Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
Jahre 320 vor Chr. G. (drei Jahre vor dem Tode Alexanders
des Großen) zur Zeit des Sommersolstitiums die Sonne an einem
Gnomon, dessen Höhe 120 und dessen mittägige Schattenlänge
41 4/5 Fuß betrug. Daraus folgt die Höhe der Sonne gleich
70° 48' oder genauer 70° 32', da man den Schatten des Gno-
mons, wegen dem Halbmesser der Sonne, der 26' beträgt, zu kurz
beobachtet hat. Nimmt man davon die schon aus anderen Beob-
achtungen (I. S. 105) bekannte Aequatorhöhe von Marseille, die
gleich 46° 42' ist, weg, so erhält man für die gesuchte Schiefe
der Ecliptik zur Zeit des Pytheas 23° 50', während sie in unsern
Tagen 23° 28' beträgt, so daß sie also seit 2150 Jahren um
22 Minuten abgenommen hat, übereinstimmend mit dem was
früher (I. S. 112) von dieser Abnahme gesagt worden ist.

Statt bloß das Ende des Schattens zu beobachten, der wegen
der ihn umgebenden Halbschatten immer schlecht begränzt ist,
wird man besser an der höchsten Spitze des Gnomons eine auf
die Mittagslinie (I. S. 29) senkrechte Metallplatte mit einer kleinen
runden Oeffnung anbringen, und dann, statt jenen Schatten, die
Entfernung des Fußpunktes des Gnomons von dem durch diese
Oeffnung auf dem Boden projicirten Bilde der Sonne messen.
Die alexandrinischen Griechen, unter ihnen besonders Eratosthenes,
so wie auch früher schon die Aegyptier und Chineser bedienten sich
häufig dieses einfachen Instruments, zu welchem sie gleichsam
schon von der Natur selbst angewiesen wurden, wenn sie die ab-
wechselnde Schattenlänge der Berge, Bäume oder Thürme be-
merkten.

Unter der Regierung des Kaiser Augustus wurde der große
Obelisk, von 117 röm. Fuß Länge, den Sesostris im Jahr 967
vor Chr. G. in Aegypten errichten ließ, nach Rom gebracht, und
daselbst, unter der Anleitung des Manlius, auf dem Marsfelde
aufgestellt, um daran, wie Plinius H. N. Lib. 36 sagt, die Be-
wegungen der Sonne zu beobachten, so daß er also mehr als eine
Art von Sonnenuhr gebraucht wurde, um daran wenigstens den
Augenblick des wahren Mittags zu erkennen. Coschuking errichtete
i. J. 1278 einen Gnomon von 40 Fuß in Peking und Ulug
Beigh i. J. 1430 einen andern in Samarkand von 165 Fuß.


Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Jahre 320 vor Chr. G. (drei Jahre vor dem Tode Alexanders
des Großen) zur Zeit des Sommerſolſtitiums die Sonne an einem
Gnomon, deſſen Höhe 120 und deſſen mittägige Schattenlänge
41⅘ Fuß betrug. Daraus folgt die Höhe der Sonne gleich
70° 48′ oder genauer 70° 32′, da man den Schatten des Gno-
mons, wegen dem Halbmeſſer der Sonne, der 26′ beträgt, zu kurz
beobachtet hat. Nimmt man davon die ſchon aus anderen Beob-
achtungen (I. S. 105) bekannte Aequatorhöhe von Marſeille, die
gleich 46° 42′ iſt, weg, ſo erhält man für die geſuchte Schiefe
der Ecliptik zur Zeit des Pytheas 23° 50′, während ſie in unſern
Tagen 23° 28′ beträgt, ſo daß ſie alſo ſeit 2150 Jahren um
22 Minuten abgenommen hat, übereinſtimmend mit dem was
früher (I. S. 112) von dieſer Abnahme geſagt worden iſt.

