Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Strafaufhebungsgründe. §. 57.
b) Abstehen vom Zweikampfe und Bemühung um Ver-
hinderung desselben StGB. §§. 204 und 209;
c) Rechtzeitiges Löschen des bereits ausgebrochenen Bran-
des StGB. §. 310.

IV. 1. Die Begnadigung.3 Der Verzicht des Straf-
anspruchs-Berechtigten auf den ihm erwachsenen Anspruch ist
im modernen Strafrechte in ziemlich planloser Weise zur
Ausgleichung des abstrakten Rechts mit der Billigkeit im
konkreten Falle verwertet. Träger des Begnadigungsrechtes
ist nach dieser Auffassung der Anspruchsberechtigte, mithin in
allen Fällen (auch in jenen der Antragsdelikte und der Pri-
vatklage) der Staat. Dieser übt das Begnadigungsrecht
aus durch den Souverän; also das Reich durch den Kaiser,
die einzelnen Bundesstaaten durch ihre Monarchen, bez. die
Senate von Bremen, Hamburg, Lübeck.

2. Man unterscheidet:

a) Völligen und teilweisen Verzicht auf den Anspruch
(Nachlaß oder Milderung der Strafe).
b) Einzelbegnadigung und die mehrere, persönlich
oder sachlich umgrenzte Gebiete umfassende Amnestie.
c) Abolition: Niederschlagung der Strafverfolgung;4
Begnadigung im engeren Sinne: Erlaß der rechts-
kräftig erkannten Strafe; Restitution: gänzlicher
oder teilweiser Erlaß der Ehrennebenstrafe.

3. Dem Kaiser steht das Begnadigungsrecht (nicht die
Abolition, wohl aber auch die Restitution) zu in folgenden
Fällen:

3 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 167. Dazu Geyer
HR. "Begnadigung".
4 [Spaltenumbruch] Also Verzicht auf den mög-
licherweise
vorhandenen Straf-
anspruch und schon darum irra-
tionell.
Die Strafaufhebungsgründe. §. 57.
b) Abſtehen vom Zweikampfe und Bemühung um Ver-
hinderung desſelben StGB. §§. 204 und 209;
c) Rechtzeitiges Löſchen des bereits ausgebrochenen Bran-
des StGB. §. 310.

IV. 1. Die Begnadigung.3 Der Verzicht des Straf-
anſpruchs-Berechtigten auf den ihm erwachſenen Anſpruch iſt
im modernen Strafrechte in ziemlich planloſer Weiſe zur
Ausgleichung des abſtrakten Rechts mit der Billigkeit im
konkreten Falle verwertet. Träger des Begnadigungsrechtes
iſt nach dieſer Auffaſſung der Anſpruchsberechtigte, mithin in
allen Fällen (auch in jenen der Antragsdelikte und der Pri-
vatklage) der Staat. Dieſer übt das Begnadigungsrecht
aus durch den Souverän; alſo das Reich durch den Kaiſer,
die einzelnen Bundesſtaaten durch ihre Monarchen, bez. die
Senate von Bremen, Hamburg, Lübeck.

2. Man unterſcheidet:

a) Völligen und teilweiſen Verzicht auf den Anſpruch
(Nachlaß oder Milderung der Strafe).
b) Einzelbegnadigung und die mehrere, perſönlich
oder ſachlich umgrenzte Gebiete umfaſſende Amneſtie.
c) Abolition: Niederſchlagung der Strafverfolgung;4
Begnadigung im engeren Sinne: Erlaß der rechts-
kräftig erkannten Strafe; Reſtitution: gänzlicher
oder teilweiſer Erlaß der Ehrennebenſtrafe.

