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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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unrichtige Begrife von der Natur der bürgerlichen"
Gesellschaft, der Gesetze, und der Tugend. Er"
glaubt, daß man bey Aufrichtung der Republicken"
auch an die ewige Seeligkeit gedacht, daß"
die Gesetze zu Erlangung der Seeligkeit etwas"
beytragen könne, und daß die Furcht der Strafe"
eine Liebe zur Tugend würcke. Dahero hält er"
es vor ein löbliches und nöthigs Werck, daß die"
Obrigkeit vor die Seeligkeit ihrer Unterthanen"
sorget, und dieselbe durch ihre Gesetze fromm zu ma-"
chen suchet. Er muß aber wissen, daß dieses ein ir-"
riger Wahn, wie schön er auch von aussen gleißet."
Der Endzweck der Bürgerlichen Gesellschaft ist"
nichts anders, als äusserliche Ruhe und Sicherheit,"
und folglich nur der unterste Grad der zeitlichen"
Glückseeligkeit. Wenn die Obrigkeit, die ihr auf-"
getragene Macht zu Erhaltung dieses Endzwecks"
anwendet, hat sie ihrer Pflicht ein Genüge gethan."
Sie ist nicht bestellet, das Seelen-Heyl ihrer Unter-"
thanen zu befordern. Dasjenige, so uns seelig macht,"
ist der Glaube. Der Glaube bestehet in Begrife."
Begrife gehören zum Verstande, und der Verstand"
ist keinen Gesetzen unterworfen. Die Obrigkeit"
kan also den Glauben, ohne welchen es unmöglich"
ist, GOtt zu gefallen, nicht in den Hertzen ihrer Un-"
terthanen würcken. Der ist und bleibet eine Gabe"
GOttes, und kömmt aus der Predigt: Die O-"
brigkeit aber prediget nicht. Es ist auch nicht zu"
vermuthen, daß der Hr. Prof. Manzel so wunder-"
liche Dinge von ihr verlange. Er will nur, wie"
man siehet, daß die Obrigkeit den Lastern steure,"
und ihre Unterthanen durch die Furcht der Strafe"

"von
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(o)
unrichtige Begrife von der Natur der buͤrgerlichen„
Geſellſchaft, der Geſetze, und der Tugend. Er„
glaubt, daß man bey Aufrichtung der Republicken„
auch an die ewige Seeligkeit gedacht, daß„
die Geſetze zu Erlangung der Seeligkeit etwas„
beytragen koͤnne, und daß die Furcht der Strafe„
eine Liebe zur Tugend wuͤrcke. Dahero haͤlt er„
es vor ein loͤbliches und noͤthigs Werck, daß die„
Obrigkeit vor die Seeligkeit ihrer Unterthanen„
ſorget, und dieſelbe durch ihre Geſetze fromm zu ma-„
chen ſuchet. Er muß aber wiſſen, daß dieſes ein ir-„
riger Wahn, wie ſchoͤn er auch von auſſen gleißet.„
Der Endzweck der Buͤrgerlichen Geſellſchaft iſt„
nichts anders, als aͤuſſerliche Ruhe und Sicherheit,„
und folglich nur der unterſte Grad der zeitlichen„
Gluͤckſeeligkeit. Wenn die Obrigkeit, die ihr auf-„
getragene Macht zu Erhaltung dieſes Endzwecks„
anwendet, hat ſie ihrer Pflicht ein Genuͤge gethan.„
Sie iſt nicht beſtellet, das Seelen-Heyl ihrer Unter-„
thanen zu befordern. Dasjenige, ſo uns ſeelig macht,„
iſt der Glaube. Der Glaube beſtehet in Begrife.„
Begrife gehoͤren zum Verſtande, und der Verſtand„
iſt keinen Geſetzen unterworfen. Die Obrigkeit„
kan alſo den Glauben, ohne welchen es unmoͤglich„
iſt, GOtt zu gefallen, nicht in den Hertzen ihrer Un-„
terthanen wuͤrcken. Der iſt und bleibet eine Gabe„
GOttes, und koͤmmt aus der Predigt: Die O-„
brigkeit aber prediget nicht. Es iſt auch nicht zu„
vermuthen, daß der Hr. Prof. Manzel ſo wunder-„
liche Dinge von ihr verlange. Er will nur, wie„
man ſiehet, daß die Obrigkeit den Laſtern ſteure,„
und ihre Unterthanen durch die Furcht der Strafe„

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[881/0973] (o) unrichtige Begrife von der Natur der buͤrgerlichen„ Geſellſchaft, der Geſetze, und der Tugend. Er„ glaubt, daß man bey Aufrichtung der Republicken„ auch an die ewige Seeligkeit gedacht, daß„ die Geſetze zu Erlangung der Seeligkeit etwas„ beytragen koͤnne, und daß die Furcht der Strafe„ eine Liebe zur Tugend wuͤrcke. Dahero haͤlt er„ es vor ein loͤbliches und noͤthigs Werck, daß die„ Obrigkeit vor die Seeligkeit ihrer Unterthanen„ ſorget, und dieſelbe durch ihre Geſetze fromm zu ma-„ chen ſuchet. Er muß aber wiſſen, daß dieſes ein ir-„ riger Wahn, wie ſchoͤn er auch von auſſen gleißet.„ Der Endzweck der Buͤrgerlichen Geſellſchaft iſt„ nichts anders, als aͤuſſerliche Ruhe und Sicherheit,„ und folglich nur der unterſte Grad der zeitlichen„ Gluͤckſeeligkeit. Wenn die Obrigkeit, die ihr auf-„ getragene Macht zu Erhaltung dieſes Endzwecks„ anwendet, hat ſie ihrer Pflicht ein Genuͤge gethan.„ Sie iſt nicht beſtellet, das Seelen-Heyl ihrer Unter-„ thanen zu befordern. Dasjenige, ſo uns ſeelig macht,„ iſt der Glaube. Der Glaube beſtehet in Begrife.„ Begrife gehoͤren zum Verſtande, und der Verſtand„ iſt keinen Geſetzen unterworfen. Die Obrigkeit„ kan alſo den Glauben, ohne welchen es unmoͤglich„ iſt, GOtt zu gefallen, nicht in den Hertzen ihrer Un-„ terthanen wuͤrcken. Der iſt und bleibet eine Gabe„ GOttes, und koͤmmt aus der Predigt: Die O-„ brigkeit aber prediget nicht. Es iſt auch nicht zu„ vermuthen, daß der Hr. Prof. Manzel ſo wunder-„ liche Dinge von ihr verlange. Er will nur, wie„ man ſiehet, daß die Obrigkeit den Laſtern ſteure,„ und ihre Unterthanen durch die Furcht der Strafe„ „von K k k

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/973>, abgerufen am 21.11.2024.