. Aber die Wirkung der
Sonne, wenn ſie dieſe Mauern beſcheint, und die Folgen des
Froſtes und des Wiederaufthauens dieſer Mauern ſowohl, als
auch des Bodens, auf dem ſie ſtehen, iſt noch viel bedeutender.
Schon Bouguer hat darüber eigene Beobachtungen angeſtellt.
Er hatte in der durchbrochenen Wand des Doms der Invaliden
zu Paris ein Fernrohr eingemauert, um ihm zu beſonderen Un-
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/244>, abgerufen am 09.11.2024.
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