"tan ist ein gelehrter Gauckler, der bey seiner vorge- "gebenen Wissenschaft viel lächerliches an sich hat, "das er selbst nicht davor erkennet (p. 35.) und ver- "spricht p. 37. die Charlatanerie nach D. Swifts "Lehr-Art in Form einer Wissenschaft vorzutragen." Es ist zu wünschen, daß er sein Versprechen halten möge; denn seine Lehr-Sätze von der Charlatanerie werden vortreflich, und, in ihrem Geschlechte, eben so kräftig seyn, als die Lehren eines wiederge- bohrnen Predigers, weil er sie unstreitig mit seinem Exempel unterstützen wird. Die Uebersetzung der Oration pro Quintio ist eben so schön, als diejeni- ge, so er neulich von denen Maximen der Marquise de Sable herausgegeben. Der Herr Prof. Philip- pi hält es sich vor schimpflich, einen Wortklauber abzugeben, und, nach Art der gemeinen Uebersetzer, den Sinn seines Originals genau auszudrücken. Er übersetzet heroisch und männlich, und daher findet man in seiner Uebersetzung unterschiedene Stellen, die zwar an sich vortreflich, aber doch gantz was anders sagen, als Cicero sagen wollen, und daher manchem Anlaß geben können, zu dencken, der Hr. Prof. Philip- pi verstehe kein Latein. Denn so übersetzet er zum Ex. p. 61. die Worte: ad me ventum est, qui, ut summa haberem cetera, temporis quidem certe vix satis habui, ut rem tantam, tot controver- siis implicatam, possem cognoscere, also: "und "ist also diese Sache an mich gekommen, der ich, "nun andere wichtige Angelegenheiten ab- "zuwatren, in Wahrheit kaum so viel Zeit übrig "gehabt u. s. w." Da doch ein jeder leicht siehet, daß Cicero mit den Worten: ut summa haberem
cetera,
(o)
„tan iſt ein gelehrter Gauckler, der bey ſeiner vorge- „gebenen Wiſſenſchaft viel laͤcherliches an ſich hat, „das er ſelbſt nicht davor erkennet (p. 35.) und ver- „ſpricht p. 37. die Charlatanerie nach D. Swifts „Lehr-Art in Form einer Wiſſenſchaft vorzutragen.‟ Es iſt zu wuͤnſchen, daß er ſein Verſprechen halten moͤge; denn ſeine Lehr-Saͤtze von der Charlatanerie werden vortreflich, und, in ihrem Geſchlechte, eben ſo kraͤftig ſeyn, als die Lehren eines wiederge- bohrnen Predigers, weil er ſie unſtreitig mit ſeinem Exempel unterſtuͤtzen wird. Die Ueberſetzung der Oration pro Quintio iſt eben ſo ſchoͤn, als diejeni- ge, ſo er neulich von denen Maximen der Marquiſe de Sablé herausgegeben. Der Herr Prof. Philip- pi haͤlt es ſich vor ſchimpflich, einen Wortklauber abzugeben, und, nach Art der gemeinen Ueberſetzer, den Sinn ſeines Originals genau auszudruͤcken. Er uͤberſetzet heroiſch und maͤnnlich, und daher findet man in ſeiner Ueberſetzung unterſchiedene Stellen, die zwar an ſich vortreflich, aber doch gantz was anders ſagen, als Cicero ſagen wollen, und daher manchem Anlaß geben koͤnnen, zu dencken, der Hr. Prof. Philip- pi verſtehe kein Latein. Denn ſo uͤberſetzet er zum Ex. p. 61. die Worte: ad me ventum eſt, qui, ut ſumma haberem cetera, temporis quidem certe vix ſatis habui, ut rem tantam, tot controver- ſiis implicatam, poſſem cognoſcere, alſo: „und „iſt alſo dieſe Sache an mich gekommen, der ich, „nun andere wichtige Angelegenheiten ab- „zuwatren, in Wahrheit kaum ſo viel Zeit uͤbrig „gehabt u. ſ. w.‟ Da doch ein jeder leicht ſiehet, daß Cicero mit den Worten: ut ſumma haberem
cetera,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0944"n="852"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>„tan iſt ein gelehrter Gauckler, der bey ſeiner vorge-<lb/>„gebenen Wiſſenſchaft viel laͤcherliches an ſich hat,<lb/>„das er ſelbſt nicht davor erkennet (<hirendition="#aq">p.</hi> 35.) und ver-<lb/>„ſpricht <hirendition="#aq">p.</hi> 37. die Charlatanerie nach <hirendition="#aq">D.</hi> Swifts<lb/>„Lehr-Art in Form einer Wiſſenſchaft vorzutragen.‟<lb/>
