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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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Zu den vorerwähnten Bedenklichkeiten kommen noch andere von nicht minderem Gewichte in Beziehung auf den Staatszweck. Sollen die Eisenbahnen und Canäle in national-ökonomischer Beziehung bedeutenden Nutzen schaffen, so müssen die Transportpreise möglichst niedrig gestellt werden. In England und Nordamerika bestimmen die Parlaments-Acten das Maximum der Transporttarife, und in Frankreich werden in der Regel die Unternehmungen im Abstreich vergeben, das heißt, demjenigen zugeschlagen, der sich zu Annahme des geringsten Tarifs versteht. Dabei aber tappen beide Theile, die Staaten und Unternehmer, überall im Dunkeln und keiner weiß, wie viel er gewinnen oder verlieren wird. Um die Transportpreise auf eine dem Vortheile der Unternehmer und des Staats oder vielmehr des Publicums gleichmäßig entsprechende Weise bestimmen zu können, müßte man wissen, wie hoch die Anlage-, Unterhaltungs- und Transportkosten einerseits und anderseits die Transporte von Menschen und Gütern sich belaufen - Alles unbekannte Größen! Fällt nun das Resultat zum Nachtheile der Unternehmer aus, so entsteht Calamität unter den Actionairen; gewinnen dagegen die Actionaire unverhältnißmäßig, so muß das Publicum die großen Dividenden bezahlen und wird somit einer Wohlthat, der Wohlfeilheit des Transports, beraubt, die tausend andere Wohlthaten im Gefolge gehabt hätte. Bei den Eisenbahnen kommt noch besonders in Betracht, daß die Sache ganz neu ist, und daß man erwarten darf, der Eisenbahntransport werde späterhin in Folge neuer Erfindungen ungleich wohlfeiler betrieben werden können als gegenwärtig, und die Frequenz der Bahnen werde auf der andern Seite im Laufe der Zeit auf eine Weise steigen, von welcher man zur Zeit keine Vorstellung hat. In diesem Falle dürfte sich bei einem für immer festgesetzten Transportpreise ergeben, daß, während die gegenwärtigen Actionaire, weil sie die lange Zeit des Baues hindurch gar keine und vielleicht geraume Zeit nach Vollendung desselben nur sehr geringe Dividenden machen, bedeutend verlören, die künftigen Actionaire dagegen, nämlich diejenigen, die später erst durch Kauf von den ursprünglichen Actionairen in den Besitz der Actien gekommen, unverhältnißmäßige Dividenden zögen, dem Publicum aber von allen neuen Erfindungen und Verbesserungen, die noch bevorstehen, Nichts oder fast Nichts zu Gute käme. Um diesem Übelstande zu begegnen, ward in der der Liverpool-Manchester Bahn verliehenen Parlamentsacte bestimmt, daß die Dividende nie über 10 Procent steigen dürfe. Man setzte nämlich voraus, die Compagnie, wenn sie nie über 10 pCt. des Reineinkommens theilen dürfe, werde, im Fall dasselbe sich höher belaufe, den Überschuß entweder auf Verbesserungen der Anstalt verwenden, oder die Transportpreise weiter herabsetzen. Man hat aber, seitdem die Dividende dort das Maximum erreicht hat, bemerken wollen, daß diese Beschränkung nur zu einer splendiden Verwaltung Anlaß gibt; wenigstens ist dieser Modus von dem Parlament späterhin aufgegeben worden. In Deutschland hat man in einigen Ländern diese Restriction nachgeahmt

Zu den vorerwähnten Bedenklichkeiten kommen noch andere von nicht minderem Gewichte in Beziehung auf den Staatszweck. Sollen die Eisenbahnen und Canäle in national-ökonomischer Beziehung bedeutenden Nutzen schaffen, so müssen die Transportpreise möglichst niedrig gestellt werden. In England und Nordamerika bestimmen die Parlaments-Acten das Maximum der Transporttarife, und in Frankreich werden in der Regel die Unternehmungen im Abstreich vergeben, das heißt, demjenigen zugeschlagen, der sich zu Annahme des geringsten Tarifs versteht. Dabei aber tappen beide Theile, die Staaten und Unternehmer, überall im Dunkeln und keiner weiß, wie viel er gewinnen oder verlieren wird. Um die Transportpreise auf eine dem Vortheile der Unternehmer und des Staats oder vielmehr des Publicums gleichmäßig entsprechende Weise bestimmen zu können, müßte man wissen, wie hoch die Anlage-, Unterhaltungs- und Transportkosten einerseits und anderseits die Transporte von Menschen und Gütern sich belaufen – Alles unbekannte Größen! Fällt nun das Resultat zum Nachtheile der Unternehmer aus, so entsteht Calamität unter den Actionairen; gewinnen dagegen die Actionaire unverhältnißmäßig, so muß das Publicum die großen Dividenden bezahlen und wird somit einer Wohlthat, der Wohlfeilheit des Transports, beraubt, die tausend andere Wohlthaten im Gefolge gehabt hätte. Bei den Eisenbahnen kommt noch besonders in Betracht, daß die Sache ganz neu ist, und daß man erwarten darf, der Eisenbahntransport werde späterhin in Folge neuer Erfindungen ungleich wohlfeiler betrieben werden können als gegenwärtig, und die Frequenz der Bahnen werde auf der andern Seite im Laufe der Zeit auf eine Weise steigen, von welcher man zur Zeit keine Vorstellung hat. In diesem Falle dürfte sich bei einem für immer festgesetzten Transportpreise ergeben, daß, während die gegenwärtigen Actionaire, weil sie die lange Zeit des Baues hindurch gar keine und vielleicht geraume Zeit nach Vollendung desselben nur sehr geringe Dividenden machen, bedeutend verlören, die künftigen Actionaire dagegen, nämlich diejenigen, die später erst durch Kauf von den ursprünglichen Actionairen in den Besitz der Actien gekommen, unverhältnißmäßige Dividenden zögen, dem Publicum aber von allen neuen Erfindungen und Verbesserungen, die noch bevorstehen, Nichts oder fast Nichts zu Gute käme. Um diesem Übelstande zu begegnen, ward in der der Liverpool-Manchester Bahn verliehenen Parlamentsacte bestimmt, daß die Dividende nie über 10 Procent steigen dürfe. Man setzte nämlich voraus, die Compagnie, wenn sie nie über 10 pCt. des Reineinkommens theilen dürfe, werde, im Fall dasselbe sich höher belaufe, den Überschuß entweder auf Verbesserungen der Anstalt verwenden, oder die Transportpreise weiter herabsetzen. Man hat aber, seitdem die Dividende dort das Maximum erreicht hat, bemerken wollen, daß diese Beschränkung nur zu einer splendiden Verwaltung Anlaß gibt; wenigstens ist dieser Modus von dem Parlament späterhin aufgegeben worden. In Deutschland hat man in einigen Ländern diese Restriction nachgeahmt

