uns, müssen nämlich, der Natur der Sache nach, immer zwei gegeben seyn, um daraus das Dritte zu finden.
§. 63. (Wann diese Durchgänge statt haben.) Eigentlich sollte in jeder synodischen Revolution (I. S. 256) der Venus, d. h. in je 583,921 Tagen ein Durchgang dieses Planeten vor der Sonnen- scheibe erfolgen, weil er in dieser Zeit einmal zwischen uns und der Sonne durchgehen muß. Allein da die Neigung der Bahn der Venus gegen die Ecliptik über drei Grade, der Halbmesser der Sonne aber nur einen halben Grad beträgt, so wird es oft ge- schehen, daß dieser Planet zur Zeit seiner untern Conjunction, wo er zwischen uns und der Sonne ist, zu hoch über, oder auch zu tief unter der Sonne steht, und daher von uns nicht auf der Sonne selbst gesehen werden kann.
Offenbar kann sie zu dieser Zeit nur dann in der Sonne er- scheinen, wenn die von der Erde gesehene Breite (I. S. 249) nicht größer ist, als die Summe der Halbmesser der Sonne und des Planeten, d. h. also nicht größer als 990 Secunden, da der Halb- messer der Sonne im Mittel 961, und der der Venus in der untern Conjunction 29 Secunden beträgt. Venus muß daher zu dieser Zeit in der Nähe eines ihrer Knoten (I. S. 247) seyn, und sie darf, wie man durch Rechnung zeigen kann, höchstens um 1° 50' von diesem Knoten abstehen, wenn ein Durchgang statt haben soll. Bei Merkur ist dieser äußerste Abstand vom Knoten 3° 28', also viel größer, und dieß ist die Ursache, warum die Durchgänge Merkurs viel häufiger sind, als die der Venus.
Diese Durchgänge der Venus fallen seit dem Anfange des 17ten Jahrhunderts immer entweder in die erste Hälfte des Junius oder des Dezembers, und dieß wird bis zu dem Jahre 3000 unserer Zeitrechnung so fortgehen, so daß immer zwei nächstfol- gende Durchgänge in den Junius und die zwei auf diese kom- menden in den Dezember fallen. Fängt man mit einem solchen Durchgange an, der der erste von den beiden in den Junius fallenden ist, wie dieß z. B. mit dem des Jahres 1761 der Fall war, so kommen die anderen Durchgänge nach der Reihe in 8, 105 1/2, 8, 121 1/2 Jahren, nach welchen sich dieselben Perioden von 8, 105 1/2 u. s. w. immer wiederholen. Diese Bemerkung gibt
Venus.
uns, müſſen nämlich, der Natur der Sache nach, immer zwei gegeben ſeyn, um daraus das Dritte zu finden.
§. 63. (Wann dieſe Durchgänge ſtatt haben.) Eigentlich ſollte in jeder ſynodiſchen Revolution (I. S. 256) der Venus, d. h. in je 583,921 Tagen ein Durchgang dieſes Planeten vor der Sonnen- ſcheibe erfolgen, weil er in dieſer Zeit einmal zwiſchen uns und der Sonne durchgehen muß. Allein da die Neigung der Bahn der Venus gegen die Ecliptik über drei Grade, der Halbmeſſer der Sonne aber nur einen halben Grad beträgt, ſo wird es oft ge- ſchehen, daß dieſer Planet zur Zeit ſeiner untern Conjunction, wo er zwiſchen uns und der Sonne iſt, zu hoch über, oder auch zu tief unter der Sonne ſteht, und daher von uns nicht auf der Sonne ſelbſt geſehen werden kann.
