Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Kometen.
für ein sehr trügerisches Instrument hielt und es auch aus dieser
Ursache nie gebrauchen wollte, eiferte gewaltig gegen diese Ansicht,
die er als sehr thöricht verschrie, und wollte dafür die Kometen
als bloße Ausdünstungen der Planeten betrachtet wissen. Kepler
hielt sie, wohl nur in einer jener Stunden, in welchen er sich so
gern den lebhaften Spielen seiner Phantasie zu überlassen pflegte,
für Ungeheuer, die in den oberen Regionen der Luft, wie die Wall-
fische im Meere, herumschwimmen und sich von den bösen Dün-
sten nähren, welche zuweilen die Sonne verfinstern und unsere At-
mosphäre vergiften sollen, daher sie denn auch, wenn sie sich der
Erde zuweilen nähern, diese Dünste über sie ausathmen und Miß-
wachs und pestartige Krankheiten verursachen. Andere sogenannte
Astronomen behaupteten, daß die Kometen böse Dünste seyen, die
sich im Weltraume sammeln und dann von der Sonne angezogen
werden, wo sie, wie in einem Kessel ausgekocht, nach ihrer Rei-
nigung, als Planeten am Himmel glänzen. Claudius Comirs
läßt sie im Gegentheile aus der Sonne entstehen, und von derselben
wie Schaumblasen aus einem Schmelzofen, in die Höhe steigen,
wo sie sich dann so lange erhalten, bis sie platzen. Fromond sah
sie als Vorboten des Untergangs der Aristotelischen Philosophie
an, die damals, am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits in ih-
ren letzten Zügen lag. Licetus war der Ansicht, daß die Feuer-
säule, welche die Juden durch das rothe Meer führte, ein Komet
gewesen sey, der dem israelitischen Volke als Fackelträger zugege-
ben wurde. Damascenus sagt, cometas a Deo creari et mo-
veri, quo libuerit, per angelos ad terrendos mortales,
eine
Meinung, die Tannerus eine opinionem christiano philosopho
perquam dignissimam
nennt. Auf eine analoge Weise läßt der
spanische Mönch Valderama die Kometen durch eigene böse Geister
aus dem Höllenpfuhle herauf treiben, um dem sündigen Menschen-
geschlechte einen heilsamen Schrecken einzujagen.

Ich könnte leicht noch eine gute Anzahl dergleichen Dinge an-
führen, wenn nicht zu besorgen wäre, daß die Leser bereits eben
so müde sind, sie anzuhören, als ich sie zu erzählen. Die meisten
dieser Absurditäten vereinigen sich dahin, daß die Kometen Un-
glückspropheten sind und daß sie sich vorzüglich gern mit dem

Kometen.
für ein ſehr trügeriſches Inſtrument hielt und es auch aus dieſer
Urſache nie gebrauchen wollte, eiferte gewaltig gegen dieſe Anſicht,
die er als ſehr thöricht verſchrie, und wollte dafür die Kometen
als bloße Ausdünſtungen der Planeten betrachtet wiſſen. Kepler
hielt ſie, wohl nur in einer jener Stunden, in welchen er ſich ſo
gern den lebhaften Spielen ſeiner Phantaſie zu überlaſſen pflegte,
für Ungeheuer, die in den oberen Regionen der Luft, wie die Wall-
fiſche im Meere, herumſchwimmen und ſich von den böſen Dün-
ſten nähren, welche zuweilen die Sonne verfinſtern und unſere At-
moſphäre vergiften ſollen, daher ſie denn auch, wenn ſie ſich der
Erde zuweilen nähern, dieſe Dünſte über ſie ausathmen und Miß-
wachs und peſtartige Krankheiten verurſachen. Andere ſogenannte
Aſtronomen behaupteten, daß die Kometen böſe Dünſte ſeyen, die
ſich im Weltraume ſammeln und dann von der Sonne angezogen
werden, wo ſie, wie in einem Keſſel ausgekocht, nach ihrer Rei-
nigung, als Planeten am Himmel glänzen. Claudius Comirs
läßt ſie im Gegentheile aus der Sonne entſtehen, und von derſelben
wie Schaumblaſen aus einem Schmelzofen, in die Höhe ſteigen,
wo ſie ſich dann ſo lange erhalten, bis ſie platzen. Fromond ſah
ſie als Vorboten des Untergangs der Ariſtoteliſchen Philoſophie
an, die damals, am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits in ih-
ren letzten Zügen lag. Licetus war der Anſicht, daß die Feuer-
ſäule, welche die Juden durch das rothe Meer führte, ein Komet
geweſen ſey, der dem iſraelitiſchen Volke als Fackelträger zugege-
ben wurde. Damaſcenus ſagt, cometas a Deo creari et mo-
veri, quo libuerit, per angelos ad terrendos mortales,
eine
Meinung, die Tannerus eine opinionem christiano philosopho
perquam dignissimam
nennt. Auf eine analoge Weiſe läßt der
ſpaniſche Mönch Valderama die Kometen durch eigene böſe Geiſter
aus dem Höllenpfuhle herauf treiben, um dem ſündigen Menſchen-
geſchlechte einen heilſamen Schrecken einzujagen.

