Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Doppelsterne.
d Orion ist der große weiß und der kleine purpurroth; bei e Ein-
horn ist der große gelb und der kleine blutroth; bei k im südlichen
Schiffe Argo ist umgekehrt, der große blau und der kleine dunkel-
roth; auch findet man mehrere Doppelsterne, wo beide tief gelb,
oder beide stark roth sind u. s. w.

Alle diese und viele andere Beispiele zeigen deutlich, daß die
vorhergehende Muthmaßung nicht gegründet ist, und daß wenigstens
bei sehr vielen, wo nicht bei den meisten Doppelsternen dieser
Unterschied der Farben keine optische Täuschung, sondern eine
diesen Sternen selbst zukommende Eigenthümlichkeit ist.

Auch gibt es ein einfaches Mittel, sich von dieser Eigen-
thümlichkeit der Farben der Doppelsterne zu überzeugen. Man
darf nur den größeren im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem
daselbst ausgespannten dicken Faden bedecken und zusehen, ob dann
der kleine, wenn er auf diese Weise allein im Fernrohr erscheint,
noch immer seine frühere blaue oder grüne Farbe behält. Dieß
ist in der That der Fall mit den Beobachtungen, die man bisher
darüber angestellt hat, zum Beweise, daß diese blaue oder grüne
Farbe den kleineren Sternen eigenthümlich ist.

Indeß behauptet der jüngere Herschel, der doch so viele Er-
fahrungen über diese Doppelgestirne gesammelt hat, daß ihm
durchaus noch kein Fall vorgekommen sey, wo der eine der beiden
Doppelsterne grün oder blau erschienen wäre, wenn er nicht zu-
gleich sehr nahe bei einem größeren rothen oder gelben Sterne
stand, wo also jene Farbe des kleinen Sternes allerdings aus der
complementären Farbe erklärt werden könnte. Ihm erscheinen,
wie er versichert, alle Sterne weiß, deren Farbe sich nicht gegen
gelb oder roth neigt, vorausgesetzt, daß keine Lampe in der Nähe
des Beobachters ist. Nach seiner Behauptung sind alle Farben
der Sterne nur aus dem unteren Ende des Spectrums genommen,
wo das rothe und gelbe Licht ist und durchaus keine von dem
oberen Ende, wo die blaue und grüne Farbe vorherrscht. Da
aber andere Beobachter diese blaue und grüne Farbe so oft schon
gesehen haben, so glaubt er den Grund davon in der grünlichen
Farbe des Kronglases zu finden, die man bei den achromatischen
Fernröhren so oft antrifft. Allein die neueren Fernröhre von

Doppelſterne.
δ Orion iſt der große weiß und der kleine purpurroth; bei ε Ein-
horn iſt der große gelb und der kleine blutroth; bei κ im ſüdlichen
Schiffe Argo iſt umgekehrt, der große blau und der kleine dunkel-
roth; auch findet man mehrere Doppelſterne, wo beide tief gelb,
oder beide ſtark roth ſind u. ſ. w.

Alle dieſe und viele andere Beiſpiele zeigen deutlich, daß die
vorhergehende Muthmaßung nicht gegründet iſt, und daß wenigſtens
bei ſehr vielen, wo nicht bei den meiſten Doppelſternen dieſer
Unterſchied der Farben keine optiſche Täuſchung, ſondern eine
dieſen Sternen ſelbſt zukommende Eigenthümlichkeit iſt.

Auch gibt es ein einfaches Mittel, ſich von dieſer Eigen-
thümlichkeit der Farben der Doppelſterne zu überzeugen. Man
darf nur den größeren im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem
daſelbſt ausgeſpannten dicken Faden bedecken und zuſehen, ob dann
der kleine, wenn er auf dieſe Weiſe allein im Fernrohr erſcheint,
noch immer ſeine frühere blaue oder grüne Farbe behält. Dieß
iſt in der That der Fall mit den Beobachtungen, die man bisher
darüber angeſtellt hat, zum Beweiſe, daß dieſe blaue oder grüne
Farbe den kleineren Sternen eigenthümlich iſt.

