brechensthatbestände bildet, so ist die konkrete Handlung nur unter diesen zusammengesetzten Thatbestand, nicht aber unter dessen Elemente zu subsumieren. So ist der Begriff des Raubes aus Diebstahl und Nötigung, der der Erpressung aus Nötigung und Verletzung der Geschlechtsehre des Weibes zusammengesetzt; gewaltsame Sachentziehung, erzwungener Beischlaf sind darum immer nur als Raub oder Notzucht aufzufassen.
c)Die qualifizierte Normübertretung absor- biert die einfache, die schwerere vernichtet die leichtere. Einbruchsdiebstahl ist nur nach §. 243 StGB. zu beurteilen; wer die falschen Schlüssel geliefert und dann mit dem Andern selbst gestohlen hat, kommt nur als Mit- thäter, nicht auch als Gehülfe in Betracht (vgl. oben §. 35 V); vollendeter Zweikampf schließt die Anwendung des §. 201 StGB.; vollendeter Hochverrath die der §§. 83--86 StGB. aus; umgekehrt wird beim sog. Versicherungsbetrug StGB. §. 265 durch die schwere Vorbereitungshandlung (Brandstiftung) die etwa später eintretende Vollendung des Betruges absorbiert.
d) Wenn zwei zum Schutze desselben Rechtsgutes be- stimmte Normen zu einander in dem Verhältnisse von all- gemeiner Norm (oben §. 3 II 1) und Gehorsamsnorm (oben §. 3 II 2 u. 3) stehen, und dieselbe Handlung beide Normen verletzt, so ist nur die Uebertretung der allgemeinen Norm ins Auge zu fassen. Wer z. B. durch schnelles Fahren einen Menschen getötet hat, ist nur nach §. 222, nicht auch nach §. 366 Ziff. 2 StGB. zu bestrafen.
III. Diese Regel aber läßt uns in all' den zahlreichen Fällen im Stiche, in welchen keiner der in Frage kommenden Thatbestände dem konkreten Falle gerecht wird, keine ihn er-
Die Einheit des Verbr. Idealkonkurrenz. §. 40.
brechensthatbeſtände bildet, ſo iſt die konkrete Handlung nur unter dieſen zuſammengeſetzten Thatbeſtand, nicht aber unter deſſen Elemente zu ſubſumieren. So iſt der Begriff des Raubes aus Diebſtahl und Nötigung, der der Erpreſſung aus Nötigung und Verletzung der Geſchlechtsehre des Weibes zuſammengeſetzt; gewaltſame Sachentziehung, erzwungener Beiſchlaf ſind darum immer nur als Raub oder Notzucht aufzufaſſen.
c)Die qualifizierte Normübertretung abſor- biert die einfache, die ſchwerere vernichtet die leichtere. Einbruchsdiebſtahl iſt nur nach §. 243 StGB. zu beurteilen; wer die falſchen Schlüſſel geliefert und dann mit dem Andern ſelbſt geſtohlen hat, kommt nur als Mit- thäter, nicht auch als Gehülfe in Betracht (vgl. oben §. 35 V); vollendeter Zweikampf ſchließt die Anwendung des §. 201 StGB.; vollendeter Hochverrath die der §§. 83—86 StGB. aus; umgekehrt wird beim ſog. Verſicherungsbetrug StGB. §. 265 durch die ſchwere Vorbereitungshandlung (Brandſtiftung) die etwa ſpäter eintretende Vollendung des Betruges abſorbiert.
d) Wenn zwei zum Schutze desſelben Rechtsgutes be- ſtimmte Normen zu einander in dem Verhältniſſe von all- gemeiner Norm (oben §. 3 II 1) und Gehorſamsnorm (oben §. 3 II 2 u. 3) ſtehen, und dieſelbe Handlung beide Normen verletzt, ſo iſt nur die Uebertretung der allgemeinen Norm ins Auge zu faſſen. Wer z. B. durch ſchnelles Fahren einen Menſchen getötet hat, iſt nur nach §. 222, nicht auch nach §. 366 Ziff. 2 StGB. zu beſtrafen.
III. Dieſe Regel aber läßt uns in all’ den zahlreichen Fällen im Stiche, in welchen keiner der in Frage kommenden Thatbeſtände dem konkreten Falle gerecht wird, keine ihn er-
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Die Einheit des Verbr. Idealkonkurrenz. §. 40.
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unter dieſen zuſammengeſetzten Thatbeſtand, nicht aber unter
deſſen Elemente zu ſubſumieren. So iſt der Begriff des
Raubes aus Diebſtahl und Nötigung, der der Erpreſſung
aus Nötigung und Verletzung der Geſchlechtsehre des Weibes
zuſammengeſetzt; gewaltſame Sachentziehung, erzwungener
Beiſchlaf ſind darum immer nur als Raub oder Notzucht
aufzufaſſen.
c) Die qualifizierte Normübertretung abſor-
biert die einfache, die ſchwerere vernichtet die
leichtere. Einbruchsdiebſtahl iſt nur nach §. 243 StGB.
zu beurteilen; wer die falſchen Schlüſſel geliefert und dann
mit dem Andern ſelbſt geſtohlen hat, kommt nur als Mit-
thäter, nicht auch als Gehülfe in Betracht (vgl. oben §. 35
V); vollendeter Zweikampf ſchließt die Anwendung des
§. 201 StGB.; vollendeter Hochverrath die der §§. 83—86
StGB. aus; umgekehrt wird beim ſog. Verſicherungsbetrug
StGB. §. 265 durch die ſchwere Vorbereitungshandlung
(Brandſtiftung) die etwa ſpäter eintretende Vollendung des
Betruges abſorbiert.
d) Wenn zwei zum Schutze desſelben Rechtsgutes be-
ſtimmte Normen zu einander in dem Verhältniſſe von all-
gemeiner Norm (oben §. 3 II 1) und Gehorſamsnorm (oben
§. 3 II 2 u. 3) ſtehen, und dieſelbe Handlung beide Normen
verletzt, ſo iſt nur die Uebertretung der allgemeinen Norm
ins Auge zu faſſen. Wer z. B. durch ſchnelles Fahren einen
Menſchen getötet hat, iſt nur nach §. 222, nicht auch nach
§. 366 Ziff. 2 StGB. zu beſtrafen.
III. Dieſe Regel aber läßt uns in all’ den zahlreichen
Fällen im Stiche, in welchen keiner der in Frage kommenden
Thatbeſtände dem konkreten Falle gerecht wird, keine ihn er-
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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