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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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und zwar bei Routen, die für ein zureichendes Reineinkommen bei weitem nicht so sichere Aussichten darbieten, wie die Liverpool-Manchester Bahn. In diesem Falle aber ist die Beschränkung der Compagnie auf eine sehr niedrige Dividende nicht zu rechtfertigen, indem alsdann auf minder frequenten Routen das Risico mit dem möglichen Gewinne in keinem Verhältniß steht.

In Amerika und England ist nur in wenigen Fällen ein unentgeldliches Heimfallsrecht an den Staat bedingt worden; in andern aber haben sich die Staaten das Recht vorbehalten, die Unternehmungen nach Verlauf einer gewissen Zeit gegen den Ersatz der Anlagekosten, mit einem Zuschlage von 50 - 100 pCt., an sich ziehen zu dürfen. In Frankreich ist es Grundsatz, diese und ähnliche Unternehmungen nur auf 99 Jahre zu verleihen, so daß sie nach Verfluß dieser Zeit dem Staate unentgeldlich anheim fallen. Neuerlich hat in Frankreich die Regierung den Kammern den Modus vorgeschlagen, die Privat-Compagnien, je nach den besondern Verhältnissen jeder einzelnen Unternehmung, mit bedeutenden baaren Summen zu unterstützen, sich aber nach Verlauf einer bestimmten Zeitfrist das Rückkaufsrecht der Bahn für eine zum Voraus bestimmte Summe zu bedingen.

Obschon in England und Nordamerika das Maximum der Transportpreise durch Parlamentsacten bestimmt ist, so wird doch in einzelnen Fällen, wenn es sich als unzulänglich herausstellt, eine Erhöhung der Transportpreise gestattet. In Frankreich ward (1837) bei der Concessions-Ertheilung zu Anlegung zweier Eisenbahnen von Paris nach Versailles, der Bestimmung ungeachtet, daß hinsichtlich der Transportpreise eine Abstreichs-Verhandlung stattfinden sollte, noch besonders festgesetzt, daß die Preise für die niedrigste Classe der Reisenden alljährlich auf den Vorschlag der Compagnie durch Beschluß des Präfecten neu zu reguliren sei. Nach den allgemeinen Bestimmungen der preußischen Regierung sollen die Transportpreise, sobald die Dividende 10 Procent erreicht, in so weit reducirt werden, daß der Reinertrag diese Dividende nicht übersteigt. In Sachsen findet gar keine Beschränkung statt, weder hinsichtlich der Dividende, noch hinsichtlich der Transportpreise; denn die Beschränkung, daß letztere die Preise anderer Transportmittel nicht übersteigen sollen, ist eine natürliche und versteht sich von selbst.

Durch alle diese Bestimmungen wird der Zweck, die Gewinnste der Actionaire zum Besten der allgemeinen Wohlfahrt angemessen zu beschränken und dabei doch das Privatinteresse anzuspornen, nur auf eine sehr unvollkommene Weise erreicht, und es ist noch gar nicht abzusehen, wohin dieser Übelstand im Laufe der Zeit führen wird.

Überdies sind noch die Verhältnisse mit der Post, die Schwierigkeit, für den Fall des Kriegs oder außerordentlicher Truppen-Bewegungen zweckmäßige Bestimmungen zu treffen, die Art und

und zwar bei Routen, die für ein zureichendes Reineinkommen bei weitem nicht so sichere Aussichten darbieten, wie die Liverpool-Manchester Bahn. In diesem Falle aber ist die Beschränkung der Compagnie auf eine sehr niedrige Dividende nicht zu rechtfertigen, indem alsdann auf minder frequenten Routen das Risico mit dem möglichen Gewinne in keinem Verhältniß steht.

In Amerika und England ist nur in wenigen Fällen ein unentgeldliches Heimfallsrecht an den Staat bedingt worden; in andern aber haben sich die Staaten das Recht vorbehalten, die Unternehmungen nach Verlauf einer gewissen Zeit gegen den Ersatz der Anlagekosten, mit einem Zuschlage von 50 – 100 pCt., an sich ziehen zu dürfen. In Frankreich ist es Grundsatz, diese und ähnliche Unternehmungen nur auf 99 Jahre zu verleihen, so daß sie nach Verfluß dieser Zeit dem Staate unentgeldlich anheim fallen. Neuerlich hat in Frankreich die Regierung den Kammern den Modus vorgeschlagen, die Privat-Compagnien, je nach den besondern Verhältnissen jeder einzelnen Unternehmung, mit bedeutenden baaren Summen zu unterstützen, sich aber nach Verlauf einer bestimmten Zeitfrist das Rückkaufsrecht der Bahn für eine zum Voraus bestimmte Summe zu bedingen.

