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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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Man hat die Wichtigkeit des Main-Donau-Canals, indem man denselben als ein isolirtes Werk darstellte, ganz falsch aufgefaßt und dadurch Veranlassung gegeben, daß früher die projectirten Canal- und Eisenbahnunternehmungen zwischen Donau, Neckar und Rhein auf würtembergischen und badischem Gebiet, als mit dem Main-Donau-Canal concurrirende, folglich seine Rentabilität gefährdende, in ein falsches Licht gestellt wurden, während doch sie sowohl, als eine Baiern von Süden nach Norden durchschneidende - mit dem Canal parallel laufende Eisenbahn, von dem richtigen Standpunkt aus betrachtet, mit jenem Werk in der Bereicherung Baierns cooperiren.

Nach dem, was wir oben im Allgemeinen und insbesondere unter der Rubrik Canäle hierüber angeführt haben, würde eine Feststellung dieses höheren und wichtigeren Standpunktes hier als eine unnütze Wiederholung erscheinen. Wir glauben uns derselben um so mehr überheben zu können, als die von dem königl. baierischen Minister des Innern, Fürsten von Oettingen-Wallerstein, in der gegenwärtigen Kammersession (1837) abgegebene Erklärung zu Gunsten der schleunigen Herstellung eines baierischen Eisenbahn-Systems offenbar voraussetzt, daß die baierische Regierung selbst die Sache von diesem Standpunkt aus betrachtet.

Jene Erklärung, indem die baierische Regierung dadurch die Verpflichtung übernommen hat, das Werk der Eisenbahnen in Baiern auf eine Weise zu fördern, daß dieser Staat hinter keinem andern in dieser Beziehung zurückbleiben solle, setzt überdies voraus, daß die baierische Regierung in Sachen der Eisenbahnen auf entschiedenere Weise zu handeln entschlossen ist, als man bis jetzt hat kund werden lassen; denn da nicht anzunehmen ist, daß die einsichtsvollen Staatsmänner jenes Landes über die Rentabilität ihrer großen Eisenbahn-Routen sich in der Art Illusionen machen, daß sie deren Herstellung durch Privat-Compagnieen für möglich halten, so ist klar, daß sie ihre Zusage vermittelst Staatshülfe zu lösen entschlossen sind.

In der That ist man zu Fassung solcher Beschlüsse in Baiern reifer als in irgend einem andern deutschen Staate. Die in Beziehung auf den Main-Donau-Canal gepflogenen Verhandlungen und gefaßten Beschlüsse haben das baierische Volk und seine Vertreter mit der Idee, großartige Werke durch Staatshülfe zu bewirken, schon vertraut gemacht und größeren Entschlüssen dieser Art Bahn gebrochen. Dabei kommt noch zu berücksichtigen, daß die Natur sich der Eifersucht verschiedener aneinander grenzender Staaten, wie verschiedener Landestheile eines und desselben Staats als Sporn bedient, um die Nationen zu Herstellung ganzer Systeme anzutreiben.

Wenn z. B. die Anwohner des Lechs und des Bodensees wahrnehmen, welche Vortheile den Anwohnern des Main-Donau-Canals durch denselben zu Theil werden, so muß bei ihnen der Wunsch nach gleicher Begünstigung

Vortheile schon in seiner Schrift: Mittheilungen aus Nord-Amerika (Hamburg 1829) entwickelt.

Man hat die Wichtigkeit des Main-Donau-Canals, indem man denselben als ein isolirtes Werk darstellte, ganz falsch aufgefaßt und dadurch Veranlassung gegeben, daß früher die projectirten Canal- und Eisenbahnunternehmungen zwischen Donau, Neckar und Rhein auf würtembergischen und badischem Gebiet, als mit dem Main-Donau-Canal concurrirende, folglich seine Rentabilität gefährdende, in ein falsches Licht gestellt wurden, während doch sie sowohl, als eine Baiern von Süden nach Norden durchschneidende – mit dem Canal parallel laufende Eisenbahn, von dem richtigen Standpunkt aus betrachtet, mit jenem Werk in der Bereicherung Baierns cooperiren.

Nach dem, was wir oben im Allgemeinen und insbesondere unter der Rubrik Canäle hierüber angeführt haben, würde eine Feststellung dieses höheren und wichtigeren Standpunktes hier als eine unnütze Wiederholung erscheinen. Wir glauben uns derselben um so mehr überheben zu können, als die von dem königl. baierischen Minister des Innern, Fürsten von Oettingen-Wallerstein, in der gegenwärtigen Kammersession (1837) abgegebene Erklärung zu Gunsten der schleunigen Herstellung eines baierischen Eisenbahn-Systems offenbar voraussetzt, daß die baierische Regierung selbst die Sache von diesem Standpunkt aus betrachtet.

