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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmosphäre d. Erde.
Tages nicht auf den Mittag, sondern 11/2 oder 2 Stunden später,
so wie die höchste Temperatur des Jahres nicht auf den Augen-
blick des Sommersolstitiums, wo die Sonne am höchsten steht,
sondern mehr als einen Monat später fällt, weil die Accumulation
der Wärme ebenfalls nur allmählig fortschreitet, und sich selbst
nach dem höchsten Stande der Sonne noch einige Zeit durch an-
häuft.

Es wurde bereits gesagt, daß alle die Orte, welche mit den
Punkten A und B in demselben Meridian liegen, zu gleicher Zeit ihre
Fluthen haben, aber in geringerem Grade, offenbar in einem um so
geringeren je weiter sie von den beiden Punkten A und B entfernt
sind. Da aber die Sonne und der Mond sich nie sehr weit von
der Ebene des Aequators entfernen, so werden auch diese Orte
A und B, welche die größten Fluthen haben, immer in der Nähe
des irdischen Aequators seyn, oder sie werden in die heiße Zone
fallen. Die Fluthen werden also in den Tropenländern am größ-
ten seyn, und immer kleiner werden, je näher man den beiden
Polen der Erde kömmt. Auch dieß ist der Erfahrung vollkom-
men gemäß. In Ostindien und an den tropischen Küsten Ame-
rika's steigen diese Fluthen gewöhnlich sehr hoch, obschon sie auch
durch Localursachen an andern Orten oft sehr erhöht werden. In
dem Hafen von St. Malo beträgt diese Höhe gewöhnlich 50 Fuß.
In der Nord- und Ostsee ist die Erhebung und Senkung des
Meeres schon viel kleiner, und an den nördlichen Küsten von
Norwegen bemerkt man sie gar nicht mehr, so wenig als in klei-
neren oder ringsum eingeschlossenen Meeren, wie in dem schwarzen
oder dem kaspischen See.

§. 114. (Bestimmung der Mondmasse und Geschichte der Theorie
dieser Erscheinung.) Wenn man den Einfluß, welchen der Mond
auf die Fluth hat, von jenem der Sonne geschickt sondert, so geben
diese Erscheinungen ein gutes Mittel, die Masse des Mondes zu
bestimmen. Man hat auf diesem Wege gefunden, daß die Masse
dieses Satelliten nahe den 75sten Theil der Masse der Erde beträgt,
übereinstimmend mit anderen astronomischen Bestimmungen.

Die Theorie dieser Erscheinungen, in ihrer ganzen Vollstän-
digkeit aufgefaßt, ist übrigens eine der schwersten, mit welchen sich

Littrow's Himmel u. s. Wunder. III. 11

Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
Tages nicht auf den Mittag, ſondern 1½ oder 2 Stunden ſpäter,
ſo wie die höchſte Temperatur des Jahres nicht auf den Augen-
blick des Sommerſolſtitiums, wo die Sonne am höchſten ſteht,
ſondern mehr als einen Monat ſpäter fällt, weil die Accumulation
der Wärme ebenfalls nur allmählig fortſchreitet, und ſich ſelbſt
nach dem höchſten Stande der Sonne noch einige Zeit durch an-
häuft.

Es wurde bereits geſagt, daß alle die Orte, welche mit den
Punkten A und B in demſelben Meridian liegen, zu gleicher Zeit ihre
Fluthen haben, aber in geringerem Grade, offenbar in einem um ſo
geringeren je weiter ſie von den beiden Punkten A und B entfernt
ſind. Da aber die Sonne und der Mond ſich nie ſehr weit von
der Ebene des Aequators entfernen, ſo werden auch dieſe Orte
A und B, welche die größten Fluthen haben, immer in der Nähe
des irdiſchen Aequators ſeyn, oder ſie werden in die heiße Zone
fallen. Die Fluthen werden alſo in den Tropenländern am größ-
ten ſeyn, und immer kleiner werden, je näher man den beiden
Polen der Erde kömmt. Auch dieß iſt der Erfahrung vollkom-
men gemäß. In Oſtindien und an den tropiſchen Küſten Ame-
rika’s ſteigen dieſe Fluthen gewöhnlich ſehr hoch, obſchon ſie auch
durch Localurſachen an andern Orten oft ſehr erhöht werden. In
dem Hafen von St. Malo beträgt dieſe Höhe gewöhnlich 50 Fuß.
In der Nord- und Oſtſee iſt die Erhebung und Senkung des
Meeres ſchon viel kleiner, und an den nördlichen Küſten von
Norwegen bemerkt man ſie gar nicht mehr, ſo wenig als in klei-
neren oder ringsum eingeſchloſſenen Meeren, wie in dem ſchwarzen
oder dem kaspiſchen See.