Obschon in England und Nordamerika das Maximum der Transportpreise durch Parlamentsacten bestimmt ist, so wird doch in einzelnen Fällen, wenn es sich als unzulänglich herausstellt, eine Erhöhung der Transportpreise gestattet. In Frankreich ward (1837) bei der Concessions-Ertheilung zu Anlegung zweier Eisenbahnen von Paris nach Versailles, der Bestimmung ungeachtet, daß hinsichtlich der Transportpreise eine Abstreichs-Verhandlung stattfinden sollte, noch besonders festgesetzt, daß die Preise für die niedrigste Classe der Reisenden alljährlich auf den Vorschlag der Compagnie durch Beschluß des Präfecten neu zu reguliren sei. Nach den allgemeinen Bestimmungen der preußischen Regierung sollen die Transportpreise, sobald die Dividende 10 Procent erreicht, in so weit reducirt werden, daß der Reinertrag diese Dividende nicht übersteigt. In Sachsen findet gar keine Beschränkung statt, weder hinsichtlich der Dividende, noch hinsichtlich der Transportpreise; denn die Beschränkung, daß letztere die Preise anderer Transportmittel nicht übersteigen sollen, ist eine natürliche und versteht sich von selbst.

Durch alle diese Bestimmungen wird der Zweck, die Gewinnste der Actionaire zum Besten der allgemeinen Wohlfahrt angemessen zu beschränken und dabei doch das Privatinteresse anzuspornen, nur auf eine sehr unvollkommene Weise erreicht, und es ist noch gar nicht abzusehen, wohin dieser Übelstand im Laufe der Zeit führen wird.

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[46/0047] und zwar bei Routen, die für ein zureichendes Reineinkommen bei weitem nicht so sichere Aussichten darbieten, wie die Liverpool-Manchester Bahn. In diesem Falle aber ist die Beschränkung der Compagnie auf eine sehr niedrige Dividende nicht zu rechtfertigen, indem alsdann auf minder frequenten Routen das Risico mit dem möglichen Gewinne in keinem Verhältniß steht. In Amerika und England ist nur in wenigen Fällen ein unentgeldliches Heimfallsrecht an den Staat bedingt worden; in andern aber haben sich die Staaten das Recht vorbehalten, die Unternehmungen nach Verlauf einer gewissen Zeit gegen den Ersatz der Anlagekosten, mit einem Zuschlage von 50 – 100 pCt., an sich ziehen zu dürfen. In Frankreich ist es Grundsatz, diese und ähnliche Unternehmungen nur auf 99 Jahre zu verleihen, so daß sie nach Verfluß dieser Zeit dem Staate unentgeldlich anheim fallen. Neuerlich hat in Frankreich die Regierung den Kammern den Modus vorgeschlagen, die Privat-Compagnien, je nach den besondern Verhältnissen jeder einzelnen Unternehmung, mit bedeutenden baaren Summen zu unterstützen, sich aber nach Verlauf einer bestimmten Zeitfrist das Rückkaufsrecht der Bahn für eine zum Voraus bestimmte Summe zu bedingen. Obschon in England und Nordamerika das Maximum der Transportpreise durch Parlamentsacten bestimmt ist, so wird doch in einzelnen Fällen, wenn es sich als unzulänglich herausstellt, eine Erhöhung der Transportpreise gestattet. In Frankreich ward (1837) bei der Concessions-Ertheilung zu Anlegung zweier Eisenbahnen von Paris nach Versailles, der Bestimmung ungeachtet, daß hinsichtlich der Transportpreise eine Abstreichs-Verhandlung stattfinden sollte, noch besonders festgesetzt, daß die Preise für die niedrigste Classe der Reisenden alljährlich auf den Vorschlag der Compagnie durch Beschluß des Präfecten neu zu reguliren sei. Nach den allgemeinen Bestimmungen der preußischen Regierung sollen die Transportpreise, sobald die Dividende 10 Procent erreicht, in so weit reducirt werden, daß der Reinertrag diese Dividende nicht übersteigt. In Sachsen findet gar keine Beschränkung statt, weder hinsichtlich der Dividende, noch hinsichtlich der Transportpreise; denn die Beschränkung, daß letztere die Preise anderer Transportmittel nicht übersteigen sollen, ist eine natürliche und versteht sich von selbst. Durch alle diese Bestimmungen wird der Zweck, die Gewinnste der Actionaire zum Besten der allgemeinen Wohlfahrt angemessen zu beschränken und dabei doch das Privatinteresse anzuspornen, nur auf eine sehr unvollkommene Weise erreicht, und es ist noch gar nicht abzusehen, wohin dieser Übelstand im Laufe der Zeit führen wird. Überdies sind noch die Verhältnisse mit der Post, die Schwierigkeit, für den Fall des Kriegs oder außerordentlicher Truppen-Bewegungen zweckmäßige Bestimmungen zu treffen, die Art und

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/47>, abgerufen am 25.04.2024.