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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
geben (Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz § 20). Das gilt auch
von dem Gesandtschaftshotel (bestritten). Erhebung der Klage vor
den Gerichten des Empfangsstaates und Einlassung auf diese durch
den Gesandten gilt als der, mit der Ermächtigung seiner Regierung
erfolgte, Verzicht auf die Befreiung in diesem einzelnen Rechts-
streit.

Abweichend Martens-Bergbohm II 56 u. a., welche ausdrückliche Er-
mächtigung seitens des Absendestaates verlangen.

Die Zustellung muss aber auch in diesem Falle auf diplo-
matischem Wege erfolgen; Versäumnis steht der Einlassung nicht
gleich; die Zwangsvollstreckung ist ausgeschlossen, soweit ihr die
persönliche Unantastbarkeit des Gesandten und die Unbetretbarkeit
seiner Wohnung im Wege steht, während sie in die übrigen un-
beweglichen Güter, die der Gesandte im Empfangsstaat besitzt und
in die ausserhalb seiner Wohnung befindlichen, beweglichen Güter
(so in die Wertpapiere, die er bei einem Bankhause niedergelegt
hat) ebenso möglich ist, wie in das Vermögen, das der Gesandte
im Absendestaat besitzt.

Wenn der Gesandte mit Zustimmung seines Absendestaates
im Empfangsstaat Handel oder Gewerbe betreibt, so muss ange-
nommen werden, dass er auf die Befreiung von der inländischen
Civilgerichtsbarkeit in allen Rechtsstreitigkeiten verzichtet, nicht
nur in denjenigen, die aus dem Betrieb des Handels und Gewerbes
sich ergeben. Auch in diesem Falle gelten aber die soeben auf-
gestellten Einschränkungen.

Das Gegenstück zu der Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des Empfangsstaates bildet der ebenso durch das Völkerrecht wie
durch das nationale Staatsrecht der Kulturstaaten allgemein an-
erkannte Satz, dass der Gesandte wegen aller von ihm begangenen
Delikte in seinem Heimatstaat nach dessen Gesetzen verantwortlich
gemacht, und dass er wegen aller von ihm eingegangenen privat-
rechtlichen Verpflichtungen vor den Gerichten des Heimatstaates
verfolgt werden kann. Seine Befreiung ist nicht Befreiung von
der Herrschaft des Gesetzes überhaupt, sondern Befreiung von den

II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
geben (Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz § 20). Das gilt auch
von dem Gesandtschaftshotel (bestritten). Erhebung der Klage vor
den Gerichten des Empfangsstaates und Einlassung auf diese durch
den Gesandten gilt als der, mit der Ermächtigung seiner Regierung
erfolgte, Verzicht auf die Befreiung in diesem einzelnen Rechts-
streit.

Abweichend Martens-Bergbohm II 56 u. a., welche ausdrückliche Er-
mächtigung seitens des Absendestaates verlangen.

Die Zustellung muſs aber auch in diesem Falle auf diplo-
matischem Wege erfolgen; Versäumnis steht der Einlassung nicht
gleich; die Zwangsvollstreckung ist ausgeschlossen, soweit ihr die
persönliche Unantastbarkeit des Gesandten und die Unbetretbarkeit
seiner Wohnung im Wege steht, während sie in die übrigen un-
beweglichen Güter, die der Gesandte im Empfangsstaat besitzt und
in die auſserhalb seiner Wohnung befindlichen, beweglichen Güter
(so in die Wertpapiere, die er bei einem Bankhause niedergelegt
hat) ebenso möglich ist, wie in das Vermögen, das der Gesandte
im Absendestaat besitzt.

Wenn der Gesandte mit Zustimmung seines Absendestaates
im Empfangsstaat Handel oder Gewerbe betreibt, so muſs ange-
nommen werden, daſs er auf die Befreiung von der inländischen
Civilgerichtsbarkeit in allen Rechtsstreitigkeiten verzichtet, nicht
nur in denjenigen, die aus dem Betrieb des Handels und Gewerbes
sich ergeben. Auch in diesem Falle gelten aber die soeben auf-
gestellten Einschränkungen.

Das Gegenstück zu der Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des Empfangsstaates bildet der ebenso durch das Völkerrecht wie
durch das nationale Staatsrecht der Kulturstaaten allgemein an-
erkannte Satz, daſs der Gesandte wegen aller von ihm begangenen
Delikte in seinem Heimatstaat nach dessen Gesetzen verantwortlich
gemacht, und daſs er wegen aller von ihm eingegangenen privat-
rechtlichen Verpflichtungen vor den Gerichten des Heimatstaates
verfolgt werden kann. Seine Befreiung ist nicht Befreiung von
der Herrschaft des Gesetzes überhaupt, sondern Befreiung von den

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[78/0100] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. geben (Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz § 20). Das gilt auch von dem Gesandtschaftshotel (bestritten). Erhebung der Klage vor den Gerichten des Empfangsstaates und Einlassung auf diese durch den Gesandten gilt als der, mit der Ermächtigung seiner Regierung erfolgte, Verzicht auf die Befreiung in diesem einzelnen Rechts- streit. Abweichend Martens-Bergbohm II 56 u. a., welche ausdrückliche Er- mächtigung seitens des Absendestaates verlangen. Die Zustellung muſs aber auch in diesem Falle auf diplo- matischem Wege erfolgen; Versäumnis steht der Einlassung nicht gleich; die Zwangsvollstreckung ist ausgeschlossen, soweit ihr die persönliche Unantastbarkeit des Gesandten und die Unbetretbarkeit seiner Wohnung im Wege steht, während sie in die übrigen un- beweglichen Güter, die der Gesandte im Empfangsstaat besitzt und in die auſserhalb seiner Wohnung befindlichen, beweglichen Güter (so in die Wertpapiere, die er bei einem Bankhause niedergelegt hat) ebenso möglich ist, wie in das Vermögen, das der Gesandte im Absendestaat besitzt. Wenn der Gesandte mit Zustimmung seines Absendestaates im Empfangsstaat Handel oder Gewerbe betreibt, so muſs ange- nommen werden, daſs er auf die Befreiung von der inländischen Civilgerichtsbarkeit in allen Rechtsstreitigkeiten verzichtet, nicht nur in denjenigen, die aus dem Betrieb des Handels und Gewerbes sich ergeben. Auch in diesem Falle gelten aber die soeben auf- gestellten Einschränkungen. Das Gegenstück zu der Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates bildet der ebenso durch das Völkerrecht wie durch das nationale Staatsrecht der Kulturstaaten allgemein an- erkannte Satz, daſs der Gesandte wegen aller von ihm begangenen Delikte in seinem Heimatstaat nach dessen Gesetzen verantwortlich gemacht, und daſs er wegen aller von ihm eingegangenen privat- rechtlichen Verpflichtungen vor den Gerichten des Heimatstaates verfolgt werden kann. Seine Befreiung ist nicht Befreiung von der Herrschaft des Gesetzes überhaupt, sondern Befreiung von den

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/100>, abgerufen am 22.11.2024.