§. 114. (Beſtimmung der Mondmaſſe und Geſchichte der Theorie
dieſer Erſcheinung.) Wenn man den Einfluß, welchen der Mond
auf die Fluth hat, von jenem der Sonne geſchickt ſondert, ſo geben
dieſe Erſcheinungen ein gutes Mittel, die Maſſe des Mondes zu
beſtimmen. Man hat auf dieſem Wege gefunden, daß die Maſſe
dieſes Satelliten nahe den 75ſten Theil der Maſſe der Erde beträgt,
übereinſtimmend mit anderen aſtronomiſchen Beſtimmungen.

Die Theorie dieſer Erſcheinungen, in ihrer ganzen Vollſtän-
digkeit aufgefaßt, iſt übrigens eine der ſchwerſten, mit welchen ſich

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[161/0173] Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde. Tages nicht auf den Mittag, ſondern 1½ oder 2 Stunden ſpäter, ſo wie die höchſte Temperatur des Jahres nicht auf den Augen- blick des Sommerſolſtitiums, wo die Sonne am höchſten ſteht, ſondern mehr als einen Monat ſpäter fällt, weil die Accumulation der Wärme ebenfalls nur allmählig fortſchreitet, und ſich ſelbſt nach dem höchſten Stande der Sonne noch einige Zeit durch an- häuft. Es wurde bereits geſagt, daß alle die Orte, welche mit den Punkten A und B in demſelben Meridian liegen, zu gleicher Zeit ihre Fluthen haben, aber in geringerem Grade, offenbar in einem um ſo geringeren je weiter ſie von den beiden Punkten A und B entfernt ſind. Da aber die Sonne und der Mond ſich nie ſehr weit von der Ebene des Aequators entfernen, ſo werden auch dieſe Orte A und B, welche die größten Fluthen haben, immer in der Nähe des irdiſchen Aequators ſeyn, oder ſie werden in die heiße Zone fallen. Die Fluthen werden alſo in den Tropenländern am größ- ten ſeyn, und immer kleiner werden, je näher man den beiden Polen der Erde kömmt. Auch dieß iſt der Erfahrung vollkom- men gemäß. In Oſtindien und an den tropiſchen Küſten Ame- rika’s ſteigen dieſe Fluthen gewöhnlich ſehr hoch, obſchon ſie auch durch Localurſachen an andern Orten oft ſehr erhöht werden. In dem Hafen von St. Malo beträgt dieſe Höhe gewöhnlich 50 Fuß. In der Nord- und Oſtſee iſt die Erhebung und Senkung des Meeres ſchon viel kleiner, und an den nördlichen Küſten von Norwegen bemerkt man ſie gar nicht mehr, ſo wenig als in klei- neren oder ringsum eingeſchloſſenen Meeren, wie in dem ſchwarzen oder dem kaspiſchen See. §. 114. (Beſtimmung der Mondmaſſe und Geſchichte der Theorie dieſer Erſcheinung.) Wenn man den Einfluß, welchen der Mond auf die Fluth hat, von jenem der Sonne geſchickt ſondert, ſo geben dieſe Erſcheinungen ein gutes Mittel, die Maſſe des Mondes zu beſtimmen. Man hat auf dieſem Wege gefunden, daß die Maſſe dieſes Satelliten nahe den 75ſten Theil der Maſſe der Erde beträgt, übereinſtimmend mit anderen aſtronomiſchen Beſtimmungen. Die Theorie dieſer Erſcheinungen, in ihrer ganzen Vollſtän- digkeit aufgefaßt, iſt übrigens eine der ſchwerſten, mit welchen ſich Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. III. 11

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/173>, abgerufen am 09.11.2024.