Offenbar kann ſie zu dieſer Zeit nur dann in der Sonne er- ſcheinen, wenn die von der Erde geſehene Breite (I. S. 249) nicht größer iſt, als die Summe der Halbmeſſer der Sonne und des Planeten, d. h. alſo nicht größer als 990 Secunden, da der Halb- meſſer der Sonne im Mittel 961, und der der Venus in der untern Conjunction 29 Secunden beträgt. Venus muß daher zu dieſer Zeit in der Nähe eines ihrer Knoten (I. S. 247) ſeyn, und ſie darf, wie man durch Rechnung zeigen kann, höchſtens um 1° 50′ von dieſem Knoten abſtehen, wenn ein Durchgang ſtatt haben ſoll. Bei Merkur iſt dieſer äußerſte Abſtand vom Knoten 3° 28′, alſo viel größer, und dieß iſt die Urſache, warum die Durchgänge Merkurs viel häufiger ſind, als die der Venus.
Dieſe Durchgänge der Venus fallen ſeit dem Anfange des 17ten Jahrhunderts immer entweder in die erſte Hälfte des Junius oder des Dezembers, und dieß wird bis zu dem Jahre 3000 unſerer Zeitrechnung ſo fortgehen, ſo daß immer zwei nächſtfol- gende Durchgänge in den Junius und die zwei auf dieſe kom- menden in den Dezember fallen. Fängt man mit einem ſolchen Durchgange an, der der erſte von den beiden in den Junius fallenden iſt, wie dieß z. B. mit dem des Jahres 1761 der Fall war, ſo kommen die anderen Durchgänge nach der Reihe in 8, 105 ½, 8, 121 ½ Jahren, nach welchen ſich dieſelben Perioden von 8, 105 ½ u. ſ. w. immer wiederholen. Dieſe Bemerkung gibt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0090"n="80"/><fwplace="top"type="header">Venus.</fw><lb/>
uns, müſſen nämlich, der Natur der Sache nach, immer zwei<lb/>
gegeben ſeyn, um daraus das Dritte zu finden.</p><lb/><p>§. 63. (Wann dieſe Durchgänge ſtatt haben.) Eigentlich ſollte<lb/>
in jeder ſynodiſchen Revolution (<hirendition="#aq">I.</hi> S. 256) der Venus, d. h. in<lb/>
je 583,<hirendition="#sub">921</hi> Tagen ein Durchgang dieſes Planeten vor der Sonnen-<lb/>ſcheibe erfolgen, weil er in dieſer Zeit einmal zwiſchen uns und<lb/>
der Sonne durchgehen muß. Allein da die Neigung der Bahn<lb/>
der Venus gegen die Ecliptik über drei Grade, der Halbmeſſer der<lb/>
Sonne aber nur einen halben Grad beträgt, ſo wird es oft ge-<lb/>ſchehen, daß dieſer Planet zur Zeit ſeiner untern Conjunction, wo<lb/>
er zwiſchen uns und der Sonne iſt, zu hoch über, oder auch zu<lb/>
tief unter der Sonne ſteht, und daher von uns nicht auf der<lb/>
Sonne ſelbſt geſehen werden kann.</p><lb/><p>Offenbar kann ſie zu dieſer Zeit nur dann in der Sonne er-<lb/>ſcheinen, wenn die von der Erde geſehene Breite (<hirendition="#aq">I.</hi> S. 249) nicht<lb/>
größer iſt, als die Summe der Halbmeſſer der Sonne und des<lb/>
Planeten, d. h. alſo nicht größer als 990 Secunden, da der Halb-<lb/>
meſſer der Sonne im Mittel 961, und der der Venus in der<lb/>
untern Conjunction 29 Secunden beträgt. Venus muß daher zu<lb/>
dieſer Zeit in der Nähe eines ihrer Knoten (<hirendition="#aq">I.</hi> S. 247) ſeyn, und<lb/>ſie darf, wie man durch Rechnung zeigen kann, höchſtens um<lb/>
1° 50′ von dieſem Knoten abſtehen, wenn ein Durchgang ſtatt<lb/>
haben ſoll. Bei Merkur iſt dieſer äußerſte Abſtand vom Knoten<lb/>
3° 28′, alſo viel größer, und dieß iſt die Urſache, warum die<lb/>
Durchgänge Merkurs viel häufiger ſind, als die der Venus.</p><lb/><p>Dieſe Durchgänge der Venus fallen ſeit dem Anfange des<lb/>
17ten Jahrhunderts immer entweder in die erſte Hälfte des Junius<lb/>
oder des Dezembers, und dieß wird bis zu dem Jahre 3000<lb/>
unſerer Zeitrechnung ſo fortgehen, ſo daß immer zwei nächſtfol-<lb/>
gende Durchgänge in den Junius und die zwei auf dieſe kom-<lb/>
menden in den Dezember fallen. Fängt man mit einem ſolchen<lb/>
Durchgange an, der der erſte von den beiden in den Junius<lb/>
fallenden iſt, wie dieß z. B. mit dem des Jahres 1761 der Fall<lb/>
war, ſo kommen die anderen Durchgänge nach der Reihe in<lb/>
8, 105 ½, 8, 121 ½ Jahren, nach welchen ſich dieſelben Perioden<lb/>
von 8, 105 ½ u. ſ. w. immer wiederholen. Dieſe Bemerkung gibt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[80/0090]
Venus.
