Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Gestalt und Atmosphären der Planeten.
immerwährend aus ihren Gestaden treten, und das Festland über-
schwemmen würden, wie dieß z. B. der Fall wäre, wenn unsere
großen Meeresbecken Quecksilber statt Wasser enthielten. -- Bei
einer nicht homogenen Erdmasse aber hat die theoretische Bestim-
mung ihrer Gestalt große Schwierigkeiten, doch ist man endlich
dahin gekommen, zu zeigen, daß auch in diesem Falle noch die
Erde eine elliptische Gestalt haben müsse, wenn sie mit sich selbst
im Gleichgewichte verbleiben soll. Dieselbe Analyse hat uns zu-
gleich gelehrt, daß die beiden Bewegungen der Erdaxe, die wir
oben (I. Kap. XII.) unter dem Namen der Präcession und Nu-
tation kennen gelernt haben, eine bloße Folge der Anziehung des
Mondes und der Sonne auf die abgeplattete Erde sind. Die
nähere Angabe der hieher gehörenden Berechnungen würde aber
dem Zwecke dieser Blätter unangemessen seyn.

§. 101. (Entfernung des ursprünglichen Stoßes von dem Mit-
telpunkte des Planeten.) Es wurde bereits oben (I. Kap. II. u. IV.)
gezeigt, daß sich die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne
sowohl, als auch zugleich die tägliche Rotation um ihre Axe aus
einem anfänglichen Stoße oder Zuge erklären läßt, dessen Rich-
tung weder durch den Mittelpunkt der Sonne, noch auch durch
den der Erde gegangen ist. Wir haben gesehen (§. 64), auf
welche Weise durch die Größe eines solchen ursprünglichen Stoßes
die Gestalt des Kegelschnitts, in welchem der Planet um die
Sonne geht, näher bestimmt wird. Ganz eben so läßt sich nun
auch durch eine sehr einfache Rechnung derjenige Punkt des Halb-
messers des Planeten bestimmen, auf welchen jener Stoß gerichtet
seyn mußte, damit der Körper eben diese und keine andere Rota-
tion um seine Axe erhalte. Bei der Erde z. B. war dieser Punkt
nahe 0,006 eines Erdhalbmessers von dem Mittelpunkte der Erde,
also nur sehr wenig entfernt, daher auch die Abplattung der Erde
nicht groß, die Umdrehungszeit derselben im Gegentheile noch be-
deutend groß ist.

Bei Jupiter aber betrug diese Entfernung nahe 0,38 seines
Halbmessers, eine viel größere Distanz als bei der Erde. Daher
auch die Abplattung dieses Planeten 1/14 oder sehr groß, und
die Umdrehungszeit (nahe 10 unserer Stunden) so ungemein klein
ist. Bei dem Monde endlich ist diese Entfernung nur 0,002 seines

Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.
immerwährend aus ihren Geſtaden treten, und das Feſtland über-
ſchwemmen würden, wie dieß z. B. der Fall wäre, wenn unſere
großen Meeresbecken Queckſilber ſtatt Waſſer enthielten. — Bei
einer nicht homogenen Erdmaſſe aber hat die theoretiſche Beſtim-
mung ihrer Geſtalt große Schwierigkeiten, doch iſt man endlich
dahin gekommen, zu zeigen, daß auch in dieſem Falle noch die
Erde eine elliptiſche Geſtalt haben müſſe, wenn ſie mit ſich ſelbſt
im Gleichgewichte verbleiben ſoll. Dieſelbe Analyſe hat uns zu-
gleich gelehrt, daß die beiden Bewegungen der Erdaxe, die wir
oben (I. Kap. XII.) unter dem Namen der Präceſſion und Nu-
tation kennen gelernt haben, eine bloße Folge der Anziehung des
Mondes und der Sonne auf die abgeplattete Erde ſind. Die
nähere Angabe der hieher gehörenden Berechnungen würde aber
dem Zwecke dieſer Blätter unangemeſſen ſeyn.