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[45/0046] Zu den vorerwähnten Bedenklichkeiten kommen noch andere von nicht minderem Gewichte in Beziehung auf den Staatszweck. Sollen die Eisenbahnen und Canäle in national-ökonomischer Beziehung bedeutenden Nutzen schaffen, so müssen die Transportpreise möglichst niedrig gestellt werden. In England und Nordamerika bestimmen die Parlaments-Acten das Maximum der Transporttarife, und in Frankreich werden in der Regel die Unternehmungen im Abstreich vergeben, das heißt, demjenigen zugeschlagen, der sich zu Annahme des geringsten Tarifs versteht. Dabei aber tappen beide Theile, die Staaten und Unternehmer, überall im Dunkeln und keiner weiß, wie viel er gewinnen oder verlieren wird. Um die Transportpreise auf eine dem Vortheile der Unternehmer und des Staats oder vielmehr des Publicums gleichmäßig entsprechende Weise bestimmen zu können, müßte man wissen, wie hoch die Anlage-, Unterhaltungs- und Transportkosten einerseits und anderseits die Transporte von Menschen und Gütern sich belaufen – Alles unbekannte Größen! Fällt nun das Resultat zum Nachtheile der Unternehmer aus, so entsteht Calamität unter den Actionairen; gewinnen dagegen die Actionaire unverhältnißmäßig, so muß das Publicum die großen Dividenden bezahlen und wird somit einer Wohlthat, der Wohlfeilheit des Transports, beraubt, die tausend andere Wohlthaten im Gefolge gehabt hätte. Bei den Eisenbahnen kommt noch besonders in Betracht, daß die Sache ganz neu ist, und daß man erwarten darf, der Eisenbahntransport werde späterhin in Folge neuer Erfindungen ungleich wohlfeiler betrieben werden können als gegenwärtig, und die Frequenz der Bahnen werde auf der andern Seite im Laufe der Zeit auf eine Weise steigen, von welcher man zur Zeit keine Vorstellung hat. In diesem Falle dürfte sich bei einem für immer festgesetzten Transportpreise ergeben, daß, während die gegenwärtigen Actionaire, weil sie die lange Zeit des Baues hindurch gar keine und vielleicht geraume Zeit nach Vollendung desselben nur sehr geringe Dividenden machen, bedeutend verlören, die künftigen Actionaire dagegen, nämlich diejenigen, die später erst durch Kauf von den ursprünglichen Actionairen in den Besitz der Actien gekommen, unverhältnißmäßige Dividenden zögen, dem Publicum aber von allen neuen Erfindungen und Verbesserungen, die noch bevorstehen, Nichts oder fast Nichts zu Gute käme. Um diesem Übelstande zu begegnen, ward in der der Liverpool-Manchester Bahn verliehenen Parlamentsacte bestimmt, daß die Dividende nie über 10 Procent steigen dürfe. Man setzte nämlich voraus, die Compagnie, wenn sie nie über 10 pCt. des Reineinkommens theilen dürfe, werde, im Fall dasselbe sich höher belaufe, den Überschuß entweder auf Verbesserungen der Anstalt verwenden, oder die Transportpreise weiter herabsetzen. Man hat aber, seitdem die Dividende dort das Maximum erreicht hat, bemerken wollen, daß diese Beschränkung nur zu einer splendiden Verwaltung Anlaß gibt; wenigstens ist dieser Modus von dem Parlament späterhin aufgegeben worden. In Deutschland hat man in einigen Ländern diese Restriction nachgeahmt

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/46>, abgerufen am 19.04.2024.