Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
"von solchen Thaten abhalte, die die Hölle verdienen.
"Auf die Art, meynt er, müsten die Leute nothwen-
"dig in den Himmel kommen: Und er hat recht:
"Denn wo wolten sie sonst wohl hin, wenn sie nicht
"in die Hölle kommen? Aber es ist Schade, daß
"die Obrigkeit nicht verbunden, sein Begehren zu
"erfüllen, weil er unmögliche Dinge von ihr for-
"dert. Alles, was die Obrigkeit thun kan, ist, das sie
"die Verbrechen straft, und durch ihre Gesetze die
"Unterthanen von Begehung äusserst böser, und der
"Ruhe des Staats nachtheiliger Thaten abhält.
"Diejenigen nun, die sich aus Furcht der Strafe
"solcher Thaten enthalten, heissen gute Bürger:
"aber vom Himmelreich sind sie weit entfernet. Jhre
"Enthaltung vom Bösen hat nichts, als die Furcht
"der Strafe zum Grunde, und ist also keine wahre
"Tugend. Die wahre Tugend hat einen höhern
"Ursprung. Sie fliesset aus dem Glauben, ist ei-
"ne Würckung des Geistes GOttes, und wird
"durch Galgen und Rad schlecht befordert, was
"auch der Hr. Prof. Manzel von der Jurispruden-
"tia criminali
vor hohe Begrife hat. Der Herr
"Prof. klagt ja (posit. 9.) selbst, daß die Bürger-
"lichen Gesetze nicht zureichend sind alle Laster aus-
"zurotten. Er gestehet ja, daß nur das, so die
"Bürgerliche Gesellschaft ofenbahr beunruhiget,
"eigentlich vor die Juristen, oder vor die Obrigkeit
"gehöre. Wie ist er denn so übel berathen, daß
"er, dem allen ungeachtet, glaubt, es sey möglich,
"die Leute wider ihren Willen seelig zu machen,
"und die Liebe zur Tugend könne durch die Furcht
"der Strafe erwecket werden? Er ist gewiß der

"eintzige

(o)
„von ſolchen Thaten abhalte, die die Hoͤlle verdienen.
„Auf die Art, meynt er, muͤſten die Leute nothwen-
„dig in den Himmel kommen: Und er hat recht:
„Denn wo wolten ſie ſonſt wohl hin, wenn ſie nicht
„in die Hoͤlle kommen? Aber es iſt Schade, daß
„die Obrigkeit nicht verbunden, ſein Begehren zu
„erfuͤllen, weil er unmoͤgliche Dinge von ihr for-
„dert. Alles, was die Obrigkeit thun kan, iſt, das ſie
„die Verbrechen ſtraft, und durch ihre Geſetze die
„Unterthanen von Begehung aͤuſſerſt boͤſer, und der
„Ruhe des Staats nachtheiliger Thaten abhaͤlt.
„Diejenigen nun, die ſich aus Furcht der Strafe
„ſolcher Thaten enthalten, heiſſen gute Buͤrger:
„aber vom Himmelreich ſind ſie weit entfernet. Jhre
„Enthaltung vom Boͤſen hat nichts, als die Furcht
„der Strafe zum Grunde, und iſt alſo keine wahre
„Tugend. Die wahre Tugend hat einen hoͤhern
„Urſprung. Sie flieſſet aus dem Glauben, iſt ei-
„ne Wuͤrckung des Geiſtes GOttes, und wird
„durch Galgen und Rad ſchlecht befordert, was
„auch der Hr. Prof. Manzel von der Jurispruden-
„tia criminali
vor hohe Begrife hat. Der Herr
„Prof. klagt ja (poſit. 9.) ſelbſt, daß die Buͤrger-
„lichen Geſetze nicht zureichend ſind alle Laſter aus-
„zurotten. Er geſtehet ja, daß nur das, ſo die
„Buͤrgerliche Geſellſchaft ofenbahr beunruhiget,
„eigentlich vor die Juriſten, oder vor die Obrigkeit
„gehoͤre. Wie iſt er denn ſo uͤbel berathen, daß
„er, dem allen ungeachtet, glaubt, es ſey moͤglich,
„die Leute wider ihren Willen ſeelig zu machen,
„und die Liebe zur Tugend koͤnne durch die Furcht
„der Strafe erwecket werden? Er iſt gewiß der

