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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
eine Distanz von 4.261.000 Millionen oder, in runder Zahl, von
vier Billionen Meilen. Daraus folgt also, daß der nächste Fix-
stern wenigstens noch vier Billionen Meilen von uns entfernt seyn
müsse. Ja man könnte diese Distanz mit Recht noch verdoppeln,
da es sich hier, nicht um den Halbmesser, sondern um den Durch-
messer der Erdbahn handelt, aus dessen äußersten Endpunkten wir,
im Anfange und am Ende eines jeden halben Jahres, den Stern
beobachten können, wo wir dann den Winkel ALB (Fig. 11) gleich
zwei Secunden finden würden, wenn die jährliche Parallaxe ALC
nur eine einzige Secunde beträgt.

Bleiben wir, um gewiß nichts zu übertreiben, und dafür
desto sicherer zu geben, bei der ersten Bestimmung stehen und
wählen wir auch hier noch die kleineren runden Zahlen, so können
wir mit Bestimmtheit sagen, daß der nächste Fixstern wenigstens
noch 4 Billionen M. oder 200.000mal weiter, als die Sonne, von
uns entfernt seyn müsse. Der Kürze wegen wollen wir diese Entfer-
nung der Erde von der Sonne oder diese Distanz von 20.000.000 M.
eine Erdweite, und die 200.000mal größere des nächsten Fixsterns,
oder die Distanz von 4 Billionen M. eine Sternweite nennen.

Wenn aber die Größe dieser Erdweite, wie wir in §. 68 ge-
sehen haben, mit anderen sinnlichen Wahrnehmungen verglichen,
uns schon so ungemein groß erscheint, wie sollen wir erst diese
Entfernung des nächsten Fixsterns mit einem ihrer würdigen Na-
men nennen? Sie verhält sich zu einer Meile, wie 190.000 Jahre
zu einer Secunde; jenes schnell segelnde Schiff würde gegen 118
Millionen Jahre und jenes Rennpferd würde noch immer über
59 Millionen Jahre brauchen, um jene Distanz von dem Fixstern
bis zu uns zurückzulegen. Das Licht, dessen Geschwindigkeit die
größte ist, die wir in der Natur kennen, legt den Weg von der
Sonne zur Erde in 8 Minuten und 13 Secunden zurück; seine
Geschwindigkeit ist also gegen 38 Millionenmal größer, als die
jenes Schiffes, und doch würde es, um von dem Fixsterne bis zu
uns zu gelangen, auf seinem Wege mehr als drei volle Jahre zu-
bringen. Und dieß gilt nur von dem nächsten Fixsterne. Die
anderen können vielleicht noch viele Tausendmale weiter von uns
entfernt seyn, ja es ist nicht nur möglich, sondern selbst wahr-
scheinlich, daß es Fixsterne gibt, von welchen das Licht, ungeachtet

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Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
eine Diſtanz von 4.261.000 Millionen oder, in runder Zahl, von
vier Billionen Meilen. Daraus folgt alſo, daß der nächſte Fix-
ſtern wenigſtens noch vier Billionen Meilen von uns entfernt ſeyn
müſſe. Ja man könnte dieſe Diſtanz mit Recht noch verdoppeln,
da es ſich hier, nicht um den Halbmeſſer, ſondern um den Durch-
meſſer der Erdbahn handelt, aus deſſen äußerſten Endpunkten wir,
im Anfange und am Ende eines jeden halben Jahres, den Stern
beobachten können, wo wir dann den Winkel ALB (Fig. 11) gleich
zwei Secunden finden würden, wenn die jährliche Parallaxe ALC
nur eine einzige Secunde beträgt.

Bleiben wir, um gewiß nichts zu übertreiben, und dafür
deſto ſicherer zu geben, bei der erſten Beſtimmung ſtehen und
wählen wir auch hier noch die kleineren runden Zahlen, ſo können
wir mit Beſtimmtheit ſagen, daß der nächſte Fixſtern wenigſtens
noch 4 Billionen M. oder 200.000mal weiter, als die Sonne, von
uns entfernt ſeyn müſſe. Der Kürze wegen wollen wir dieſe Entfer-
nung der Erde von der Sonne oder dieſe Diſtanz von 20.000.000 M.
eine Erdweite, und die 200.000mal größere des nächſten Fixſterns,
oder die Diſtanz von 4 Billionen M. eine Sternweite nennen.

