Mangel und Noth und verheerende Seuchen füllen die Blätter der nächstfolgenden Jahrhunderte unserer Menschengeschichte.
Endlich, fünfzehn hundert Jahre nach dem Anfange unserer Zeitrechnung, schien der Genius des so lange verlassenen Ge- schlechtes wieder aus seinem tiefen Schlafe zu erwachen. Ueber das in Blut getränkte, und mit den Ruinen der Barbarei bedeckte Europa schwang er zum zweitenmale seine Fackel, nachdem er sie in Asien und Afrika, wie es scheint, für immer gelöscht hatte, und beleuchtete mit ihren wohlthätigen Strahlen neue, der Cultur ganz ungewohnte, der bisherigen Menschengeschichte ganz unbe- kannte Gegenden. Von ihrem Lichte geleitet entdeckte Columbus die neue Welt, und Copernicus das neue Planetensystem. Mit beiden war die Epoche eines anderen und besseren geselligen und geistigen Lebens angebrochen. Schon war, aus dem Schooße Deutschlands, die wichtigste aller Erfindungen hervorgegangen, die uns die Erhaltung aller übrigen sichern, und jeden Rückfall in die frühere Barbarei unmöglich machen sollte, während in Italien, unter den Medicäern, die Schriften der Griechen und Römer wieder aus ihren Gräbern stiegen, und die schönen Künste, von dem belebenden Geiste der Alten angehaucht, in einer fröhlichen Blüthe standen.
Drei Jahrhunderte sind seitdem verflossen, glänzende, ruhm- volle Jahrhunderte für das Menschengeschlecht, und noch beben die Saiten, noch vernimmt das geistige Ohr die Schwingungen der, in jener Epoche der Wiedergeburt, angeregten, himmlischen Töne. Noch sind wir, so wünschen, so hoffen wir, im Fortschreiten begriffen, und zu breit, zu tief fließt der Strom der Erkenntniß vor unsern Blicken, als daß eine Dämmung desselben, durch Wiederkehr der alten feindlichen Mächte, in unseren Tagen we- nigstens, befürchtet werden könnte.
Zwei Dinge sind es, sagt der unsterbliche Mann, der Deutsch- land zur philosophischen Schule Europas gemacht hat, zwei Dinge sind es, die vor allen andern würdig erscheinen, die Aufmerksamkeit des menschlichen Geistes zu fesseln, und die ihn mit immer neuer
Einleitung.
Mangel und Noth und verheerende Seuchen füllen die Blätter der nächſtfolgenden Jahrhunderte unſerer Menſchengeſchichte.
Endlich, fünfzehn hundert Jahre nach dem Anfange unſerer Zeitrechnung, ſchien der Genius des ſo lange verlaſſenen Ge- ſchlechtes wieder aus ſeinem tiefen Schlafe zu erwachen. Ueber das in Blut getränkte, und mit den Ruinen der Barbarei bedeckte Europa ſchwang er zum zweitenmale ſeine Fackel, nachdem er ſie in Aſien und Afrika, wie es ſcheint, für immer gelöſcht hatte, und beleuchtete mit ihren wohlthätigen Strahlen neue, der Cultur ganz ungewohnte, der bisherigen Menſchengeſchichte ganz unbe- kannte Gegenden. Von ihrem Lichte geleitet entdeckte Columbus die neue Welt, und Copernicus das neue Planetenſyſtem. Mit beiden war die Epoche eines anderen und beſſeren geſelligen und geiſtigen Lebens angebrochen. Schon war, aus dem Schooße Deutſchlands, die wichtigſte aller Erfindungen hervorgegangen, die uns die Erhaltung aller übrigen ſichern, und jeden Rückfall in die frühere Barbarei unmöglich machen ſollte, während in Italien, unter den Medicäern, die Schriften der Griechen und Römer wieder aus ihren Gräbern ſtiegen, und die ſchönen Künſte, von dem belebenden Geiſte der Alten angehaucht, in einer fröhlichen Blüthe ſtanden.
