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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.

§. 71. (Andere Betrachtungen über die Sicherheit dieser Me-
thode.) Wir wollen es nun versuchen, den Lesern im Allgemeinen,
und so weit dieß ohne Rechnung möglich ist, die Gründe aus
einander zu setzen, worin sich durch die Beobachtung dieser Durch-
gänge der Venus die Sonnenparallaxe mit so großer Genauigkeit
bestimmen läßt. Sey SS' (Fig. 6.) die Sonne, C oder C' die
Erde, und V oder V' der Mittelpunkt der Venus, welche b[e]ide
Planeten sich in ihren Bahnen zur Zeit der untern Conjunction
der letztern von Ost gegen West, oder von C nach C', und
von V nach V' bewegen, während der der Venus zugekehrte Punkt
der Erde in seiner täglichen Rotation von West nach Ost geht,
wie die der Figur beigesetzten Pfeile anzeigen. Die beiden geraden
Linien durch V und V' berühren den Rand der Venus, so wie
die beiden Linien bei S und S' den Rand der Sonne berühren.

Dieß vorausgesetzt, ist (I. §. 61) der Winkel AVC die Hori-
zontal-Parallaxe der Venus. Eigentlich sollte zwar der Punkt V
in dem Mittelpunkte der Venus liegen, aber man sieht von selbst,
daß dieser Winkel nur ganz unmerklich geändert werden wird,
wenn man den Punkt V in irgend einem Punkte der Peripherie
der Venus annimmt. Diesem Winkel ist aber auch der Winkel aVc
gleich, und da der letzte Winkel von dem Bogen ac am Himmel
gemessen wird, so kann man sagen, dieser Bogen ac stelle die
Parallaxe der Venus vor. Ganz eben so wird also auch die
Parallaxe der Sonne durch den Winkel ASC oder aSc, das heißt,
durch den Bogen ac vorgestellt werden. Es ist demnach ac die
Parallaxe der Venus, und ac die der Sonne, und daher aa die
Differenz dieser beiden Parallaxen, und zwar für den Augenblick,
wo ein Beobachter in dem Mittelpunkte C der Erde eben die
Venus ganz in dem östlichen Rande, und zwar in dem Punkte S
der Sonne eingetreten sieht. Ganz eben so ist auch a'c' die
Parallaxe der Sonne, und a'c' die der Venus, also auch a'a' die
Parallaxendifferenz für den Augenblick, wo für den Beobachter
C' im Mittelpunkte der Erde die Venus, so eben ganz aus
dem westlichen Rande der Sonne, und zwar in dem Punkte S',
ausgetreten ist.

Bei jenem Eintritte sieht also der Beobachter im Mittel-

Venus.

§. 71. (Andere Betrachtungen über die Sicherheit dieſer Me-
thode.) Wir wollen es nun verſuchen, den Leſern im Allgemeinen,
und ſo weit dieß ohne Rechnung möglich iſt, die Gründe aus
einander zu ſetzen, worin ſich durch die Beobachtung dieſer Durch-
gänge der Venus die Sonnenparallaxe mit ſo großer Genauigkeit
beſtimmen läßt. Sey SS' (Fig. 6.) die Sonne, C oder C' die
Erde, und V oder V' der Mittelpunkt der Venus, welche b[e]ide
Planeten ſich in ihren Bahnen zur Zeit der untern Conjunction
der letztern von Oſt gegen Weſt, oder von C nach C', und
von V nach V' bewegen, während der der Venus zugekehrte Punkt
der Erde in ſeiner täglichen Rotation von Weſt nach Oſt geht,
wie die der Figur beigeſetzten Pfeile anzeigen. Die beiden geraden
Linien durch V und V' berühren den Rand der Venus, ſo wie
die beiden Linien bei S und S' den Rand der Sonne berühren.

