Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Sterngruppen und Nebelmassen des Himmels.
gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberschimmern:
aus bloßem Dunst, der sich verdichtet, wo es dann, wie bei uns
Wassertropfen, dort Sonnen regnet.

Uebrigens liegen die meisten dieser wundervollen Gegenstände
weit außer dem Bereiche unserer eigentlichen Beobachtungen, und
der Phantasie ist noch ein unendliches Feld für ihre Spiele
eröffnet. Vielleicht existirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das
nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegossen ist, das sich in
unübersehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, sich stellenweise
in Wolken sammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn sie
vom Winde getrieben werden, verschiedene phantastische Gestalten
annimmt, oder sich bis zur Lichterzeugung condensirt, oder sich an
Sterne hängt u. dgl. Vielleicht ist es dieser Stoff, aus dem die
eigentlichen Gestirne sich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie
Herschel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken sind. Vielleicht auch,
daß dieser Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen ist,
aus dem sie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigstens die
Ansicht Newtons, die er seinem Freunde Conduit in einem
vertraulichen Gespräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis
feierte eben seinen dreiundachtzigsten Geburtstag. Er hatte vor
Kurzem eine heftige Krankheit überstanden und fühlte sich heute
stärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be-
fragte ihn über diese Gegenstände, bei denen er sonst nur ungern
verweilte, weil sie der Rechnung nicht unterworfen werden können.
Aber in dieser Stunde, wo er sich so wohl fühlte, schien ihm die
Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die
Redseligkeit des Alters beschlich. Die Leser werden vielleicht nicht un-
gern hören, was ein Mann dieser Art von jenen Dingen dachte.
Ich bemerke nur noch, daß Brewster in seinem Life of Newton
uns erst kürzlich (London 1831) aus einem Manuscripte Conduits
diese Nachricht mitgetheilt hat.

"Newton sagte mir darüber Folgendes, mehr gesprächsweise
und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender
Rede: Es ist meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich
es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter
den himmlischen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne

Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberſchimmern:
aus bloßem Dunſt, der ſich verdichtet, wo es dann, wie bei uns
Waſſertropfen, dort Sonnen regnet.

Uebrigens liegen die meiſten dieſer wundervollen Gegenſtände
weit außer dem Bereiche unſerer eigentlichen Beobachtungen, und
der Phantaſie iſt noch ein unendliches Feld für ihre Spiele
eröffnet. Vielleicht exiſtirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das
nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegoſſen iſt, das ſich in
unüberſehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, ſich ſtellenweiſe
in Wolken ſammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn ſie
vom Winde getrieben werden, verſchiedene phantaſtiſche Geſtalten
annimmt, oder ſich bis zur Lichterzeugung condenſirt, oder ſich an
Sterne hängt u. dgl. Vielleicht iſt es dieſer Stoff, aus dem die
eigentlichen Geſtirne ſich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie
Herſchel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken ſind. Vielleicht auch,
daß dieſer Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen iſt,
aus dem ſie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigſtens die
Anſicht Newtons, die er ſeinem Freunde Conduit in einem
vertraulichen Geſpräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis
feierte eben ſeinen dreiundachtzigſten Geburtstag. Er hatte vor
Kurzem eine heftige Krankheit überſtanden und fühlte ſich heute
ſtärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be-
fragte ihn über dieſe Gegenſtände, bei denen er ſonſt nur ungern
verweilte, weil ſie der Rechnung nicht unterworfen werden können.
Aber in dieſer Stunde, wo er ſich ſo wohl fühlte, ſchien ihm die
Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die
Redſeligkeit des Alters beſchlich. Die Leſer werden vielleicht nicht un-
gern hören, was ein Mann dieſer Art von jenen Dingen dachte.
Ich bemerke nur noch, daß Brewſter in ſeinem Life of Newton
uns erſt kürzlich (London 1831) aus einem Manuſcripte Conduits
dieſe Nachricht mitgetheilt hat.