„eintzige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0974" n="882"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
&#x201E;von &#x017F;olchen Thaten abhalte, die die Ho&#x0364;lle verdienen.<lb/>
&#x201E;Auf die Art, meynt er, mu&#x0364;&#x017F;ten die Leute nothwen-<lb/>
&#x201E;dig in den Himmel kommen: Und er hat recht:<lb/>
&#x201E;Denn wo wolten &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t wohl hin, wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
&#x201E;in die Ho&#x0364;lle kommen? Aber es i&#x017F;t Schade, daß<lb/>
&#x201E;die Obrigkeit nicht verbunden, &#x017F;ein Begehren zu<lb/>
&#x201E;erfu&#x0364;llen, weil er unmo&#x0364;gliche Dinge von ihr for-<lb/>
&#x201E;dert. Alles, was die Obrigkeit thun kan, i&#x017F;t, das &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;die Verbrechen &#x017F;traft, und durch ihre Ge&#x017F;etze die<lb/>
&#x201E;Unterthanen von Begehung a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t bo&#x0364;&#x017F;er, und der<lb/>
&#x201E;Ruhe des Staats nachtheiliger Thaten abha&#x0364;lt.<lb/>
&#x201E;Diejenigen nun, die &#x017F;ich aus Furcht der Strafe<lb/>
&#x201E;&#x017F;olcher Thaten enthalten, hei&#x017F;&#x017F;en gute Bu&#x0364;rger:<lb/>
&#x201E;aber vom Himmelreich &#x017F;ind &#x017F;ie weit entfernet. Jhre<lb/>
&#x201E;Enthaltung vom Bo&#x0364;&#x017F;en hat nichts, als die Furcht<lb/>
&#x201E;der Strafe zum Grunde, und i&#x017F;t al&#x017F;o keine wahre<lb/>
&#x201E;Tugend. Die wahre Tugend hat einen ho&#x0364;hern<lb/>
&#x201E;Ur&#x017F;prung. Sie flie&#x017F;&#x017F;et aus dem Glauben, i&#x017F;t ei-<lb/>
&#x201E;ne Wu&#x0364;rckung des Gei&#x017F;tes GOttes, und wird<lb/>
&#x201E;durch Galgen und Rad &#x017F;chlecht befordert, was<lb/>
&#x201E;auch der Hr. Prof. Manzel von der <hi rendition="#aq">Jurispruden-<lb/>
&#x201E;tia criminali</hi> vor hohe Begrife hat. Der Herr<lb/>
&#x201E;Prof. klagt ja (<hi rendition="#aq">po&#x017F;it.</hi> 9.) &#x017F;elb&#x017F;t, daß die Bu&#x0364;rger-<lb/>
&#x201E;lichen Ge&#x017F;etze nicht zureichend &#x017F;ind alle La&#x017F;ter aus-<lb/>
&#x201E;zurotten. Er ge&#x017F;tehet ja, daß nur das, &#x017F;o die<lb/>
&#x201E;Bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ofenbahr beunruhiget,<lb/>
&#x201E;eigentlich vor die Juri&#x017F;ten, oder vor die Obrigkeit<lb/>
&#x201E;geho&#x0364;re. Wie i&#x017F;t er denn &#x017F;o u&#x0364;bel berathen, daß<lb/>
&#x201E;er, dem allen ungeachtet, glaubt, es &#x017F;ey mo&#x0364;glich,<lb/>
&#x201E;die Leute wider ihren Willen &#x017F;eelig zu machen,<lb/>
&#x201E;und die Liebe zur Tugend ko&#x0364;nne durch die Furcht<lb/>
&#x201E;der Strafe erwecket werden? Er i&#x017F;t gewiß der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;eintzige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[882/0974] (o) „von ſolchen Thaten abhalte, die die Hoͤlle verdienen. „Auf die Art, meynt er, muͤſten die Leute nothwen- „dig in den Himmel kommen: Und er hat recht: „Denn wo wolten ſie ſonſt wohl hin, wenn ſie nicht „in die Hoͤlle kommen? Aber es iſt Schade, daß „die Obrigkeit nicht verbunden, ſein Begehren zu „erfuͤllen, weil er unmoͤgliche Dinge von ihr for- „dert. Alles, was die Obrigkeit thun kan, iſt, das ſie „die Verbrechen ſtraft, und durch ihre Geſetze die „Unterthanen von Begehung aͤuſſerſt boͤſer, und der „Ruhe des Staats nachtheiliger Thaten abhaͤlt. „Diejenigen nun, die ſich aus Furcht der Strafe „ſolcher Thaten enthalten, heiſſen gute Buͤrger: „aber vom Himmelreich ſind ſie weit entfernet. Jhre „Enthaltung vom Boͤſen hat nichts, als die Furcht „der Strafe zum Grunde, und iſt alſo keine wahre „Tugend. Die wahre Tugend hat einen hoͤhern „Urſprung. Sie flieſſet aus dem Glauben, iſt ei- „ne Wuͤrckung des Geiſtes GOttes, und wird „durch Galgen und Rad ſchlecht befordert, was „auch der Hr. Prof. Manzel von der Jurispruden- „tia criminali vor hohe Begrife hat. Der Herr „Prof. klagt ja (poſit. 9.) ſelbſt, daß die Buͤrger- „lichen Geſetze nicht zureichend ſind alle Laſter aus- „zurotten. Er geſtehet ja, daß nur das, ſo die „Buͤrgerliche Geſellſchaft ofenbahr beunruhiget, „eigentlich vor die Juriſten, oder vor die Obrigkeit „gehoͤre. Wie iſt er denn ſo uͤbel berathen, daß „er, dem allen ungeachtet, glaubt, es ſey moͤglich, „die Leute wider ihren Willen ſeelig zu machen, „und die Liebe zur Tugend koͤnne durch die Furcht „der Strafe erwecket werden? Er iſt gewiß der „eintzige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/974
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 882. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/974>, abgerufen am 26.04.2024.