Drei Jahrhunderte ſind ſeitdem verfloſſen, glänzende, ruhm- volle Jahrhunderte für das Menſchengeſchlecht, und noch beben die Saiten, noch vernimmt das geiſtige Ohr die Schwingungen der, in jener Epoche der Wiedergeburt, angeregten, himmliſchen Töne. Noch ſind wir, ſo wünſchen, ſo hoffen wir, im Fortſchreiten begriffen, und zu breit, zu tief fließt der Strom der Erkenntniß vor unſern Blicken, als daß eine Dämmung deſſelben, durch Wiederkehr der alten feindlichen Mächte, in unſeren Tagen we- nigſtens, befürchtet werden könnte.
Zwei Dinge ſind es, ſagt der unſterbliche Mann, der Deutſch- land zur philoſophiſchen Schule Europas gemacht hat, zwei Dinge ſind es, die vor allen andern würdig erſcheinen, die Aufmerkſamkeit des menſchlichen Geiſtes zu feſſeln, und die ihn mit immer neuer
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Einleitung.
Mangel und Noth und verheerende Seuchen füllen die Blätter der
nächſtfolgenden Jahrhunderte unſerer Menſchengeſchichte.
Endlich, fünfzehn hundert Jahre nach dem Anfange unſerer
Zeitrechnung, ſchien der Genius des ſo lange verlaſſenen Ge-
ſchlechtes wieder aus ſeinem tiefen Schlafe zu erwachen. Ueber
das in Blut getränkte, und mit den Ruinen der Barbarei bedeckte
Europa ſchwang er zum zweitenmale ſeine Fackel, nachdem er ſie
in Aſien und Afrika, wie es ſcheint, für immer gelöſcht hatte, und
beleuchtete mit ihren wohlthätigen Strahlen neue, der Cultur
ganz ungewohnte, der bisherigen Menſchengeſchichte ganz unbe-
kannte Gegenden. Von ihrem Lichte geleitet entdeckte Columbus
die neue Welt, und Copernicus das neue Planetenſyſtem. Mit
beiden war die Epoche eines anderen und beſſeren geſelligen und
geiſtigen Lebens angebrochen. Schon war, aus dem Schooße
Deutſchlands, die wichtigſte aller Erfindungen hervorgegangen, die
uns die Erhaltung aller übrigen ſichern, und jeden Rückfall in die
frühere Barbarei unmöglich machen ſollte, während in Italien,
unter den Medicäern, die Schriften der Griechen und Römer
wieder aus ihren Gräbern ſtiegen, und die ſchönen Künſte, von
dem belebenden Geiſte der Alten angehaucht, in einer fröhlichen
Blüthe ſtanden.
Drei Jahrhunderte ſind ſeitdem verfloſſen, glänzende, ruhm-
volle Jahrhunderte für das Menſchengeſchlecht, und noch beben
die Saiten, noch vernimmt das geiſtige Ohr die Schwingungen
der, in jener Epoche der Wiedergeburt, angeregten, himmliſchen
Töne. Noch ſind wir, ſo wünſchen, ſo hoffen wir, im Fortſchreiten
begriffen, und zu breit, zu tief fließt der Strom der Erkenntniß
vor unſern Blicken, als daß eine Dämmung deſſelben, durch
Wiederkehr der alten feindlichen Mächte, in unſeren Tagen we-
nigſtens, befürchtet werden könnte.
Zwei Dinge ſind es, ſagt der unſterbliche Mann, der Deutſch-
land zur philoſophiſchen Schule Europas gemacht hat, zwei Dinge
ſind es, die vor allen andern würdig erſcheinen, die Aufmerkſamkeit des
menſchlichen Geiſtes zu feſſeln, und die ihn mit immer neuer
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/23>, abgerufen am 29.07.2024.
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