Es iſt zu wuͤnſchen, daß er ſein Verſprechen halten<lb/>
moͤge; denn ſeine Lehr-Saͤtze von der Charlatanerie<lb/>
werden vortreflich, und, in ihrem Geſchlechte,<lb/>
eben ſo kraͤftig ſeyn, als die Lehren eines wiederge-<lb/>
bohrnen Predigers, weil er ſie unſtreitig mit ſeinem<lb/>
Exempel unterſtuͤtzen wird. Die Ueberſetzung der<lb/>
Oration <hirendition="#aq">pro Quintio</hi> iſt eben ſo ſchoͤn, als diejeni-<lb/>
ge, ſo er neulich von denen Maximen der <hirendition="#aq">Marquiſe<lb/>
de Sablé</hi> herausgegeben. Der Herr Prof. Philip-<lb/>
pi haͤlt es ſich vor ſchimpflich, einen Wortklauber<lb/>
abzugeben, und, nach Art der gemeinen Ueberſetzer,<lb/>
den Sinn ſeines Originals genau auszudruͤcken. Er<lb/>
uͤberſetzet heroiſch und maͤnnlich, und daher findet<lb/>
man in ſeiner Ueberſetzung unterſchiedene Stellen, die<lb/>
zwar an ſich vortreflich, aber doch gantz was anders<lb/>ſagen, als Cicero ſagen wollen, und daher manchem<lb/>
Anlaß geben koͤnnen, zu dencken, der Hr. Prof. Philip-<lb/>
pi verſtehe kein Latein. Denn ſo uͤberſetzet er zum<lb/>
Ex. <hirendition="#aq">p.</hi> 61. die Worte: <hirendition="#aq">ad me ventum eſt, qui, <hirendition="#i">ut<lb/>ſumma haberem cetera</hi>, temporis quidem certe<lb/>
vix ſatis habui, ut rem tantam, tot controver-<lb/>ſiis implicatam, poſſem cognoſcere,</hi> alſo: „und<lb/>„iſt alſo dieſe Sache an mich gekommen, der ich,<lb/>„<hirendition="#fr">nun andere wichtige Angelegenheiten ab-<lb/>„zuwatren,</hi> in Wahrheit kaum ſo viel Zeit uͤbrig<lb/>„gehabt u. ſ. w.‟ Da doch ein jeder leicht ſiehet,<lb/>
daß Cicero mit den Worten: <hirendition="#aq">ut ſumma haberem</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">cetera,</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[852/0944]
(o)
„tan iſt ein gelehrter Gauckler, der bey ſeiner vorge-
„gebenen Wiſſenſchaft viel laͤcherliches an ſich hat,
„das er ſelbſt nicht davor erkennet (p. 35.) und ver-
„ſpricht p. 37. die Charlatanerie nach D. Swifts
„Lehr-Art in Form einer Wiſſenſchaft vorzutragen.‟
Es iſt zu wuͤnſchen, daß er ſein Verſprechen halten
moͤge; denn ſeine Lehr-Saͤtze von der Charlatanerie
werden vortreflich, und, in ihrem Geſchlechte,
eben ſo kraͤftig ſeyn, als die Lehren eines wiederge-
bohrnen Predigers, weil er ſie unſtreitig mit ſeinem
Exempel unterſtuͤtzen wird. Die Ueberſetzung der
Oration pro Quintio iſt eben ſo ſchoͤn, als diejeni-
ge, ſo er neulich von denen Maximen der Marquiſe
de Sablé herausgegeben. Der Herr Prof. Philip-
pi haͤlt es ſich vor ſchimpflich, einen Wortklauber
abzugeben, und, nach Art der gemeinen Ueberſetzer,
den Sinn ſeines Originals genau auszudruͤcken. Er
uͤberſetzet heroiſch und maͤnnlich, und daher findet
man in ſeiner Ueberſetzung unterſchiedene Stellen, die
zwar an ſich vortreflich, aber doch gantz was anders
ſagen, als Cicero ſagen wollen, und daher manchem
Anlaß geben koͤnnen, zu dencken, der Hr. Prof. Philip-
pi verſtehe kein Latein. Denn ſo uͤberſetzet er zum
Ex. p. 61. die Worte: ad me ventum eſt, qui, ut
ſumma haberem cetera, temporis quidem certe
vix ſatis habui, ut rem tantam, tot controver-
ſiis implicatam, poſſem cognoſcere, alſo: „und
„iſt alſo dieſe Sache an mich gekommen, der ich,
„nun andere wichtige Angelegenheiten ab-
„zuwatren, in Wahrheit kaum ſo viel Zeit uͤbrig
„gehabt u. ſ. w.‟ Da doch ein jeder leicht ſiehet,
daß Cicero mit den Worten: ut ſumma haberem
cetera,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 852. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/944>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.