Er will das Recht der Natur ausbessern. Er will die darinn vorkommenden Streitigkeiten schlichten: Er schreibt zu dem Ende ein Jus Naturae vere tale. Und nun kömmt er und sagt; es wäre eine Thorheit aus diesem Jure Naturae vere tali etwas auf unsern ietzigen Zustand zu appliciren. Warum hat er uns dann dieses Jus Naturae vere tale so mühsam erklä- ret? Warum muthet er denen, die gelehrter, als er sind, zu, daß sie weiter über dieses Jus Naturae vere tale, von welchem er uns, vor der Hand, nur einen groben Abriß mitgetheilet hat, meditiren sollen? Was soll es uns vor Trost geben, daß wir wissen, was der erste Mensch gemacht hat? Die Erkänntniß des Zu- standes, in welchem sich unsere erste Eltern befunden haben, trägt nichts zu unserer Wohlfahrt bey; sondern diese wird, nach dem eigenen Geständniß des Hrn. Manzels, besser durch eine vernünftige Betrachtung unsers ietzigen Zustandes befordert: Alle, die bishero das Jus Naturae gelehret haben, (Alberti und Stri- mesius ausgenommen) legen diese Betrachtung zum Grunde; Und also ist es sehr unnöthig, daß der Hr. Prof. darüber eyfert, daß man aus seinem ächten Ju- re Naturae Sätze borge; da man doch die menschli- che Natur, wie sie nun ist, ansehen solte.
Gefällt es ihm aber nicht, die auf diese vernünftige Betrachtung der menschlichen Natur, wie sie ietzo ist, erbauete Wissenschaft, ein Recht der Natur zu nen- nen: So kan man ihm seinen Willen lassen: Er nen- ne sie wie er will: Nur sey er so gut, und verschone uns mit seinem Jure Naturae vere tali. Das kan uns nichts helfen. Der Hr. Prof. äfet uns damit.
Er stellet sich, als wenn er uns in das innerste des
Rechts
(o)
Er will das Recht der Natur ausbeſſern. Er will die darinn vorkommenden Streitigkeiten ſchlichten: Er ſchreibt zu dem Ende ein Jus Naturæ veré tale. Und nun koͤmmt er und ſagt; es waͤre eine Thorheit aus dieſem Jure Naturæ vere tali etwas auf unſern ietzigen Zuſtand zu appliciren. Warum hat er uns dann dieſes Jus Naturæ vere tale ſo muͤhſam erklaͤ- ret? Warum muthet er denen, die gelehrter, als er ſind, zu, daß ſie weiter uͤber dieſes Jus Naturæ veré tale, von welchem er uns, vor der Hand, nur einen groben Abriß mitgetheilet hat, meditiren ſollen? Was ſoll es uns vor Troſt geben, daß wir wiſſen, was der erſte Menſch gemacht hat? Die Erkaͤnntniß des Zu- ſtandes, in welchem ſich unſere erſte Eltern befunden haben, tꝛaͤgt nichts zu unſerer Wohlfahrt bey; ſondern dieſe wird, nach dem eigenen Geſtaͤndniß des Hrn. Manzels, beſſer durch eine vernuͤnftige Betrachtung unſers ietzigen Zuſtandes befordert: Alle, die bishero das Jus Naturæ gelehret haben, (Alberti und Stri- meſius ausgenommen) legen dieſe Betrachtung zum Grunde; Und alſo iſt es ſehr unnoͤthig, daß der Hr. Prof. daruͤber eyfert, daß man aus ſeinem aͤchten Ju- re Naturæ Saͤtze borge; da man doch die menſchli- che Natur, wie ſie nun iſt, anſehen ſolte.
Gefaͤllt es ihm aber nicht, die auf dieſe vernuͤnftige Betrachtung der menſchlichen Natur, wie ſie ietzo iſt, erbauete Wiſſenſchaft, ein Recht der Natur zu nen- nen: So kan man ihm ſeinen Willen laſſen: Er nen- ne ſie wie er will: Nur ſey er ſo gut, und verſchone uns mit ſeinem Jure Naturæ vere tali. Das kan uns nichts helfen. Der Hr. Prof. aͤfet uns damit.
Er ſtellet ſich, als wenn er uns in das innerſte des
Rechts
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(o)
Er will das Recht der Natur ausbeſſern. Er will
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Er ſchreibt zu dem Ende ein Jus Naturæ veré tale.
Und nun koͤmmt er und ſagt; es waͤre eine Thorheit
aus dieſem Jure Naturæ vere tali etwas auf unſern
ietzigen Zuſtand zu appliciren. Warum hat er uns
dann dieſes Jus Naturæ vere tale ſo muͤhſam erklaͤ-
ret? Warum muthet er denen, die gelehrter, als er
ſind, zu, daß ſie weiter uͤber dieſes Jus Naturæ veré
tale, von welchem er uns, vor der Hand, nur einen
groben Abriß mitgetheilet hat, meditiren ſollen? Was
ſoll es uns vor Troſt geben, daß wir wiſſen, was der
erſte Menſch gemacht hat? Die Erkaͤnntniß des Zu-
ſtandes, in welchem ſich unſere erſte Eltern befunden
haben, tꝛaͤgt nichts zu unſerer Wohlfahrt bey; ſondern
dieſe wird, nach dem eigenen Geſtaͤndniß des Hrn.
Manzels, beſſer durch eine vernuͤnftige Betrachtung
unſers ietzigen Zuſtandes befordert: Alle, die bishero
das Jus Naturæ gelehret haben, (Alberti und Stri-
meſius ausgenommen) legen dieſe Betrachtung zum
Grunde; Und alſo iſt es ſehr unnoͤthig, daß der Hr.
Prof. daruͤber eyfert, daß man aus ſeinem aͤchten Ju-
re Naturæ Saͤtze borge; da man doch die menſchli-
che Natur, wie ſie nun iſt, anſehen ſolte.
Gefaͤllt es ihm aber nicht, die auf dieſe vernuͤnftige
Betrachtung der menſchlichen Natur, wie ſie ietzo iſt,
erbauete Wiſſenſchaft, ein Recht der Natur zu nen-
nen: So kan man ihm ſeinen Willen laſſen: Er nen-
ne ſie wie er will: Nur ſey er ſo gut, und verſchone
uns mit ſeinem Jure Naturæ vere tali. Das kan
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 768. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/860>, abgerufen am 23.11.2024.
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