„Newton ſagte mir darüber Folgendes, mehr geſprächsweiſe
und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender
Rede: Es iſt meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich
es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter
den himmliſchen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0400" n="390"/><fw place="top" type="header">Sterngruppen und Nebelma&#x017F;&#x017F;en des Himmels.</fw><lb/>
gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüber&#x017F;chimmern:<lb/>
aus bloßem Dun&#x017F;t, der &#x017F;ich verdichtet, wo es dann, wie bei uns<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen, dort Sonnen regnet.</p><lb/>
            <p>Uebrigens liegen die mei&#x017F;ten die&#x017F;er wundervollen Gegen&#x017F;tände<lb/>
weit außer dem Bereiche un&#x017F;erer eigentlichen Beobachtungen, und<lb/>
der Phanta&#x017F;ie i&#x017F;t noch ein unendliches Feld für ihre Spiele<lb/>
eröffnet. Vielleicht exi&#x017F;tirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das<lb/>
nach allen Seiten in dem Weltraume ausgego&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, das &#x017F;ich in<lb/>
unüber&#x017F;ehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, &#x017F;ich &#x017F;tellenwei&#x017F;e<lb/>
in Wolken &#x017F;ammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn &#x017F;ie<lb/>
vom Winde getrieben werden, ver&#x017F;chiedene phanta&#x017F;ti&#x017F;che Ge&#x017F;talten<lb/>
annimmt, oder &#x017F;ich bis zur Lichterzeugung conden&#x017F;irt, oder &#x017F;ich an<lb/>
Sterne hängt u. dgl. Vielleicht i&#x017F;t es die&#x017F;er Stoff, aus dem die<lb/>
eigentlichen Ge&#x017F;tirne &#x017F;ich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie<lb/>
Her&#x017F;chel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken &#x017F;ind. Vielleicht auch,<lb/>
daß die&#x017F;er Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen i&#x017F;t,<lb/>
aus dem &#x017F;ie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenig&#x017F;tens die<lb/>
An&#x017F;icht <hi rendition="#g">Newtons</hi>, die er &#x017F;einem Freunde <hi rendition="#g">Conduit</hi> in einem<lb/>
vertraulichen Ge&#x017F;präche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis<lb/>
feierte eben &#x017F;einen dreiundachtzig&#x017F;ten Geburtstag. Er hatte vor<lb/>
Kurzem eine heftige Krankheit über&#x017F;tanden und fühlte &#x017F;ich heute<lb/>
&#x017F;tärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be-<lb/>
fragte ihn über die&#x017F;e Gegen&#x017F;tände, bei denen er &#x017F;on&#x017F;t nur ungern<lb/>
verweilte, weil &#x017F;ie der Rechnung nicht unterworfen werden können.<lb/>
Aber in die&#x017F;er Stunde, wo er &#x017F;ich &#x017F;o wohl fühlte, &#x017F;chien ihm die<lb/>
Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die<lb/>
Red&#x017F;eligkeit des Alters be&#x017F;chlich. Die Le&#x017F;er werden vielleicht nicht un-<lb/>
gern hören, was ein Mann die&#x017F;er Art von jenen Dingen dachte.<lb/>
Ich bemerke nur noch, daß Brew&#x017F;ter in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Life of Newton</hi><lb/>
uns er&#x017F;t kürzlich (London 1831) aus einem Manu&#x017F;cripte Conduits<lb/>
die&#x017F;e Nachricht mitgetheilt hat.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Newton &#x017F;agte mir darüber Folgendes, mehr ge&#x017F;prächswei&#x017F;e<lb/>
und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender<lb/>
Rede: Es i&#x017F;t meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich<lb/>
es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter<lb/>
den himmli&#x017F;chen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0400] Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels. gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberſchimmern: aus bloßem Dunſt, der ſich verdichtet, wo es dann, wie bei uns Waſſertropfen, dort Sonnen regnet. Uebrigens liegen die meiſten dieſer wundervollen Gegenſtände weit außer dem Bereiche unſerer eigentlichen Beobachtungen, und der Phantaſie iſt noch ein unendliches Feld für ihre Spiele eröffnet. Vielleicht exiſtirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegoſſen iſt, das ſich in unüberſehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, ſich ſtellenweiſe in Wolken ſammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn ſie vom Winde getrieben werden, verſchiedene phantaſtiſche Geſtalten annimmt, oder ſich bis zur Lichterzeugung condenſirt, oder ſich an Sterne hängt u. dgl. Vielleicht iſt es dieſer Stoff, aus dem die eigentlichen Geſtirne ſich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie Herſchel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken ſind. Vielleicht auch, daß dieſer Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen iſt, aus dem ſie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigſtens die Anſicht Newtons, die er ſeinem Freunde Conduit in einem vertraulichen Geſpräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis feierte eben ſeinen dreiundachtzigſten Geburtstag. Er hatte vor Kurzem eine heftige Krankheit überſtanden und fühlte ſich heute ſtärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be- fragte ihn über dieſe Gegenſtände, bei denen er ſonſt nur ungern verweilte, weil ſie der Rechnung nicht unterworfen werden können. Aber in dieſer Stunde, wo er ſich ſo wohl fühlte, ſchien ihm die Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die Redſeligkeit des Alters beſchlich. Die Leſer werden vielleicht nicht un- gern hören, was ein Mann dieſer Art von jenen Dingen dachte. Ich bemerke nur noch, daß Brewſter in ſeinem Life of Newton uns erſt kürzlich (London 1831) aus einem Manuſcripte Conduits dieſe Nachricht mitgetheilt hat. „Newton ſagte mir darüber Folgendes, mehr geſprächsweiſe und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender Rede: Es iſt meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter den himmliſchen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/400
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/400>, abgerufen am 02.05.2024.