Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-
ren nennet. Eigenthum ist eine menschli-
che Erfindung, die Noth und Geitz zum
Grunde hat. Da nun GOtt von beiden
frey ist, so kan man ihn auch kein eigentlich
so genanntes Eigenthum zuschreiben. GOtt
verlanget nicht Dinge vor sich allein zu be-
sitzen, deren er nicht bedarf, und das mit
Ausschliessung seiner Geschöpfe, die ohne
diese Dinge nicht leben können. Die Ursa-
che, warum wir Menschen andre von dem
Gebrauch unsers Eigenthums ausschlies-
sen, ist diese; weil uns dadurch etwas ab-
gehet, und wir Gefahr laufen endlich selbst
Mangel zu leiden. GOtt darf dieses Letz-
te nicht besorgen, und sein Eigenthum ist
so beschafen, daß es auch durch den unum-
schräncktesten Gebrauch nicht verringert
werden kan. Ja es ist von so besonderer
Art, daß eben der scheinbare Abgang, den
es leidet, das meiste zu seiner Erhaltung
beyträget. Denn das Eigenthum GOt-
tes bestehet aus den Creaturen, die er er-
schafen hat. Will nun GOtt sein Eigen-
thum erhalten, so muß er seine Creaturen
erhalten. Diese können aber nicht erhal-
ten werden, wofern es einer jeden nicht er-
laubet ist, sich anderer, die zu ihrer Nah-

rung
Qq 5

(o)
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-
ren nennet. Eigenthum iſt eine menſchli-
che Erfindung, die Noth und Geitz zum
Grunde hat. Da nun GOtt von beiden
frey iſt, ſo kan man ihn auch kein eigentlich
ſo genanntes Eigenthum zuſchreiben. GOtt
verlanget nicht Dinge vor ſich allein zu be-
ſitzen, deren er nicht bedarf, und das mit
Ausſchlieſſung ſeiner Geſchoͤpfe, die ohne
dieſe Dinge nicht leben koͤnnen. Die Urſa-
che, warum wir Menſchen andre von dem
Gebrauch unſers Eigenthums ausſchlieſ-
ſen, iſt dieſe; weil uns dadurch etwas ab-
gehet, und wir Gefahr laufen endlich ſelbſt
Mangel zu leiden. GOtt darf dieſes Letz-
te nicht beſorgen, und ſein Eigenthum iſt
ſo beſchafen, daß es auch durch den unum-
ſchraͤnckteſten Gebrauch nicht verringert
werden kan. Ja es iſt von ſo beſonderer
Art, daß eben der ſcheinbare Abgang, den
es leidet, das meiſte zu ſeiner Erhaltung
beytraͤget. Denn das Eigenthum GOt-
tes beſtehet aus den Creaturen, die er er-
ſchafen hat. Will nun GOtt ſein Eigen-
thum erhalten, ſo muß er ſeine Creaturen
erhalten. Dieſe koͤnnen aber nicht erhal-
ten werden, wofern es einer jeden nicht er-
laubet iſt, ſich anderer, die zu ihrer Nah-

rung
Qq 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0709" n="617"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-<lb/>
ren nennet. Eigenthum i&#x017F;t eine men&#x017F;chli-<lb/>
che Erfindung, die Noth und Geitz zum<lb/>
Grunde hat. Da nun GOtt von beiden<lb/>
frey i&#x017F;t, &#x017F;o kan man ihn auch kein eigentlich<lb/>
&#x017F;o genanntes Eigenthum zu&#x017F;chreiben. GOtt<lb/>
verlanget nicht Dinge vor &#x017F;ich allein zu be-<lb/>
&#x017F;itzen, deren er nicht bedarf, und das mit<lb/>
Aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;einer Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, die ohne<lb/>
die&#x017F;e Dinge nicht leben ko&#x0364;nnen. Die Ur&#x017F;a-<lb/>
che, warum wir Men&#x017F;chen andre von dem<lb/>
Gebrauch un&#x017F;ers Eigenthums aus&#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, i&#x017F;t die&#x017F;e; weil uns dadurch etwas ab-<lb/>
gehet, und wir Gefahr laufen endlich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Mangel zu leiden. GOtt darf die&#x017F;es Letz-<lb/>
te nicht be&#x017F;orgen, und &#x017F;ein Eigenthum i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;chafen, daß es auch durch den unum-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nckte&#x017F;ten Gebrauch nicht verringert<lb/>
werden kan. Ja es i&#x017F;t von &#x017F;o be&#x017F;onderer<lb/>
Art, daß eben der &#x017F;cheinbare Abgang, den<lb/>
es leidet, das mei&#x017F;te zu &#x017F;einer Erhaltung<lb/>
beytra&#x0364;get. Denn das Eigenthum GOt-<lb/>
tes be&#x017F;tehet aus den Creaturen, die er er-<lb/>
&#x017F;chafen hat. Will nun GOtt &#x017F;ein Eigen-<lb/>
thum erhalten, &#x017F;o muß er &#x017F;eine Creaturen<lb/>
erhalten. Die&#x017F;e ko&#x0364;nnen aber nicht erhal-<lb/>
ten werden, wofern es einer jeden nicht er-<lb/>
laubet i&#x017F;t, &#x017F;ich anderer, die zu ihrer Nah-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Qq 5</fw><fw place="bottom" type="catch">rung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[617/0709] (o) rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu- ren nennet. Eigenthum iſt eine menſchli- che Erfindung, die Noth und Geitz zum Grunde hat. Da nun GOtt von beiden frey iſt, ſo kan man ihn auch kein eigentlich ſo genanntes Eigenthum zuſchreiben. GOtt verlanget nicht Dinge vor ſich allein zu be- ſitzen, deren er nicht bedarf, und das mit Ausſchlieſſung ſeiner Geſchoͤpfe, die ohne dieſe Dinge nicht leben koͤnnen. Die Urſa- che, warum wir Menſchen andre von dem Gebrauch unſers Eigenthums ausſchlieſ- ſen, iſt dieſe; weil uns dadurch etwas ab- gehet, und wir Gefahr laufen endlich ſelbſt Mangel zu leiden. GOtt darf dieſes Letz- te nicht beſorgen, und ſein Eigenthum iſt ſo beſchafen, daß es auch durch den unum- ſchraͤnckteſten Gebrauch nicht verringert werden kan. Ja es iſt von ſo beſonderer Art, daß eben der ſcheinbare Abgang, den es leidet, das meiſte zu ſeiner Erhaltung beytraͤget. Denn das Eigenthum GOt- tes beſtehet aus den Creaturen, die er er- ſchafen hat. Will nun GOtt ſein Eigen- thum erhalten, ſo muß er ſeine Creaturen erhalten. Dieſe koͤnnen aber nicht erhal- ten werden, wofern es einer jeden nicht er- laubet iſt, ſich anderer, die zu ihrer Nah- rung Qq 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/709
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/709>, abgerufen am 22.11.2024.