Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
liche Betragen der Gelehrten nicht. Jch weiß
diese Herren sind gemächlich; Und es kostet un-
streitig weit mehr Mühe, Dinge zu beweisen, die
nicht den geringsten Schein der Wahrheit haben,
als gewisse und ofenbare Wahrheiten zu behaup-
ten. Es ist also gar natürlich, daß sich viele fin-
den, die sich Mühe geben, eine ofenbahre Unschuld
zu vertheidigen; Kein einziger hergegen, der sich
angelegen seyn lasse, die unsichtbahre Vortreflich-
keit der elenden Scribenten sichtbar zu machen.
Jenes ist eine schlechte Kunst; dieses aber unge-
mein schwer.

Was ist es dann Wunder, daß biß auf den
heutigen Tag noch niemand, zum Besten der elen-
den Scribenten, die Feder angesetzet hat? Die gu-
ten Scribenten, die am geschicktesten dazu wären,
werden es nimmer thun. Der Neid lässt es ih-
nen nicht zu. Sie sind nur gut in Vergleichung
mit den schlechten: und also erfordert es ihr ei-
gener Vortheil, die elenden Scribenten immer
verächtlicher, und sich, durch deren Erniedrigung,
groß zu machen. Die elenden Scribenten selbst
legen die Hände in den Schooß, und lassen alles
über sich ergehen, ohne einmahl zu muchsen.
Wer kan ihnen dann helfen? Warum sind sie
so träge, ihre eigene Ehre zu retten? Jch sollte
nicht meinen, daß eine gewisse Schamhaftigkeit
sie abhalte, den Beweiß ihrer Unschuld und Vor-
treflichkeiten zu unternehmen. Jch gestehe es ist
derselbe schwer, und erfordert eine ziemlich harte
Stirn: Allein die elenden Scribenten haben
wohl eher verzweifeltere Dinge unternommen,

ohne

(o)
liche Betragen der Gelehrten nicht. Jch weiß
dieſe Herren ſind gemaͤchlich; Und es koſtet un-
ſtreitig weit mehr Muͤhe, Dinge zu beweiſen, die
nicht den geringſten Schein der Wahrheit haben,
als gewiſſe und ofenbare Wahrheiten zu behaup-
ten. Es iſt alſo gar natuͤrlich, daß ſich viele fin-
den, die ſich Muͤhe geben, eine ofenbahre Unſchuld
zu vertheidigen; Kein einziger hergegen, der ſich
angelegen ſeyn laſſe, die unſichtbahre Vortreflich-
keit der elenden Scribenten ſichtbar zu machen.
Jenes iſt eine ſchlechte Kunſt; dieſes aber unge-
mein ſchwer.

Was iſt es dann Wunder, daß biß auf den
heutigen Tag noch niemand, zum Beſten der elen-
den Scribenten, die Feder angeſetzet hat? Die gu-
ten Scribenten, die am geſchickteſten dazu waͤren,
werden es nimmer thun. Der Neid laͤſſt es ih-
nen nicht zu. Sie ſind nur gut in Vergleichung
mit den ſchlechten: und alſo erfordert es ihr ei-
gener Vortheil, die elenden Scribenten immer
veraͤchtlicher, und ſich, durch deren Erniedrigung,
groß zu machen. Die elenden Scribenten ſelbſt
legen die Haͤnde in den Schooß, und laſſen alles
uͤber ſich ergehen, ohne einmahl zu muchſen.
Wer kan ihnen dann helfen? Warum ſind ſie
ſo traͤge, ihre eigene Ehre zu retten? Jch ſollte
nicht meinen, daß eine gewiſſe Schamhaftigkeit
ſie abhalte, den Beweiß ihrer Unſchuld und Vor-
treflichkeiten zu unternehmen. Jch geſtehe es iſt
derſelbe ſchwer, und erfordert eine ziemlich harte
Stirn: Allein die elenden Scribenten haben
wohl eher verzweifeltere Dinge unternommen,