Ich könnte leicht noch eine gute Anzahl dergleichen Dinge an-
führen, wenn nicht zu beſorgen wäre, daß die Leſer bereits eben
ſo müde ſind, ſie anzuhören, als ich ſie zu erzählen. Die meiſten
dieſer Abſurditäten vereinigen ſich dahin, daß die Kometen Un-
glückspropheten ſind und daß ſie ſich vorzüglich gern mit dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0289" n="279"/><fw place="top" type="header">Kometen.</fw><lb/>
für ein &#x017F;ehr trügeri&#x017F;ches In&#x017F;trument hielt und es auch aus die&#x017F;er<lb/>
Ur&#x017F;ache nie gebrauchen wollte, eiferte gewaltig gegen die&#x017F;e An&#x017F;icht,<lb/>
die er als &#x017F;ehr thöricht ver&#x017F;chrie, und wollte dafür die Kometen<lb/>
als bloße Ausdün&#x017F;tungen der Planeten betrachtet wi&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#g">Kepler</hi><lb/>
hielt &#x017F;ie, wohl nur in einer jener Stunden, in welchen er &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
gern den lebhaften Spielen &#x017F;einer Phanta&#x017F;ie zu überla&#x017F;&#x017F;en pflegte,<lb/>
für Ungeheuer, die in den oberen Regionen der Luft, wie die Wall-<lb/>
fi&#x017F;che im Meere, herum&#x017F;chwimmen und &#x017F;ich von den bö&#x017F;en Dün-<lb/>
&#x017F;ten nähren, welche zuweilen die Sonne verfin&#x017F;tern und un&#x017F;ere At-<lb/>
mo&#x017F;phäre vergiften &#x017F;ollen, daher &#x017F;ie denn auch, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich der<lb/>
Erde zuweilen nähern, die&#x017F;e Dün&#x017F;te über &#x017F;ie ausathmen und Miß-<lb/>
wachs und pe&#x017F;tartige Krankheiten verur&#x017F;achen. Andere &#x017F;ogenannte<lb/>
A&#x017F;tronomen behaupteten, daß die Kometen bö&#x017F;e Dün&#x017F;te &#x017F;eyen, die<lb/>
&#x017F;ich im Weltraume &#x017F;ammeln und dann von der Sonne angezogen<lb/>
werden, wo &#x017F;ie, wie in einem Ke&#x017F;&#x017F;el ausgekocht, nach ihrer Rei-<lb/>
nigung, als Planeten am Himmel glänzen. Claudius Comirs<lb/>
läßt &#x017F;ie im Gegentheile aus der Sonne ent&#x017F;tehen, und von der&#x017F;elben<lb/>
wie Schaumbla&#x017F;en aus einem Schmelzofen, in die Höhe &#x017F;teigen,<lb/>
wo &#x017F;ie &#x017F;ich dann &#x017F;o lange erhalten, bis &#x017F;ie platzen. Fromond &#x017F;ah<lb/>
&#x017F;ie als Vorboten des Untergangs der Ari&#x017F;toteli&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie<lb/>
an, die damals, am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits in ih-<lb/>
ren letzten Zügen lag. Licetus war der An&#x017F;icht, daß die Feuer-<lb/>
&#x017F;äule, welche die Juden durch das rothe Meer führte, ein Komet<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ey, der dem i&#x017F;raeliti&#x017F;chen Volke als Fackelträger zugege-<lb/>
ben wurde. Dama&#x017F;cenus &#x017F;agt, <hi rendition="#aq">cometas a Deo creari et mo-<lb/>
veri, quo libuerit, per angelos ad terrendos mortales,</hi> eine<lb/>
Meinung, die Tannerus eine <hi rendition="#aq">opinionem christiano philosopho<lb/>
perquam dignissimam</hi> nennt. Auf eine analoge Wei&#x017F;e läßt der<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;che Mönch Valderama die Kometen durch eigene bö&#x017F;e Gei&#x017F;ter<lb/>