Statt bloß das Ende des Schattens zu beobachten, der wegen
der ihn umgebenden Halbſchatten immer ſchlecht begränzt iſt,
wird man beſſer an der höchſten Spitze des Gnomons eine auf
die Mittagslinie (I. S. 29) ſenkrechte Metallplatte mit einer kleinen
runden Oeffnung anbringen, und dann, ſtatt jenen Schatten, die
Entfernung des Fußpunktes des Gnomons von dem durch dieſe
Oeffnung auf dem Boden projicirten Bilde der Sonne meſſen.
Die alexandriniſchen Griechen, unter ihnen beſonders Eratoſthenes,
ſo wie auch früher ſchon die Aegyptier und Chineſer bedienten ſich
häufig dieſes einfachen Inſtruments, zu welchem ſie gleichſam
ſchon von der Natur ſelbſt angewieſen wurden, wenn ſie die ab-
wechſelnde Schattenlänge der Berge, Bäume oder Thürme be-
merkten.

Unter der Regierung des Kaiſer Auguſtus wurde der große
Obelisk, von 117 röm. Fuß Länge, den Seſoſtris im Jahr 967
vor Chr. G. in Aegypten errichten ließ, nach Rom gebracht, und
daſelbſt, unter der Anleitung des Manlius, auf dem Marsfelde
aufgeſtellt, um daran, wie Plinius H. N. Lib. 36 ſagt, die Be-
wegungen der Sonne zu beobachten, ſo daß er alſo mehr als eine
Art von Sonnenuhr gebraucht wurde, um daran wenigſtens den
Augenblick des wahren Mittags zu erkennen. Coſchuking errichtete
i. J. 1278 einen Gnomon von 40 Fuß in Peking und Ulug
Beigh i. J. 1430 einen andern in Samarkand von 165 Fuß.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0243" n="231"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung und Gebrauch der a&#x017F;tronom. In&#x017F;trumente.</fw><lb/>
Jahre 320 vor Chr. G. (drei Jahre vor dem Tode Alexanders<lb/>
des Großen) zur Zeit des Sommer&#x017F;ol&#x017F;titiums die Sonne an einem<lb/>
Gnomon, de&#x017F;&#x017F;en Höhe 120 und de&#x017F;&#x017F;en mittägige Schattenlänge<lb/>
41&#x2158; Fuß betrug. Daraus folgt die Höhe der Sonne gleich<lb/>
70° 48&#x2032; oder genauer 70° 32&#x2032;, da man den Schatten des Gno-<lb/>
mons, wegen dem Halbme&#x017F;&#x017F;er der Sonne, der 26&#x2032; beträgt, zu kurz<lb/>
beobachtet hat. Nimmt man davon die &#x017F;chon aus anderen Beob-<lb/>
achtungen (<hi rendition="#aq">I.</hi> S. 105) bekannte Aequatorhöhe von Mar&#x017F;eille, die<lb/>
gleich 46° 42&#x2032; i&#x017F;t, weg, &#x017F;o erhält man für die ge&#x017F;uchte Schiefe<lb/>
der Ecliptik zur Zeit des Pytheas 23° 50&#x2032;, während &#x017F;ie in un&#x017F;ern<lb/>
Tagen 23° 28&#x2032; beträgt, &#x017F;o daß &#x017F;ie al&#x017F;o &#x017F;eit 2150 Jahren um<lb/>
22 Minuten abgenommen hat, überein&#x017F;timmend mit dem was<lb/>
früher (<hi rendition="#aq">I.</hi> S. 112) von die&#x017F;er Abnahme ge&#x017F;agt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Statt bloß das Ende des Schattens zu beobachten, der wegen<lb/>
der ihn umgebenden Halb&#x017F;chatten immer &#x017F;chlecht begränzt i&#x017F;t,<lb/>
wird man be&#x017F;&#x017F;er an der höch&#x017F;ten Spitze des Gnomons eine auf<lb/>
die Mittagslinie (<hi rendition="#aq">I.</hi> S. 29) &#x017F;enkrechte Metallplatte mit einer kleinen<lb/>
runden Oeffnung anbringen, und dann, &#x017F;tatt jenen Schatten, die<lb/>
Entfernung des Fußpunktes des Gnomons von dem durch die&#x017F;e<lb/>
Oeffnung auf dem Boden projicirten Bilde der Sonne me&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die alexandrini&#x017F;chen Griechen, unter ihnen be&#x017F;onders Erato&#x017F;thenes,<lb/>
&#x017F;o wie auch früher &#x017F;chon die Aegyptier und Chine&#x017F;er bedienten &#x017F;ich<lb/>