§. 101. (Entfernung des urſprünglichen Stoßes von dem Mit-
telpunkte des Planeten.) Es wurde bereits oben (I. Kap. II. u. IV.)
gezeigt, daß ſich die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne
ſowohl, als auch zugleich die tägliche Rotation um ihre Axe aus
einem anfänglichen Stoße oder Zuge erklären läßt, deſſen Rich-
tung weder durch den Mittelpunkt der Sonne, noch auch durch
den der Erde gegangen iſt. Wir haben geſehen (§. 64), auf
welche Weiſe durch die Größe eines ſolchen urſprünglichen Stoßes
die Geſtalt des Kegelſchnitts, in welchem der Planet um die
Sonne geht, näher beſtimmt wird. Ganz eben ſo läßt ſich nun
auch durch eine ſehr einfache Rechnung derjenige Punkt des Halb-
meſſers des Planeten beſtimmen, auf welchen jener Stoß gerichtet
ſeyn mußte, damit der Körper eben dieſe und keine andere Rota-
tion um ſeine Axe erhalte. Bei der Erde z. B. war dieſer Punkt
nahe 0,006 eines Erdhalbmeſſers von dem Mittelpunkte der Erde,
alſo nur ſehr wenig entfernt, daher auch die Abplattung der Erde
nicht groß, die Umdrehungszeit derſelben im Gegentheile noch be-
deutend groß iſt.