Jene Erklärung, indem die baierische Regierung dadurch die Verpflichtung übernommen hat, das Werk der Eisenbahnen in Baiern auf eine Weise zu fördern, daß dieser Staat hinter keinem andern in dieser Beziehung zurückbleiben solle, setzt überdies voraus, daß die baierische Regierung in Sachen der Eisenbahnen auf entschiedenere Weise zu handeln entschlossen ist, als man bis jetzt hat kund werden lassen; denn da nicht anzunehmen ist, daß die einsichtsvollen Staatsmänner jenes Landes über die Rentabilität ihrer großen Eisenbahn-Routen sich in der Art Illusionen machen, daß sie deren Herstellung durch Privat-Compagnieen für möglich halten, so ist klar, daß sie ihre Zusage vermittelst Staatshülfe zu lösen entschlossen sind.

In der That ist man zu Fassung solcher Beschlüsse in Baiern reifer als in irgend einem andern deutschen Staate. Die in Beziehung auf den Main-Donau-Canal gepflogenen Verhandlungen und gefaßten Beschlüsse haben das baierische Volk und seine Vertreter mit der Idee, großartige Werke durch Staatshülfe zu bewirken, schon vertraut gemacht und größeren Entschlüssen dieser Art Bahn gebrochen. Dabei kommt noch zu berücksichtigen, daß die Natur sich der Eifersucht verschiedener aneinander grenzender Staaten, wie verschiedener Landestheile eines und desselben Staats als Sporn bedient, um die Nationen zu Herstellung ganzer Systeme anzutreiben.

Wenn z. B. die Anwohner des Lechs und des Bodensees wahrnehmen, welche Vortheile den Anwohnern des Main-Donau-Canals durch denselben zu Theil werden, so muß bei ihnen der Wunsch nach gleicher Begünstigung

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[120/0121] Man hat die Wichtigkeit des Main-Donau-Canals, indem man denselben als ein isolirtes Werk darstellte, ganz falsch aufgefaßt und dadurch Veranlassung gegeben, daß früher die projectirten Canal- und Eisenbahnunternehmungen zwischen Donau, Neckar und Rhein auf würtembergischen und badischem Gebiet, als mit dem Main-Donau-Canal concurrirende, folglich seine Rentabilität gefährdende, in ein falsches Licht gestellt wurden, während doch sie sowohl, als eine Baiern von Süden nach Norden durchschneidende – mit dem Canal parallel laufende Eisenbahn, von dem richtigen Standpunkt aus betrachtet, mit jenem Werk in der Bereicherung Baierns cooperiren. Nach dem, was wir oben im Allgemeinen und insbesondere unter der Rubrik Canäle hierüber angeführt haben, würde eine Feststellung dieses höheren und wichtigeren Standpunktes hier als eine unnütze Wiederholung erscheinen. Wir glauben uns derselben um so mehr überheben zu können, als die von dem königl. baierischen Minister des Innern, Fürsten von Oettingen-Wallerstein, in der gegenwärtigen Kammersession (1837) abgegebene Erklärung zu Gunsten der schleunigen Herstellung eines baierischen Eisenbahn-Systems offenbar voraussetzt, daß die baierische Regierung selbst die Sache von diesem Standpunkt aus betrachtet. Jene Erklärung, indem die baierische Regierung dadurch die Verpflichtung übernommen hat, das Werk der Eisenbahnen in Baiern auf eine Weise zu fördern, daß dieser Staat hinter keinem andern in dieser Beziehung zurückbleiben solle, setzt überdies voraus, daß die baierische Regierung in Sachen der Eisenbahnen auf entschiedenere Weise zu handeln entschlossen ist, als man bis jetzt hat kund werden lassen; denn da nicht anzunehmen ist, daß die einsichtsvollen Staatsmänner jenes Landes über die Rentabilität ihrer großen Eisenbahn-Routen sich in der Art Illusionen machen, daß sie deren Herstellung durch Privat-Compagnieen für möglich halten, so ist klar, daß sie ihre Zusage vermittelst Staatshülfe zu lösen entschlossen sind. In der That ist man zu Fassung solcher Beschlüsse in Baiern reifer als in irgend einem andern deutschen Staate. Die in Beziehung auf den Main-Donau-Canal gepflogenen Verhandlungen und gefaßten Beschlüsse haben das baierische Volk und seine Vertreter mit der Idee, großartige Werke durch Staatshülfe zu bewirken, schon vertraut gemacht und größeren Entschlüssen dieser Art Bahn gebrochen. Dabei kommt noch zu berücksichtigen, daß die Natur sich der Eifersucht verschiedener aneinander grenzender Staaten, wie verschiedener Landestheile eines und desselben Staats als Sporn bedient, um die Nationen zu Herstellung ganzer Systeme anzutreiben. Wenn z. B. die Anwohner des Lechs und des Bodensees wahrnehmen, welche Vortheile den Anwohnern des Main-Donau-Canals durch denselben zu Theil werden, so muß bei ihnen der Wunsch nach gleicher Begünstigung Vortheile schon in seiner Schrift: Mittheilungen aus Nord-Amerika (Hamburg 1829) entwickelt.

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/121>, abgerufen am 27.04.2024.