uns, müſſen nämlich, der Natur der Sache nach, immer zwei
gegeben ſeyn, um daraus das Dritte zu finden.
§. 63. (Wann dieſe Durchgänge ſtatt haben.) Eigentlich ſollte
in jeder ſynodiſchen Revolution (I. S. 256) der Venus, d. h. in
je 583,921 Tagen ein Durchgang dieſes Planeten vor der Sonnen-
ſcheibe erfolgen, weil er in dieſer Zeit einmal zwiſchen uns und
der Sonne durchgehen muß. Allein da die Neigung der Bahn
der Venus gegen die Ecliptik über drei Grade, der Halbmeſſer der
Sonne aber nur einen halben Grad beträgt, ſo wird es oft ge-
ſchehen, daß dieſer Planet zur Zeit ſeiner untern Conjunction, wo
er zwiſchen uns und der Sonne iſt, zu hoch über, oder auch zu
tief unter der Sonne ſteht, und daher von uns nicht auf der
Sonne ſelbſt geſehen werden kann.
Offenbar kann ſie zu dieſer Zeit nur dann in der Sonne er-
ſcheinen, wenn die von der Erde geſehene Breite (I. S. 249) nicht
größer iſt, als die Summe der Halbmeſſer der Sonne und des
Planeten, d. h. alſo nicht größer als 990 Secunden, da der Halb-
meſſer der Sonne im Mittel 961, und der der Venus in der
untern Conjunction 29 Secunden beträgt. Venus muß daher zu
dieſer Zeit in der Nähe eines ihrer Knoten (I. S. 247) ſeyn, und
ſie darf, wie man durch Rechnung zeigen kann, höchſtens um
1° 50′ von dieſem Knoten abſtehen, wenn ein Durchgang ſtatt
haben ſoll. Bei Merkur iſt dieſer äußerſte Abſtand vom Knoten
3° 28′, alſo viel größer, und dieß iſt die Urſache, warum die
Durchgänge Merkurs viel häufiger ſind, als die der Venus.
Dieſe Durchgänge der Venus fallen ſeit dem Anfange des
17ten Jahrhunderts immer entweder in die erſte Hälfte des Junius
oder des Dezembers, und dieß wird bis zu dem Jahre 3000
unſerer Zeitrechnung ſo fortgehen, ſo daß immer zwei nächſtfol-
gende Durchgänge in den Junius und die zwei auf dieſe kom-
menden in den Dezember fallen. Fängt man mit einem ſolchen
Durchgange an, der der erſte von den beiden in den Junius
fallenden iſt, wie dieß z. B. mit dem des Jahres 1761 der Fall
war, ſo kommen die anderen Durchgänge nach der Reihe in
8, 105 ½, 8, 121 ½ Jahren, nach welchen ſich dieſelben Perioden
von 8, 105 ½ u. ſ. w. immer wiederholen. Dieſe Bemerkung gibt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/90>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.