Dieß vorausgeſetzt, iſt (I. §. 61) der Winkel AVC die Hori-
zontal-Parallaxe der Venus. Eigentlich ſollte zwar der Punkt V
in dem Mittelpunkte der Venus liegen, aber man ſieht von ſelbſt,
daß dieſer Winkel nur ganz unmerklich geändert werden wird,
wenn man den Punkt V in irgend einem Punkte der Peripherie
der Venus annimmt. Dieſem Winkel iſt aber auch der Winkel αVc
gleich, und da der letzte Winkel von dem Bogen αc am Himmel
gemeſſen wird, ſo kann man ſagen, dieſer Bogen αc ſtelle die
Parallaxe der Venus vor. Ganz eben ſo wird alſo auch die
Parallaxe der Sonne durch den Winkel ASC oder aSc, das heißt,
durch den Bogen ac vorgeſtellt werden. Es iſt demnach αc die
Parallaxe der Venus, und ac die der Sonne, und daher aα die
Differenz dieſer beiden Parallaxen, und zwar für den Augenblick,
wo ein Beobachter in dem Mittelpunkte C der Erde eben die
Venus ganz in dem öſtlichen Rande, und zwar in dem Punkte S
der Sonne eingetreten ſieht. Ganz eben ſo iſt auch a'c' die
Parallaxe der Sonne, und a'c' die der Venus, alſo auch a'α' die
Parallaxendifferenz für den Augenblick, wo für den Beobachter
C' im Mittelpunkte der Erde die Venus, ſo eben ganz aus
dem weſtlichen Rande der Sonne, und zwar in dem Punkte S',
ausgetreten iſt.

Bei jenem Eintritte ſieht alſo der Beobachter im Mittel-

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[93/0103] Venus. §. 71. (Andere Betrachtungen über die Sicherheit dieſer Me- thode.) Wir wollen es nun verſuchen, den Leſern im Allgemeinen, und ſo weit dieß ohne Rechnung möglich iſt, die Gründe aus einander zu ſetzen, worin ſich durch die Beobachtung dieſer Durch- gänge der Venus die Sonnenparallaxe mit ſo großer Genauigkeit beſtimmen läßt. Sey SS' (Fig. 6.) die Sonne, C oder C' die Erde, und V oder V' der Mittelpunkt der Venus, welche beide Planeten ſich in ihren Bahnen zur Zeit der untern Conjunction der letztern von Oſt gegen Weſt, oder von C nach C', und von V nach V' bewegen, während der der Venus zugekehrte Punkt der Erde in ſeiner täglichen Rotation von Weſt nach Oſt geht, wie die der Figur beigeſetzten Pfeile anzeigen. Die beiden geraden Linien durch V und V' berühren den Rand der Venus, ſo wie die beiden Linien bei S und S' den Rand der Sonne berühren. Dieß vorausgeſetzt, iſt (I. §. 61) der Winkel AVC die Hori- zontal-Parallaxe der Venus. Eigentlich ſollte zwar der Punkt V in dem Mittelpunkte der Venus liegen, aber man ſieht von ſelbſt, daß dieſer Winkel nur ganz unmerklich geändert werden wird, wenn man den Punkt V in irgend einem Punkte der Peripherie der Venus annimmt. Dieſem Winkel iſt aber auch der Winkel αVc gleich, und da der letzte Winkel von dem Bogen αc am Himmel gemeſſen wird, ſo kann man ſagen, dieſer Bogen αc ſtelle die Parallaxe der Venus vor. Ganz eben ſo wird alſo auch die Parallaxe der Sonne durch den Winkel ASC oder aSc, das heißt, durch den Bogen ac vorgeſtellt werden. Es iſt demnach αc die Parallaxe der Venus, und ac die der Sonne, und daher aα die Differenz dieſer beiden Parallaxen, und zwar für den Augenblick, wo ein Beobachter in dem Mittelpunkte C der Erde eben die Venus ganz in dem öſtlichen Rande, und zwar in dem Punkte S der Sonne eingetreten ſieht. Ganz eben ſo iſt auch a'c' die Parallaxe der Sonne, und a'c' die der Venus, alſo auch a'α' die Parallaxendifferenz für den Augenblick, wo für den Beobachter C' im Mittelpunkte der Erde die Venus, ſo eben ganz aus dem weſtlichen Rande der Sonne, und zwar in dem Punkte S', ausgetreten iſt. Bei jenem Eintritte ſieht alſo der Beobachter im Mittel-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/103>, abgerufen am 23.11.2024.