ohne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0568" n="476"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
liche Betragen der Gelehrten nicht. Jch weiß<lb/>
die&#x017F;e Herren &#x017F;ind gema&#x0364;chlich; Und es ko&#x017F;tet un-<lb/>
&#x017F;treitig weit mehr Mu&#x0364;he, Dinge zu bewei&#x017F;en, die<lb/>
nicht den gering&#x017F;ten Schein der Wahrheit haben,<lb/>
als gewi&#x017F;&#x017F;e und ofenbare Wahrheiten zu behaup-<lb/>
ten. Es i&#x017F;t al&#x017F;o gar natu&#x0364;rlich, daß &#x017F;ich viele fin-<lb/>
den, die &#x017F;ich Mu&#x0364;he geben, eine ofenbahre Un&#x017F;chuld<lb/>
zu vertheidigen; Kein einziger hergegen, der &#x017F;ich<lb/>
angelegen &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;e, die un&#x017F;ichtbahre Vortreflich-<lb/>
keit der elenden Scribenten &#x017F;ichtbar zu machen.<lb/>
Jenes i&#x017F;t eine &#x017F;chlechte Kun&#x017F;t; die&#x017F;es aber unge-<lb/>
mein &#x017F;chwer.</p><lb/>
          <p>Was i&#x017F;t es dann Wunder, daß biß auf den<lb/>
heutigen Tag noch niemand, zum Be&#x017F;ten der elen-<lb/>
den Scribenten, die Feder ange&#x017F;etzet hat? Die gu-<lb/>
ten Scribenten, die am ge&#x017F;chickte&#x017F;ten dazu wa&#x0364;ren,<lb/>
werden es nimmer thun. Der Neid la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t es ih-<lb/>
nen nicht zu. Sie &#x017F;ind nur gut in Vergleichung<lb/>
mit den &#x017F;chlechten: und al&#x017F;o erfordert es ihr ei-<lb/>
gener Vortheil, die elenden Scribenten immer<lb/>
vera&#x0364;chtlicher, und &#x017F;ich, durch deren Erniedrigung,<lb/>
groß zu machen. Die elenden Scribenten &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
legen die Ha&#x0364;nde in den Schooß, und la&#x017F;&#x017F;en alles<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich ergehen, ohne einmahl zu much&#x017F;en.<lb/>
Wer kan ihnen dann helfen? Warum &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o tra&#x0364;ge, ihre eigene Ehre zu retten? Jch &#x017F;ollte<lb/>
nicht meinen, daß eine gewi&#x017F;&#x017F;e Schamhaftigkeit<lb/>
&#x017F;ie abhalte, den Beweiß ihrer Un&#x017F;chuld und Vor-<lb/>
treflichkeiten zu unternehmen. Jch ge&#x017F;tehe es i&#x017F;t<lb/>
der&#x017F;elbe &#x017F;chwer, und erfordert eine ziemlich harte<lb/>
Stirn: Allein die elenden Scribenten haben<lb/>
wohl eher verzweifeltere Dinge unternommen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ohne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[476/0568] (o) liche Betragen der Gelehrten nicht. Jch weiß dieſe Herren ſind gemaͤchlich; Und es koſtet un- ſtreitig weit mehr Muͤhe, Dinge zu beweiſen, die nicht den geringſten Schein der Wahrheit haben, als gewiſſe und ofenbare Wahrheiten zu behaup- ten. Es iſt alſo gar natuͤrlich, daß ſich viele fin- den, die ſich Muͤhe geben, eine ofenbahre Unſchuld zu vertheidigen; Kein einziger hergegen, der ſich angelegen ſeyn laſſe, die unſichtbahre Vortreflich- keit der elenden Scribenten ſichtbar zu machen. Jenes iſt eine ſchlechte Kunſt; dieſes aber unge- mein ſchwer. Was iſt es dann Wunder, daß biß auf den heutigen Tag noch niemand, zum Beſten der elen- den Scribenten, die Feder angeſetzet hat? Die gu- ten Scribenten, die am geſchickteſten dazu waͤren, werden es nimmer thun. Der Neid laͤſſt es ih- nen nicht zu. Sie ſind nur gut in Vergleichung mit den ſchlechten: und alſo erfordert es ihr ei- gener Vortheil, die elenden Scribenten immer veraͤchtlicher, und ſich, durch deren Erniedrigung, groß zu machen. Die elenden Scribenten ſelbſt legen die Haͤnde in den Schooß, und laſſen alles uͤber ſich ergehen, ohne einmahl zu muchſen. Wer kan ihnen dann helfen? Warum ſind ſie ſo traͤge, ihre eigene Ehre zu retten? Jch ſollte nicht meinen, daß eine gewiſſe Schamhaftigkeit ſie abhalte, den Beweiß ihrer Unſchuld und Vor- treflichkeiten zu unternehmen. Jch geſtehe es iſt derſelbe ſchwer, und erfordert eine ziemlich harte Stirn: Allein die elenden Scribenten haben wohl eher verzweifeltere Dinge unternommen, ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/568
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/568>, abgerufen am 22.11.2024.