gentheil von demjenigen thun müsse, was der grö- ste Haufe vornimmt. Der Vorschlag ist gegrün- det; Aber es haben sich doch zu allen Zeiten weni- ge gefunden, die Lust gehabt hätten, demselben zu folgen. Jch wundere mich darüber eben nicht; Denn es wird dazu ein Eigensinn erfordert, den wenig Leute haben. Man muß sehr wunderlich seyn, und eine unerträgliche Einbildung von sich selbst haben, wenn man sich der gantzen Welt entgegen setzen, und sich bereden will, man sey alleine klug, und der Rest des menschlichen Geschlechts rase.
Wie kan man es also den elenden Scribenten verargen, daß sie ihre Vernunft nicht gebrauchen? Sie können es nicht thun, ohne die Ehrerbietung zu verletzen, die man den grösten Haufen schuldig. Jch wolte nichts sagen, wenn die Vernunft im menschlichen Leben unentbehrlich wäre: Aber so sehe ich nicht, wozu sie nütze.
Es ist gar zu bekannt, daß die Weißheit, wodurch die Welt regieret wird, sehr geringe sey. Parva est sapientia, qua regitur mundus. Es kömmt alles auf die Vorsehung an. Wir sehen, daß die klügsten Anschläge oft zurücke gehen; un- vernünftige hergegen einen guten Fortgang haben, zum deutlichen Beweiß, daß es wahr sey, was der Prediger sagt: "Daß zum Laufen nicht hilft schnell" seyn, zum Streit hilft nicht starck seyn, zur Nah-" rung hilft nicht geschickt seyn, zum Reichthum hilft" nicht klug seyn. Daß einer angenehm sey, hilft" nicht, daß er ein Ding wohl könne, sondern alles" liegt es an der Zeit und Glück (8)." Die tägli-
che
(8) Pred. Salom. IV. 8.
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gentheil von demjenigen thun muͤſſe, was der groͤ- ſte Haufe vornimmt. Der Vorſchlag iſt gegruͤn- det; Aber es haben ſich doch zu allen Zeiten weni- ge gefunden, die Luſt gehabt haͤtten, demſelben zu folgen. Jch wundere mich daruͤber eben nicht; Denn es wird dazu ein Eigenſinn erfordert, den wenig Leute haben. Man muß ſehr wunderlich ſeyn, und eine unertraͤgliche Einbildung von ſich ſelbſt haben, wenn man ſich der gantzen Welt entgegen ſetzen, und ſich bereden will, man ſey alleine klug, und der Reſt des menſchlichen Geſchlechts raſe.
Wie kan man es alſo den elenden Scribenten verargen, daß ſie ihre Vernunft nicht gebrauchen? Sie koͤnnen es nicht thun, ohne die Ehrerbietung zu verletzen, die man den groͤſten Haufen ſchuldig. Jch wolte nichts ſagen, wenn die Vernunft im menſchlichen Leben unentbehrlich waͤre: Aber ſo ſehe ich nicht, wozu ſie nuͤtze.
Es iſt gar zu bekannt, daß die Weißheit, wodurch die Welt regieret wird, ſehr geringe ſey. Parva eſt ſapientia, qua regitur mundus. Es koͤmmt alles auf die Vorſehung an. Wir ſehen, daß die kluͤgſten Anſchlaͤge oft zuruͤcke gehen; un- vernuͤnftige hergegen einen guten Fortgang haben, zum deutlichen Beweiß, daß es wahr ſey, was der Prediger ſagt: “Daß zum Laufen nicht hilft ſchnell„ ſeyn, zum Streit hilft nicht ſtarck ſeyn, zur Nah-„ rung hilft nicht geſchickt ſeyn, zum Reichthum hilft„ nicht klug ſeyn. Daß einer angenehm ſey, hilft„ nicht, daß er ein Ding wohl koͤnne, ſondern alles„ liegt es an der Zeit und Gluͤck (8).” Die taͤgli-
che
(8) Pred. Salom. IV. 8.
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gentheil von demjenigen thun muͤſſe, was der groͤ-
ſte Haufe vornimmt. Der Vorſchlag iſt gegruͤn-
det; Aber es haben ſich doch zu allen Zeiten weni-
ge gefunden, die Luſt gehabt haͤtten, demſelben zu
folgen. Jch wundere mich daruͤber eben nicht;
Denn es wird dazu ein Eigenſinn erfordert, den
wenig Leute haben. Man muß ſehr wunderlich
ſeyn, und eine unertraͤgliche Einbildung von ſich ſelbſt
haben, wenn man ſich der gantzen Welt entgegen
ſetzen, und ſich bereden will, man ſey alleine klug,
und der Reſt des menſchlichen Geſchlechts raſe.
Wie kan man es alſo den elenden Scribenten
verargen, daß ſie ihre Vernunft nicht gebrauchen?
Sie koͤnnen es nicht thun, ohne die Ehrerbietung zu
verletzen, die man den groͤſten Haufen ſchuldig.
Jch wolte nichts ſagen, wenn die Vernunft im
menſchlichen Leben unentbehrlich waͤre: Aber ſo
ſehe ich nicht, wozu ſie nuͤtze.
Es iſt gar zu bekannt, daß die Weißheit, wodurch
die Welt regieret wird, ſehr geringe ſey. Parva
eſt ſapientia, qua regitur mundus. Es
koͤmmt alles auf die Vorſehung an. Wir ſehen,
daß die kluͤgſten Anſchlaͤge oft zuruͤcke gehen; un-
vernuͤnftige hergegen einen guten Fortgang haben,
zum deutlichen Beweiß, daß es wahr ſey, was der
Prediger ſagt: “Daß zum Laufen nicht hilft ſchnell„
ſeyn, zum Streit hilft nicht ſtarck ſeyn, zur Nah-„
rung hilft nicht geſchickt ſeyn, zum Reichthum hilft„
nicht klug ſeyn. Daß einer angenehm ſey, hilft„
nicht, daß er ein Ding wohl koͤnne, ſondern alles„
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/579>, abgerufen am 25.11.2024.
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