Indeß behauptet der jüngere Herſchel, der doch ſo viele Er-
fahrungen über dieſe Doppelgeſtirne geſammelt hat, daß ihm
durchaus noch kein Fall vorgekommen ſey, wo der eine der beiden
Doppelſterne grün oder blau erſchienen wäre, wenn er nicht zu-
gleich ſehr nahe bei einem größeren rothen oder gelben Sterne
ſtand, wo alſo jene Farbe des kleinen Sternes allerdings aus der
complementären Farbe erklärt werden könnte. Ihm erſcheinen,
wie er verſichert, alle Sterne weiß, deren Farbe ſich nicht gegen
gelb oder roth neigt, vorausgeſetzt, daß keine Lampe in der Nähe
des Beobachters iſt. Nach ſeiner Behauptung ſind alle Farben
der Sterne nur aus dem unteren Ende des Spectrums genommen,
wo das rothe und gelbe Licht iſt und durchaus keine von dem
oberen Ende, wo die blaue und grüne Farbe vorherrſcht. Da
aber andere Beobachter dieſe blaue und grüne Farbe ſo oft ſchon
geſehen haben, ſo glaubt er den Grund davon in der grünlichen
Farbe des Kronglaſes zu finden, die man bei den achromatiſchen
Fernröhren ſo oft antrifft. Allein die neueren Fernröhre von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0353" n="343"/><fw place="top" type="header">Doppel&#x017F;terne.</fw><lb/>
&#x03B4; Orion i&#x017F;t der große weiß und der kleine purpurroth; bei &#x03B5; Ein-<lb/>
horn i&#x017F;t der große gelb und der kleine blutroth; bei &#x03BA; im &#x017F;üdlichen<lb/>
Schiffe Argo i&#x017F;t umgekehrt, der große blau und der kleine dunkel-<lb/>
roth; auch findet man mehrere Doppel&#x017F;terne, wo beide tief gelb,<lb/>
oder beide &#x017F;tark roth &#x017F;ind u. &#x017F;. w.</p><lb/>
            <p>Alle die&#x017F;e und viele andere Bei&#x017F;piele zeigen deutlich, daß die<lb/>
vorhergehende Muthmaßung nicht gegründet i&#x017F;t, und daß wenig&#x017F;tens<lb/>
bei &#x017F;ehr vielen, wo nicht bei den mei&#x017F;ten Doppel&#x017F;ternen die&#x017F;er<lb/>
Unter&#x017F;chied der Farben keine opti&#x017F;che Täu&#x017F;chung, &#x017F;ondern eine<lb/>
die&#x017F;en Sternen &#x017F;elb&#x017F;t zukommende Eigenthümlichkeit i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Auch gibt es ein einfaches Mittel, &#x017F;ich von die&#x017F;er Eigen-<lb/>
thümlichkeit der Farben der Doppel&#x017F;terne zu überzeugen. Man<lb/>
darf nur den größeren im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t ausge&#x017F;pannten dicken Faden bedecken und zu&#x017F;ehen, ob dann<lb/>
der kleine, wenn er auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e allein im Fernrohr er&#x017F;cheint,<lb/>
noch immer &#x017F;eine frühere blaue oder grüne Farbe behält. Dieß<lb/>
i&#x017F;t in der That der Fall mit den Beobachtungen, die man bisher<lb/>
darüber ange&#x017F;tellt hat, zum Bewei&#x017F;e, daß die&#x017F;e blaue oder grüne<lb/>
Farbe den kleineren Sternen eigenthümlich i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Indeß behauptet der jüngere Her&#x017F;chel, der doch &#x017F;o viele Er-<lb/>
fahrungen über die&#x017F;e Doppelge&#x017F;tirne ge&#x017F;ammelt hat, daß ihm<lb/>
durchaus noch kein Fall vorgekommen &#x017F;ey, wo der eine der beiden<lb/>
Doppel&#x017F;terne grün oder blau er&#x017F;chienen wäre, wenn er nicht zu-<lb/>
gleich <hi rendition="#g">&#x017F;ehr nahe</hi> bei einem größeren rothen oder gelben Sterne<lb/>
&#x017F;tand, wo al&#x017F;o jene Farbe des kleinen Sternes allerdings aus der<lb/>
