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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Einleitung. II. Das Strafgesetz.
lichkeit und Nützlichkeit einer gemeinsamen Civil- und Kri-
minalgesetzgebung zu erörtern, hatte kein anderes Resultat,
als daß der Ausschußbericht vom 12. August 1861 das Vor-
handensein eines "sehr dringenden Bedürfnisses" nach einem
allg. deutschen StGB. in Abrede stellte.

III. Es scheint, daß dieselbe Ansicht in den maßgebenden
Kreisen noch herrschte, als der Entwurf einer Norddeutschen
Bundesverfassung aufgestellt wurde. Der Art. 4 Nr. 13,
welcher Civilprozeßordnung und Konkursverfahren, Wechsel-
und Handelsrecht der gemeinsamen Gesetzgebung unterstellte,
erwähnte das Strafrecht nicht. Es ist ein bleibendes Ver-
dienst Lasker's, durch ein von ihm gestelltes und von dem
konstituirenden Reichstage angenommenes Amendement die
Einbeziehung des Strafrechts in das Gebiet der gemeinsamen
Gesetzgebung veranlaßt zu haben (Art. 4 Nr. 13 der Bundes-
verf. vom 26. Juli 1867).

In kurzer Frist kam die Angelegenheit in Fluß. Auf
Grund eines von den Abgeordneten Wagner und Planck
gestellten Antrages beschloß der Reichstag am 18. April 1868,
"den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinsamen
Strafrechtes und eines gemeinsamen Strafprozesses, sowie
der dadurch bedingten Vorschriften der Gerichtsorganisation
baldthunlichst vorbereiten und dem Reichstage vorlegen zu
lassen." Nachdem der Bundesrat am 5. Juni 1868 diesem
Beschlusse beigetreten war, ersuchte der Bundeskanzler in dem
Schreiben vom 17. Juni 1868 den preußischen Justizminister
Dr. Leonhardt, die Ausarbeitung des Entwurfs eines
Strafgesetzbuches zu veranlassen.

1. Die Ausarbeitung wurde dem damaligen Geheimen
Oberjustizrathe Dr. Friedberg übertragen; Gerichtsassessor
Dr. Rubo und Kreisrichter Rüdorff wurden als Hülfs-

Einleitung. II. Das Strafgeſetz.
lichkeit und Nützlichkeit einer gemeinſamen Civil- und Kri-
minalgeſetzgebung zu erörtern, hatte kein anderes Reſultat,
als daß der Ausſchußbericht vom 12. Auguſt 1861 das Vor-
handenſein eines „ſehr dringenden Bedürfniſſes“ nach einem
allg. deutſchen StGB. in Abrede ſtellte.

III. Es ſcheint, daß dieſelbe Anſicht in den maßgebenden
Kreiſen noch herrſchte, als der Entwurf einer Norddeutſchen
Bundesverfaſſung aufgeſtellt wurde. Der Art. 4 Nr. 13,
welcher Civilprozeßordnung und Konkursverfahren, Wechſel-
und Handelsrecht der gemeinſamen Geſetzgebung unterſtellte,
erwähnte das Strafrecht nicht. Es iſt ein bleibendes Ver-
dienſt Lasker’s, durch ein von ihm geſtelltes und von dem
konſtituirenden Reichstage angenommenes Amendement die
Einbeziehung des Strafrechts in das Gebiet der gemeinſamen
Geſetzgebung veranlaßt zu haben (Art. 4 Nr. 13 der Bundes-
verf. vom 26. Juli 1867).

In kurzer Friſt kam die Angelegenheit in Fluß. Auf
Grund eines von den Abgeordneten Wagner und Planck
geſtellten Antrages beſchloß der Reichstag am 18. April 1868,
„den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinſamen
Strafrechtes und eines gemeinſamen Strafprozeſſes, ſowie
der dadurch bedingten Vorſchriften der Gerichtsorganiſation
baldthunlichſt vorbereiten und dem Reichstage vorlegen zu
laſſen.“ Nachdem der Bundesrat am 5. Juni 1868 dieſem
Beſchluſſe beigetreten war, erſuchte der Bundeskanzler in dem
Schreiben vom 17. Juni 1868 den preußiſchen Juſtizminiſter
Dr. Leonhardt, die Ausarbeitung des Entwurfs eines
Strafgeſetzbuches zu veranlaſſen.

1. Die Ausarbeitung wurde dem damaligen Geheimen
Oberjuſtizrathe Dr. Friedberg übertragen; Gerichtsaſſeſſor
Dr. Rubo und Kreisrichter Rüdorff wurden als Hülfs-

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[30/0056] Einleitung. II. Das Strafgeſetz. lichkeit und Nützlichkeit einer gemeinſamen Civil- und Kri- minalgeſetzgebung zu erörtern, hatte kein anderes Reſultat, als daß der Ausſchußbericht vom 12. Auguſt 1861 das Vor- handenſein eines „ſehr dringenden Bedürfniſſes“ nach einem allg. deutſchen StGB. in Abrede ſtellte. III. Es ſcheint, daß dieſelbe Anſicht in den maßgebenden Kreiſen noch herrſchte, als der Entwurf einer Norddeutſchen Bundesverfaſſung aufgeſtellt wurde. Der Art. 4 Nr. 13, welcher Civilprozeßordnung und Konkursverfahren, Wechſel- und Handelsrecht der gemeinſamen Geſetzgebung unterſtellte, erwähnte das Strafrecht nicht. Es iſt ein bleibendes Ver- dienſt Lasker’s, durch ein von ihm geſtelltes und von dem konſtituirenden Reichstage angenommenes Amendement die Einbeziehung des Strafrechts in das Gebiet der gemeinſamen Geſetzgebung veranlaßt zu haben (Art. 4 Nr. 13 der Bundes- verf. vom 26. Juli 1867). In kurzer Friſt kam die Angelegenheit in Fluß. Auf Grund eines von den Abgeordneten Wagner und Planck geſtellten Antrages beſchloß der Reichstag am 18. April 1868, „den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinſamen Strafrechtes und eines gemeinſamen Strafprozeſſes, ſowie der dadurch bedingten Vorſchriften der Gerichtsorganiſation baldthunlichſt vorbereiten und dem Reichstage vorlegen zu laſſen.“ Nachdem der Bundesrat am 5. Juni 1868 dieſem Beſchluſſe beigetreten war, erſuchte der Bundeskanzler in dem Schreiben vom 17. Juni 1868 den preußiſchen Juſtizminiſter Dr. Leonhardt, die Ausarbeitung des Entwurfs eines Strafgeſetzbuches zu veranlaſſen. 1. Die Ausarbeitung wurde dem damaligen Geheimen Oberjuſtizrathe Dr. Friedberg übertragen; Gerichtsaſſeſſor Dr. Rubo und Kreisrichter Rüdorff wurden als Hülfs-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/56>, abgerufen am 29.03.2024.