Wenn aber die Größe dieſer Erdweite, wie wir in §. 68 ge-
ſehen haben, mit anderen ſinnlichen Wahrnehmungen verglichen,
uns ſchon ſo ungemein groß erſcheint, wie ſollen wir erſt dieſe
Entfernung des nächſten Fixſterns mit einem ihrer würdigen Na-
men nennen? Sie verhält ſich zu einer Meile, wie 190.000 Jahre
zu einer Secunde; jenes ſchnell ſegelnde Schiff würde gegen 118
Millionen Jahre und jenes Rennpferd würde noch immer über
59 Millionen Jahre brauchen, um jene Diſtanz von dem Fixſtern
bis zu uns zurückzulegen. Das Licht, deſſen Geſchwindigkeit die
größte iſt, die wir in der Natur kennen, legt den Weg von der
Sonne zur Erde in 8 Minuten und 13 Secunden zurück; ſeine
Geſchwindigkeit iſt alſo gegen 38 Millionenmal größer, als die
jenes Schiffes, und doch würde es, um von dem Fixſterne bis zu
uns zu gelangen, auf ſeinem Wege mehr als drei volle Jahre zu-
bringen. Und dieß gilt nur von dem nächſten Fixſterne. Die
anderen können vielleicht noch viele Tauſendmale weiter von uns
entfernt ſeyn, ja es iſt nicht nur möglich, ſondern ſelbſt wahr-
ſcheinlich, daß es Fixſterne gibt, von welchen das Licht, ungeachtet

11 *
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[163/0175] Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde. eine Diſtanz von 4.261.000 Millionen oder, in runder Zahl, von vier Billionen Meilen. Daraus folgt alſo, daß der nächſte Fix- ſtern wenigſtens noch vier Billionen Meilen von uns entfernt ſeyn müſſe. Ja man könnte dieſe Diſtanz mit Recht noch verdoppeln, da es ſich hier, nicht um den Halbmeſſer, ſondern um den Durch- meſſer der Erdbahn handelt, aus deſſen äußerſten Endpunkten wir, im Anfange und am Ende eines jeden halben Jahres, den Stern beobachten können, wo wir dann den Winkel ALB (Fig. 11) gleich zwei Secunden finden würden, wenn die jährliche Parallaxe ALC nur eine einzige Secunde beträgt. Bleiben wir, um gewiß nichts zu übertreiben, und dafür deſto ſicherer zu geben, bei der erſten Beſtimmung ſtehen und wählen wir auch hier noch die kleineren runden Zahlen, ſo können wir mit Beſtimmtheit ſagen, daß der nächſte Fixſtern wenigſtens noch 4 Billionen M. oder 200.000mal weiter, als die Sonne, von uns entfernt ſeyn müſſe. Der Kürze wegen wollen wir dieſe Entfer- nung der Erde von der Sonne oder dieſe Diſtanz von 20.000.000 M. eine Erdweite, und die 200.000mal größere des nächſten Fixſterns, oder die Diſtanz von 4 Billionen M. eine Sternweite nennen. Wenn aber die Größe dieſer Erdweite, wie wir in §. 68 ge- ſehen haben, mit anderen ſinnlichen Wahrnehmungen verglichen, uns ſchon ſo ungemein groß erſcheint, wie ſollen wir erſt dieſe Entfernung des nächſten Fixſterns mit einem ihrer würdigen Na- men nennen? Sie verhält ſich zu einer Meile, wie 190.000 Jahre zu einer Secunde; jenes ſchnell ſegelnde Schiff würde gegen 118 Millionen Jahre und jenes Rennpferd würde noch immer über 59 Millionen Jahre brauchen, um jene Diſtanz von dem Fixſtern bis zu uns zurückzulegen. Das Licht, deſſen Geſchwindigkeit die größte iſt, die wir in der Natur kennen, legt den Weg von der Sonne zur Erde in 8 Minuten und 13 Secunden zurück; ſeine Geſchwindigkeit iſt alſo gegen 38 Millionenmal größer, als die jenes Schiffes, und doch würde es, um von dem Fixſterne bis zu uns zu gelangen, auf ſeinem Wege mehr als drei volle Jahre zu- bringen. Und dieß gilt nur von dem nächſten Fixſterne. Die anderen können vielleicht noch viele Tauſendmale weiter von uns entfernt ſeyn, ja es iſt nicht nur möglich, ſondern ſelbſt wahr- ſcheinlich, daß es Fixſterne gibt, von welchen das Licht, ungeachtet 11 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/175>, abgerufen am 28.03.2024.