am Ruder sitzen. Welches eine Wahrheit ist, die ich mir getraue, allen Königen in die Augen zu sagen, ohne daß sie es mir ungnädig nehmen sollen. Solche allge- meine Wahrheiten verletzen die Ehrer- bietung nicht, die man den Göttern auf Erden schuldig ist. Die Grossen dieser Welt sind auch so wunderlich nicht, daß sie sich über den geringsten Schertz, der keinen von ihnen insbesondere trift, ent- rüsten sollten, und wenn die Priester nur halb so billig wären, so hätte ich nicht nö- thig, das, was ich in meiner Schrift von ihnen gesagt habe, zu rechtfertigen. Al- lein, ich weiß nicht, wie es zugehet? Die- se Herren sind so argwöhnisch, daß sie sich immer einbilden, man spotte ihrer, wenn man von ihnen redet. Dieses ist eine Aufführung, die man kaum einer blöden unerfahrenen Jugend, gebrechlichen Per- sonen, oder Leuten, die kein gut Gewis- sen haben, und sich ofenbahrer Mängel bewust sind, zu gute hält. Mich deucht, alten, gesetzten und ehrwürdigen Män- nern würde ein wenig mehr Großmuth, und eine gewisse Zuversicht zu sich selbst besser anstehen, als ein ewiges Klagen, daß man sie auslachet. Doch gienge es
noch
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am Ruder ſitzen. Welches eine Wahrheit iſt, die ich mir getraue, allen Koͤnigen in die Augen zu ſagen, ohne daß ſie es mir ungnaͤdig nehmen ſollen. Solche allge- meine Wahrheiten verletzen die Ehrer- bietung nicht, die man den Goͤttern auf Erden ſchuldig iſt. Die Groſſen dieſer Welt ſind auch ſo wunderlich nicht, daß ſie ſich uͤber den geringſten Schertz, der keinen von ihnen insbeſondere trift, ent- ruͤſten ſollten, und wenn die Prieſter nur halb ſo billig waͤren, ſo haͤtte ich nicht noͤ- thig, das, was ich in meiner Schrift von ihnen geſagt habe, zu rechtfertigen. Al- lein, ich weiß nicht, wie es zugehet? Die- ſe Herren ſind ſo argwoͤhniſch, daß ſie ſich immer einbilden, man ſpotte ihrer, wenn man von ihnen redet. Dieſes iſt eine Auffuͤhrung, die man kaum einer bloͤden unerfahrenen Jugend, gebrechlichen Per- ſonen, oder Leuten, die kein gut Gewiſ- ſen haben, und ſich ofenbahrer Maͤngel bewuſt ſind, zu gute haͤlt. Mich deucht, alten, geſetzten und ehrwuͤrdigen Maͤn- nern wuͤrde ein wenig mehr Großmuth, und eine gewiſſe Zuverſicht zu ſich ſelbſt beſſer anſtehen, als ein ewiges Klagen, daß man ſie auslachet. Doch gienge es
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am Ruder ſitzen. Welches eine Wahrheit
iſt, die ich mir getraue, allen Koͤnigen in
die Augen zu ſagen, ohne daß ſie es mir
ungnaͤdig nehmen ſollen. Solche allge-
meine Wahrheiten verletzen die Ehrer-
bietung nicht, die man den Goͤttern auf
Erden ſchuldig iſt. Die Groſſen dieſer
Welt ſind auch ſo wunderlich nicht, daß
ſie ſich uͤber den geringſten Schertz, der
keinen von ihnen insbeſondere trift, ent-
ruͤſten ſollten, und wenn die Prieſter nur
halb ſo billig waͤren, ſo haͤtte ich nicht noͤ-
thig, das, was ich in meiner Schrift von
ihnen geſagt habe, zu rechtfertigen. Al-
lein, ich weiß nicht, wie es zugehet? Die-
ſe Herren ſind ſo argwoͤhniſch, daß ſie ſich
immer einbilden, man ſpotte ihrer, wenn
man von ihnen redet. Dieſes iſt eine
Auffuͤhrung, die man kaum einer bloͤden
unerfahrenen Jugend, gebrechlichen Per-
ſonen, oder Leuten, die kein gut Gewiſ-
ſen haben, und ſich ofenbahrer Maͤngel
bewuſt ſind, zu gute haͤlt. Mich deucht,
alten, geſetzten und ehrwuͤrdigen Maͤn-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/59>, abgerufen am 16.02.2025.
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