complementären Farbe erklärt werden könnte. Ihm er&#x017F;cheinen,<lb/>
wie er ver&#x017F;ichert, alle Sterne weiß, deren Farbe &#x017F;ich nicht gegen<lb/>
gelb oder roth neigt, vorausge&#x017F;etzt, daß keine Lampe in der Nähe<lb/>
des Beobachters i&#x017F;t. Nach &#x017F;einer Behauptung &#x017F;ind alle Farben<lb/>
der Sterne nur aus dem <hi rendition="#g">unteren</hi> Ende des Spectrums genommen,<lb/>
wo das rothe und gelbe Licht i&#x017F;t und durchaus keine von dem<lb/>
oberen Ende, wo die blaue und grüne Farbe vorherr&#x017F;cht. Da<lb/>
aber andere Beobachter die&#x017F;e blaue und grüne Farbe &#x017F;o oft &#x017F;chon<lb/>
ge&#x017F;ehen haben, &#x017F;o glaubt er den Grund davon in der grünlichen<lb/>
Farbe des Krongla&#x017F;es zu finden, die man bei den achromati&#x017F;chen<lb/>
Fernröhren &#x017F;o oft antrifft. Allein die neueren Fernröhre von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0353] Doppelſterne. δ Orion iſt der große weiß und der kleine purpurroth; bei ε Ein- horn iſt der große gelb und der kleine blutroth; bei κ im ſüdlichen Schiffe Argo iſt umgekehrt, der große blau und der kleine dunkel- roth; auch findet man mehrere Doppelſterne, wo beide tief gelb, oder beide ſtark roth ſind u. ſ. w. Alle dieſe und viele andere Beiſpiele zeigen deutlich, daß die vorhergehende Muthmaßung nicht gegründet iſt, und daß wenigſtens bei ſehr vielen, wo nicht bei den meiſten Doppelſternen dieſer Unterſchied der Farben keine optiſche Täuſchung, ſondern eine dieſen Sternen ſelbſt zukommende Eigenthümlichkeit iſt. Auch gibt es ein einfaches Mittel, ſich von dieſer Eigen- thümlichkeit der Farben der Doppelſterne zu überzeugen. Man darf nur den größeren im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem daſelbſt ausgeſpannten dicken Faden bedecken und zuſehen, ob dann der kleine, wenn er auf dieſe Weiſe allein im Fernrohr erſcheint, noch immer ſeine frühere blaue oder grüne Farbe behält. Dieß iſt in der That der Fall mit den Beobachtungen, die man bisher darüber angeſtellt hat, zum Beweiſe, daß dieſe blaue oder grüne Farbe den kleineren Sternen eigenthümlich iſt. Indeß behauptet der jüngere Herſchel, der doch ſo viele Er- fahrungen über dieſe Doppelgeſtirne geſammelt hat, daß ihm durchaus noch kein Fall vorgekommen ſey, wo der eine der beiden Doppelſterne grün oder blau erſchienen wäre, wenn er nicht zu- gleich ſehr nahe bei einem größeren rothen oder gelben Sterne ſtand, wo alſo jene Farbe des kleinen Sternes allerdings aus der complementären Farbe erklärt werden könnte. Ihm erſcheinen, wie er verſichert, alle Sterne weiß, deren Farbe ſich nicht gegen gelb oder roth neigt, vorausgeſetzt, daß keine Lampe in der Nähe des Beobachters iſt. Nach ſeiner Behauptung ſind alle Farben der Sterne nur aus dem unteren Ende des Spectrums genommen, wo das rothe und gelbe Licht iſt und durchaus keine von dem oberen Ende, wo die blaue und grüne Farbe vorherrſcht. Da aber andere Beobachter dieſe blaue und grüne Farbe ſo oft ſchon geſehen haben, ſo glaubt er den Grund davon in der grünlichen Farbe des Kronglaſes zu finden, die man bei den achromatiſchen Fernröhren ſo oft antrifft. Allein die neueren Fernröhre von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/353
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/353>, abgerufen am 08.05.2024.