häufig die&#x017F;es einfachen In&#x017F;truments, zu welchem &#x017F;ie gleich&#x017F;am<lb/>
&#x017F;chon von der Natur &#x017F;elb&#x017F;t angewie&#x017F;en wurden, wenn &#x017F;ie die ab-<lb/>
wech&#x017F;elnde Schattenlänge der Berge, Bäume oder Thürme be-<lb/>
merkten.</p><lb/>
            <p>Unter der Regierung des Kai&#x017F;er Augu&#x017F;tus wurde der große<lb/>
Obelisk, von 117 röm. Fuß Länge, den Se&#x017F;o&#x017F;tris im Jahr 967<lb/>
vor Chr. G. in Aegypten errichten ließ, nach Rom gebracht, und<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t, unter der Anleitung des Manlius, auf dem Marsfelde<lb/>
aufge&#x017F;tellt, um daran, wie <hi rendition="#aq">Plinius H. N. Lib.</hi> 36 &#x017F;agt, die Be-<lb/>
wegungen der Sonne zu beobachten, &#x017F;o daß er al&#x017F;o mehr als eine<lb/>
Art von Sonnenuhr gebraucht wurde, um daran wenig&#x017F;tens den<lb/>
Augenblick des wahren Mittags zu erkennen. Co&#x017F;chuking errichtete<lb/>
i. J. 1278 einen Gnomon von 40 Fuß in Peking und Ulug<lb/>
Beigh i. J. 1430 einen andern in Samarkand von 165 Fuß.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0243] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Jahre 320 vor Chr. G. (drei Jahre vor dem Tode Alexanders des Großen) zur Zeit des Sommerſolſtitiums die Sonne an einem Gnomon, deſſen Höhe 120 und deſſen mittägige Schattenlänge 41⅘ Fuß betrug. Daraus folgt die Höhe der Sonne gleich 70° 48′ oder genauer 70° 32′, da man den Schatten des Gno- mons, wegen dem Halbmeſſer der Sonne, der 26′ beträgt, zu kurz beobachtet hat. Nimmt man davon die ſchon aus anderen Beob- achtungen (I. S. 105) bekannte Aequatorhöhe von Marſeille, die gleich 46° 42′ iſt, weg, ſo erhält man für die geſuchte Schiefe der Ecliptik zur Zeit des Pytheas 23° 50′, während ſie in unſern Tagen 23° 28′ beträgt, ſo daß ſie alſo ſeit 2150 Jahren um 22 Minuten abgenommen hat, übereinſtimmend mit dem was früher (I. S. 112) von dieſer Abnahme geſagt worden iſt. Statt bloß das Ende des Schattens zu beobachten, der wegen der ihn umgebenden Halbſchatten immer ſchlecht begränzt iſt, wird man beſſer an der höchſten Spitze des Gnomons eine auf die Mittagslinie (I. S. 29) ſenkrechte Metallplatte mit einer kleinen runden Oeffnung anbringen, und dann, ſtatt jenen Schatten, die Entfernung des Fußpunktes des Gnomons von dem durch dieſe Oeffnung auf dem Boden projicirten Bilde der Sonne meſſen. Die alexandriniſchen Griechen, unter ihnen beſonders Eratoſthenes, ſo wie auch früher ſchon die Aegyptier und Chineſer bedienten ſich häufig dieſes einfachen Inſtruments, zu welchem ſie gleichſam ſchon von der Natur ſelbſt angewieſen wurden, wenn ſie die ab- wechſelnde Schattenlänge der Berge, Bäume oder Thürme be- merkten. Unter der Regierung des Kaiſer Auguſtus wurde der große Obelisk, von 117 röm. Fuß Länge, den Seſoſtris im Jahr 967 vor Chr. G. in Aegypten errichten ließ, nach Rom gebracht, und daſelbſt, unter der Anleitung des Manlius, auf dem Marsfelde aufgeſtellt, um daran, wie Plinius H. N. Lib. 36 ſagt, die Be- wegungen der Sonne zu beobachten, ſo daß er alſo mehr als eine Art von Sonnenuhr gebraucht wurde, um daran wenigſtens den Augenblick des wahren Mittags zu erkennen. Coſchuking errichtete i. J. 1278 einen Gnomon von 40 Fuß in Peking und Ulug Beigh i. J. 1430 einen andern in Samarkand von 165 Fuß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/243
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/243>, abgerufen am 28.04.2024.