Bei Jupiter aber betrug dieſe Entfernung nahe 0,38 ſeines
Halbmeſſers, eine viel größere Diſtanz als bei der Erde. Daher
auch die Abplattung dieſes Planeten 1/14 oder ſehr groß, und
die Umdrehungszeit (nahe 10 unſerer Stunden) ſo ungemein klein
iſt. Bei dem Monde endlich iſt dieſe Entfernung nur 0,002 ſeines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0160" n="148"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;talt und Atmo&#x017F;phären der Planeten.</fw><lb/>
immerwährend aus ihren Ge&#x017F;taden treten, und das Fe&#x017F;tland über-<lb/>
&#x017F;chwemmen würden, wie dieß z. B. der Fall wäre, wenn un&#x017F;ere<lb/>
großen Meeresbecken Queck&#x017F;ilber &#x017F;tatt Wa&#x017F;&#x017F;er enthielten. &#x2014; Bei<lb/>
einer nicht homogenen Erdma&#x017F;&#x017F;e aber hat die theoreti&#x017F;che Be&#x017F;tim-<lb/>
mung ihrer Ge&#x017F;talt große Schwierigkeiten, doch i&#x017F;t man endlich<lb/>
dahin gekommen, zu zeigen, daß auch in die&#x017F;em Falle noch die<lb/>
Erde eine ellipti&#x017F;che Ge&#x017F;talt haben mü&#x017F;&#x017F;e, wenn &#x017F;ie mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
im Gleichgewichte verbleiben &#x017F;oll. Die&#x017F;elbe Analy&#x017F;e hat uns zu-<lb/>
gleich gelehrt, daß die beiden Bewegungen der Erdaxe, die wir<lb/>
oben (<hi rendition="#aq">I.</hi> Kap. <hi rendition="#aq">XII.</hi>) unter dem Namen der Präce&#x017F;&#x017F;ion und Nu-<lb/>
tation kennen gelernt haben, eine bloße Folge der Anziehung des<lb/>
Mondes und der Sonne auf die abgeplattete Erde &#x017F;ind. Die<lb/>
nähere Angabe der hieher gehörenden Berechnungen würde aber<lb/>
dem Zwecke die&#x017F;er Blätter unangeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <p>§. 101. (Entfernung des ur&#x017F;prünglichen Stoßes von dem Mit-<lb/>
telpunkte des Planeten.) Es wurde bereits oben (<hi rendition="#aq">I.</hi> Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> u. <hi rendition="#aq">IV.</hi>)<lb/>
gezeigt, daß &#x017F;ich die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne<lb/>
&#x017F;owohl, als auch zugleich die tägliche Rotation um ihre Axe aus<lb/>
einem anfänglichen Stoße oder Zuge erklären läßt, de&#x017F;&#x017F;en Rich-<lb/>
tung weder durch den Mittelpunkt der Sonne, noch auch durch<lb/>
den der Erde gegangen i&#x017F;t. Wir haben ge&#x017F;ehen (§. 64), auf<lb/>
welche Wei&#x017F;e durch die Größe eines &#x017F;olchen ur&#x017F;prünglichen Stoßes<lb/>
die Ge&#x017F;talt des Kegel&#x017F;chnitts, in welchem der Planet um die<lb/>
Sonne geht, näher be&#x017F;timmt wird. Ganz eben &#x017F;o läßt &#x017F;ich nun<lb/>
auch durch eine &#x017F;ehr einfache Rechnung derjenige Punkt des Halb-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ers des Planeten be&#x017F;timmen, auf welchen jener Stoß gerichtet<lb/>
&#x017F;eyn mußte, damit der Körper eben die&#x017F;e und keine andere Rota-<lb/>
tion um &#x017F;eine Axe erhalte. Bei der Erde z. B. war die&#x017F;er Punkt<lb/>
nahe 0,<hi rendition="#sub">006</hi> eines Erdhalbme&#x017F;&#x017F;ers von dem Mittelpunkte der Erde,<lb/>
al&#x017F;o nur &#x017F;ehr wenig entfernt, daher auch die Abplattung der Erde<lb/>
nicht groß, die Umdrehungszeit der&#x017F;elben im Gegentheile noch be-<lb/>
deutend groß i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Bei Jupiter aber betrug die&#x017F;e Entfernung nahe 0,<hi rendition="#sub">38</hi> &#x017F;eines<lb/>
Halbme&#x017F;&#x017F;ers, eine viel größere Di&#x017F;tanz als bei der Erde. Daher<lb/>
auch die Abplattung die&#x017F;es Planeten 1/14 oder &#x017F;ehr groß, und<lb/>
die Umdrehungszeit (nahe 10 un&#x017F;erer Stunden) &#x017F;o ungemein klein<lb/>
i&#x017F;t. Bei dem Monde endlich i&#x017F;t die&#x017F;e Entfernung nur 0,<hi rendition="#sub">002</hi> &#x017F;eines<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0160] Geſtalt und Atmoſphären der Planeten. immerwährend aus ihren Geſtaden treten, und das Feſtland über- ſchwemmen würden, wie dieß z. B. der Fall wäre, wenn unſere großen Meeresbecken Queckſilber ſtatt Waſſer enthielten. — Bei einer nicht homogenen Erdmaſſe aber hat die theoretiſche Beſtim- mung ihrer Geſtalt große Schwierigkeiten, doch iſt man endlich dahin gekommen, zu zeigen, daß auch in dieſem Falle noch die Erde eine elliptiſche Geſtalt haben müſſe, wenn ſie mit ſich ſelbſt im Gleichgewichte verbleiben ſoll. Dieſelbe Analyſe hat uns zu- gleich gelehrt, daß die beiden Bewegungen der Erdaxe, die wir oben (I. Kap. XII.) unter dem Namen der Präceſſion und Nu- tation kennen gelernt haben, eine bloße Folge der Anziehung des Mondes und der Sonne auf die abgeplattete Erde ſind. Die nähere Angabe der hieher gehörenden Berechnungen würde aber dem Zwecke dieſer Blätter unangemeſſen ſeyn. §. 101. (Entfernung des urſprünglichen Stoßes von dem Mit- telpunkte des Planeten.) Es wurde bereits oben (I. Kap. II. u. IV.) gezeigt, daß ſich die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne ſowohl, als auch zugleich die tägliche Rotation um ihre Axe aus einem anfänglichen Stoße oder Zuge erklären läßt, deſſen Rich- tung weder durch den Mittelpunkt der Sonne, noch auch durch den der Erde gegangen iſt. Wir haben geſehen (§. 64), auf welche Weiſe durch die Größe eines ſolchen urſprünglichen Stoßes die Geſtalt des Kegelſchnitts, in welchem der Planet um die Sonne geht, näher beſtimmt wird. Ganz eben ſo läßt ſich nun auch durch eine ſehr einfache Rechnung derjenige Punkt des Halb- meſſers des Planeten beſtimmen, auf welchen jener Stoß gerichtet ſeyn mußte, damit der Körper eben dieſe und keine andere Rota- tion um ſeine Axe erhalte. Bei der Erde z. B. war dieſer Punkt nahe 0,006 eines Erdhalbmeſſers von dem Mittelpunkte der Erde, alſo nur ſehr wenig entfernt, daher auch die Abplattung der Erde nicht groß, die Umdrehungszeit derſelben im Gegentheile noch be- deutend groß iſt. Bei Jupiter aber betrug dieſe Entfernung nahe 0,38 ſeines Halbmeſſers, eine viel größere Diſtanz als bei der Erde. Daher auch die Abplattung dieſes Planeten 1/14 oder ſehr groß, und die Umdrehungszeit (nahe 10 unſerer Stunden) ſo ungemein klein iſt. Bei dem Monde endlich iſt dieſe Entfernung nur 0,002 ſeines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/160
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/160>, abgerufen am 09.11.2024.