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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
ihm fertig liefert, zufrieden seyn wollte. Er
hat alle Bequemlichkeiten dieses Lebens sei-
nem eigenen Witze und seiner Bemühung
zu dancken. Die Natur giebt ihm den
Stof zu allem, was er nöthig hat: Aber
Kleider und Haußgerath; Häuser und Pal-
läste wachsen doch nicht: Man muß sie ma-
chen und bauen. Dieses weiß die Ver-
nunft: Wie sollte sie demnach auf die Ge-
dancken gerathen, daß jemahlen eine Zeit
gewesen sey, da die weisen Leute gewach-
sen, wie die Piltze? Es würde ihr nicht
schwerer fallen, zu glauben, daß die Natur
vor Zeiten Pasteten hervorgebracht habe.
Weißheit und Tugend sind Früchte der
Kunst, des Nachdenckens und der Erfahrung.
Die Natur giebt uns die Fähigkeit dazu, und
weiter nichts. So dencket die Vernunft,
und ist also weit von dem Muthmassungen
entfernet, die Hr. Reinbeck ihr beyleget.

Jch will indessen nicht leugnen, daß
Leute gewesen sind, welche, ohne von un-
serer Bibel das geringste zu wissen, von dem
Verderben des menschlichen Geschlechts
und dessen Ursachen Muthmassungen ge-
habt haben, die mit der Geschichte Moses
überein zu kommen scheinen. Allein ich bin
versichert, daß man diese Muthmassungen

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(o)
ihm fertig liefert, zufrieden ſeyn wollte. Er
hat alle Bequemlichkeiten dieſes Lebens ſei-
nem eigenen Witze und ſeiner Bemuͤhung
zu dancken. Die Natur giebt ihm den
Stof zu allem, was er noͤthig hat: Aber
Kleider und Haußgerath; Haͤuſer und Pal-
laͤſte wachſen doch nicht: Man muß ſie ma-
chen und bauen. Dieſes weiß die Ver-
nunft: Wie ſollte ſie demnach auf die Ge-
dancken gerathen, daß jemahlen eine Zeit
geweſen ſey, da die weiſen Leute gewach-
ſen, wie die Piltze? Es wuͤrde ihr nicht
ſchwerer fallen, zu glauben, daß die Natur
vor Zeiten Paſteten hervorgebracht habe.
Weißheit und Tugend ſind Fruͤchte der
Kunſt, des Nachdenckens uñ der Erfahrung.
Die Natur giebt uns die Faͤhigkeit dazu, und
weiter nichts. So dencket die Vernunft,
und iſt alſo weit von dem Muthmaſſungen
entfernet, die Hr. Reinbeck ihr beyleget.

Jch will indeſſen nicht leugnen, daß
Leute geweſen ſind, welche, ohne von un-
ſerer Bibel das geringſte zu wiſſen, von dem
Verderben des menſchlichen Geſchlechts
und deſſen Urſachen Muthmaſſungen ge-
habt haben, die mit der Geſchichte Moſes
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[591/0683] (o) ihm fertig liefert, zufrieden ſeyn wollte. Er hat alle Bequemlichkeiten dieſes Lebens ſei- nem eigenen Witze und ſeiner Bemuͤhung zu dancken. Die Natur giebt ihm den Stof zu allem, was er noͤthig hat: Aber Kleider und Haußgerath; Haͤuſer und Pal- laͤſte wachſen doch nicht: Man muß ſie ma- chen und bauen. Dieſes weiß die Ver- nunft: Wie ſollte ſie demnach auf die Ge- dancken gerathen, daß jemahlen eine Zeit geweſen ſey, da die weiſen Leute gewach- ſen, wie die Piltze? Es wuͤrde ihr nicht ſchwerer fallen, zu glauben, daß die Natur vor Zeiten Paſteten hervorgebracht habe. Weißheit und Tugend ſind Fruͤchte der Kunſt, des Nachdenckens uñ der Erfahrung. Die Natur giebt uns die Faͤhigkeit dazu, und weiter nichts. So dencket die Vernunft, und iſt alſo weit von dem Muthmaſſungen entfernet, die Hr. Reinbeck ihr beyleget. Jch will indeſſen nicht leugnen, daß Leute geweſen ſind, welche, ohne von un- ſerer Bibel das geringſte zu wiſſen, von dem Verderben des menſchlichen Geſchlechts und deſſen Urſachen Muthmaſſungen ge- habt haben, die mit der Geſchichte Moſes uͤberein zu kommen ſcheinen. Allein ich bin verſichert, daß man dieſe Muthmaſſungen mehr

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/683>, abgerufen am 22.11.2024.