Sie so vergnügt vereint zu sehen! Sein Melar muste auch als Hüter stehen, Sein Bellen machte daß kein Schäflein sich ver- irrte. Ein Turteltäubichen. Das in der Einsamkeit des Waldes vor sich girrte, Bracht ihn bey dem geheimen Kummer Zu einem unvermerckten Schlummer, Darinne kam ihm für, Als käm er vor Clarimenens Thür. Er wurde gleich hinein gelassen, Er durfte sie auch bey der Hand anfassen, Er küsste diese Hand in gröster Zärtlichkeit, Und war sie gleich ein Kind vom grossen Pan, So both er ihr im Schlaf sein Hertz doch an, Und wurde gantz entzücket, Dieweil es ihm im Traume gar geglücket, Von ihrem Rosen-Mund ein Blümchen abzubre- chen; Ja er durfte sich im Schlaf durch viel tausend Küsse rächen. Gleich drauf erschreckte ihn ein jäher Donnerschlag, Davon er alsobald erwachte, Und gantz bestürtzt an seine Schäfchen dachte, Ob etwan eins des Donners Macht gerührt, Doch da er nichts gespührt, Und, da die Wetter sonst die Schäflein bald ver- jagen, Sie doch noch, wie zuvor, still ausgestrecket lagen, Vermerckte er, es sey ein blosser Traum, Da gab er denn den matten Seutzern Raum:
Aria.
(o)
Sie ſo vergnuͤgt vereint zu ſehen! Sein Melar muſte auch als Huͤter ſtehen, Sein Bellen machte daß kein Schaͤflein ſich ver- irrte. Ein Turteltaͤubichen. Das in der Einſamkeit des Waldes vor ſich girrte, Bracht ihn bey dem geheimen Kummer Zu einem unvermerckten Schlummer, Darinne kam ihm fuͤr, Als kaͤm er vor Clarimenens Thuͤr. Er wurde gleich hinein gelaſſen, Er durfte ſie auch bey der Hand anfaſſen, Er kuͤſſte dieſe Hand in groͤſter Zaͤrtlichkeit, Und war ſie gleich ein Kind vom groſſen Pan, So both er ihr im Schlaf ſein Hertz doch an, Und wurde gantz entzuͤcket, Dieweil es ihm im Traume gar gegluͤcket, Von ihrem Roſen-Mund ein Bluͤmchen abzubre- chen; Ja er durfte ſich im Schlaf durch viel tauſend Kuͤſſe raͤchen. Gleich drauf erſchreckte ihn ein jaͤher Donnerſchlag, Davon er alſobald erwachte, Und gantz beſtuͤrtzt an ſeine Schaͤfchen dachte, Ob etwan eins des Donners Macht geruͤhrt, Doch da er nichts geſpuͤhrt, Und, da die Wetter ſonſt die Schaͤflein bald ver- jagen, Sie doch noch, wie zuvor, ſtill ausgeſtrecket lagen, Vermerckte er, es ſey ein bloſſer Traum, Da gab er denn den matten Seutzern Raum:
Aria.
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(o)
Sie ſo vergnuͤgt vereint zu ſehen!
Sein Melar muſte auch als Huͤter ſtehen,
Sein Bellen machte daß kein Schaͤflein ſich ver-
irrte.
Ein Turteltaͤubichen.
Das in der Einſamkeit des Waldes vor ſich girrte,
Bracht ihn bey dem geheimen Kummer
Zu einem unvermerckten Schlummer,
Darinne kam ihm fuͤr,
Als kaͤm er vor Clarimenens Thuͤr.
Er wurde gleich hinein gelaſſen,
Er durfte ſie auch bey der Hand anfaſſen,
Er kuͤſſte dieſe Hand in groͤſter Zaͤrtlichkeit,
Und war ſie gleich ein Kind vom groſſen Pan,
So both er ihr im Schlaf ſein Hertz doch an,
Und wurde gantz entzuͤcket,
Dieweil es ihm im Traume gar gegluͤcket,
Von ihrem Roſen-Mund ein Bluͤmchen abzubre-
chen;
Ja er durfte ſich im Schlaf durch viel tauſend Kuͤſſe
raͤchen.
Gleich drauf erſchreckte ihn ein jaͤher Donnerſchlag,
Davon er alſobald erwachte,
Und gantz beſtuͤrtzt an ſeine Schaͤfchen dachte,
Ob etwan eins des Donners Macht geruͤhrt,
Doch da er nichts geſpuͤhrt,
Und, da die Wetter ſonſt die Schaͤflein bald ver-
jagen,
Sie doch noch, wie zuvor, ſtill ausgeſtrecket lagen,
Vermerckte er, es ſey ein bloſſer Traum,
Da gab er denn den matten Seutzern Raum:
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/522>, abgerufen am 22.11.2024.
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