aus dem Höllenpfuhle herauf treiben, um dem &#x017F;ündigen Men&#x017F;chen-<lb/>
ge&#x017F;chlechte einen heil&#x017F;amen Schrecken einzujagen.</p><lb/>
            <p>Ich könnte leicht noch eine gute Anzahl dergleichen Dinge an-<lb/>
führen, wenn nicht zu be&#x017F;orgen wäre, daß die Le&#x017F;er bereits eben<lb/>
&#x017F;o müde &#x017F;ind, &#x017F;ie anzuhören, als ich &#x017F;ie zu erzählen. Die mei&#x017F;ten<lb/>
die&#x017F;er Ab&#x017F;urditäten vereinigen &#x017F;ich dahin, daß die Kometen Un-<lb/>
glückspropheten &#x017F;ind und daß &#x017F;ie &#x017F;ich vorzüglich gern mit dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0289] Kometen. für ein ſehr trügeriſches Inſtrument hielt und es auch aus dieſer Urſache nie gebrauchen wollte, eiferte gewaltig gegen dieſe Anſicht, die er als ſehr thöricht verſchrie, und wollte dafür die Kometen als bloße Ausdünſtungen der Planeten betrachtet wiſſen. Kepler hielt ſie, wohl nur in einer jener Stunden, in welchen er ſich ſo gern den lebhaften Spielen ſeiner Phantaſie zu überlaſſen pflegte, für Ungeheuer, die in den oberen Regionen der Luft, wie die Wall- fiſche im Meere, herumſchwimmen und ſich von den böſen Dün- ſten nähren, welche zuweilen die Sonne verfinſtern und unſere At- moſphäre vergiften ſollen, daher ſie denn auch, wenn ſie ſich der Erde zuweilen nähern, dieſe Dünſte über ſie ausathmen und Miß- wachs und peſtartige Krankheiten verurſachen. Andere ſogenannte Aſtronomen behaupteten, daß die Kometen böſe Dünſte ſeyen, die ſich im Weltraume ſammeln und dann von der Sonne angezogen werden, wo ſie, wie in einem Keſſel ausgekocht, nach ihrer Rei- nigung, als Planeten am Himmel glänzen. Claudius Comirs läßt ſie im Gegentheile aus der Sonne entſtehen, und von derſelben wie Schaumblaſen aus einem Schmelzofen, in die Höhe ſteigen, wo ſie ſich dann ſo lange erhalten, bis ſie platzen. Fromond ſah ſie als Vorboten des Untergangs der Ariſtoteliſchen Philoſophie an, die damals, am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits in ih- ren letzten Zügen lag. Licetus war der Anſicht, daß die Feuer- ſäule, welche die Juden durch das rothe Meer führte, ein Komet geweſen ſey, der dem iſraelitiſchen Volke als Fackelträger zugege- ben wurde. Damaſcenus ſagt, cometas a Deo creari et mo- veri, quo libuerit, per angelos ad terrendos mortales, eine Meinung, die Tannerus eine opinionem christiano philosopho perquam dignissimam nennt. Auf eine analoge Weiſe läßt der ſpaniſche Mönch Valderama die Kometen durch eigene böſe Geiſter aus dem Höllenpfuhle herauf treiben, um dem ſündigen Menſchen- geſchlechte einen heilſamen Schrecken einzujagen. Ich könnte leicht noch eine gute Anzahl dergleichen Dinge an- führen, wenn nicht zu beſorgen wäre, daß die Leſer bereits eben ſo müde ſind, ſie anzuhören, als ich ſie zu erzählen. Die meiſten dieſer Abſurditäten vereinigen ſich dahin, daß die Kometen Un- glückspropheten ſind und daß ſie ſich vorzüglich gern mit dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/289
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/289>, abgerufen am 25.11.2024.