3. Dem Kaiſer ſteht das Begnadigungsrecht (nicht die
Abolition, wohl aber auch die Reſtitution) zu in folgenden
Fällen:

3 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 167. Dazu Geyer
HR. „Begnadigung“.
4 [Spaltenumbruch] Alſo Verzicht auf den mög-
licherweiſe
vorhandenen Straf-
anſpruch und ſchon darum irra-
tionell.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0247" n="221"/>
              <fw place="top" type="header">Die Strafaufhebungsgründe. §. 57.</fw><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">b</hi>) Ab&#x017F;tehen vom Zweikampfe und Bemühung um Ver-<lb/>
hinderung des&#x017F;elben StGB. §§. 204 und 209;</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c</hi>) Rechtzeitiges Lö&#x017F;chen des bereits ausgebrochenen Bran-<lb/>
des StGB. §. 310.</item>
              </list><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> 1. Die <hi rendition="#g">Begnadigung</hi>.<note place="foot" n="3"><cb/>
Lit. bei <hi rendition="#g">Binding</hi> Grund-<lb/>
riß S. 167. Dazu <hi rendition="#g">Geyer</hi><lb/>
HR. &#x201E;Begnadigung&#x201C;.</note> Der Verzicht des Straf-<lb/>
an&#x017F;pruchs-Berechtigten auf den ihm erwach&#x017F;enen An&#x017F;pruch i&#x017F;t<lb/>
im modernen Strafrechte in ziemlich planlo&#x017F;er Wei&#x017F;e zur<lb/>
Ausgleichung des ab&#x017F;trakten Rechts mit der Billigkeit im<lb/>
konkreten Falle verwertet. Träger des Begnadigungsrechtes<lb/>
i&#x017F;t nach die&#x017F;er Auffa&#x017F;&#x017F;ung der An&#x017F;pruchsberechtigte, mithin in<lb/>
allen Fällen (auch in jenen der Antragsdelikte und der Pri-<lb/>
vatklage) der Staat. Die&#x017F;er übt das Begnadigungsrecht<lb/>
aus durch den Souverän; al&#x017F;o das Reich durch den Kai&#x017F;er,<lb/>
die einzelnen Bundes&#x017F;taaten durch ihre Monarchen, bez. die<lb/>
Senate von Bremen, Hamburg, Lübeck.</p><lb/>
              <p>2. Man unter&#x017F;cheidet:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a</hi>) <hi rendition="#g">Völligen</hi> und <hi rendition="#g">teilwei&#x017F;en</hi> Verzicht auf den An&#x017F;pruch<lb/>
(Nachlaß oder Milderung der Strafe).</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Einzelbegnadigung</hi> und die mehrere, per&#x017F;önlich<lb/>
oder &#x017F;achlich umgrenzte Gebiete umfa&#x017F;&#x017F;ende <hi rendition="#g">Amne&#x017F;tie</hi>.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c</hi>) <hi rendition="#g">Abolition</hi>: Nieder&#x017F;chlagung der Strafverfolgung;<note place="foot" n="4"><cb/>
Al&#x017F;o Verzicht auf den <hi rendition="#g">mög-<lb/>
licherwei&#x017F;e</hi> vorhandenen Straf-<lb/>
an&#x017F;pruch und &#x017F;chon darum irra-<lb/>
tionell.</note><lb/><hi rendition="#g">Begnadigung</hi> im engeren Sinne: Erlaß der rechts-<lb/>
kräftig erkannten Strafe; <hi rendition="#g">Re&#x017F;titution</hi>: gänzlicher<lb/>
oder teilwei&#x017F;er Erlaß der Ehrenneben&#x017F;trafe.</item>
              </list><lb/>
              <p>3. Dem <hi rendition="#g">Kai&#x017F;er</hi> &#x017F;teht das Begnadigungsrecht (nicht die<lb/>
Abolition, wohl aber auch die Re&#x017F;titution) zu in folgenden<lb/>
Fällen:</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0247] Die Strafaufhebungsgründe. §. 57. b) Abſtehen vom Zweikampfe und Bemühung um Ver- hinderung desſelben StGB. §§. 204 und 209; c) Rechtzeitiges Löſchen des bereits ausgebrochenen Bran- des StGB. §. 310. IV. 1. Die Begnadigung. 3 Der Verzicht des Straf- anſpruchs-Berechtigten auf den ihm erwachſenen Anſpruch iſt im modernen Strafrechte in ziemlich planloſer Weiſe zur Ausgleichung des abſtrakten Rechts mit der Billigkeit im konkreten Falle verwertet. Träger des Begnadigungsrechtes iſt nach dieſer Auffaſſung der Anſpruchsberechtigte, mithin in allen Fällen (auch in jenen der Antragsdelikte und der Pri- vatklage) der Staat. Dieſer übt das Begnadigungsrecht aus durch den Souverän; alſo das Reich durch den Kaiſer, die einzelnen Bundesſtaaten durch ihre Monarchen, bez. die Senate von Bremen, Hamburg, Lübeck. 2. Man unterſcheidet: a) Völligen und teilweiſen Verzicht auf den Anſpruch (Nachlaß oder Milderung der Strafe). b) Einzelbegnadigung und die mehrere, perſönlich oder ſachlich umgrenzte Gebiete umfaſſende Amneſtie. c) Abolition: Niederſchlagung der Strafverfolgung; 4 Begnadigung im engeren Sinne: Erlaß der rechts- kräftig erkannten Strafe; Reſtitution: gänzlicher oder teilweiſer Erlaß der Ehrennebenſtrafe. 3. Dem Kaiſer ſteht das Begnadigungsrecht (nicht die Abolition, wohl aber auch die Reſtitution) zu in folgenden Fällen: 3 Lit. bei Binding Grund- riß S. 167. Dazu Geyer HR. „Begnadigung“. 4 Alſo Verzicht auf den mög- licherweiſe vorhandenen Straf- anſpruch und ſchon darum irra- tionell.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/247
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/247>, abgerufen am 21.11.2024.