Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
und er wäre bey nahe der Clarimene zu Füs-
sen gefallen. Er rafte sich aber bald wieder
auf, küßte ihren Zeige-Finger zum Abschiede,
und eilte (wie er schreibt) über Stroh und
Heu nach Hause. Allda hieng er den Degen
an die Wand, das Gehencke über den Degen
und den Hut über beyde, ergrif Feder und
Papier und verfasste in der Nacht zwischen dem
26. und 27. Mertz 1732. gegenwärtiges Ge-
dichte, welches er, unter einem zahlreichen Ge-
folge von Seufzern und Westen-Winden, der
Zedena den folgenden Tag zuschickte, mit
Bitte, es seiner Göttin zu überreichen. Gleich-
wohl empfing er in kurtzer Zeit das schreckliche
Urtheil seiner Verstossung fast mit grossem Ent-
setzen, doch nicht geringerer Ehrfurcht, als ein
Türckischer Bassa die seidene Schnur, die ihn
hinrichten soll: bewundert aber noch itzo, daß
Clara so kräftigen Worten widerstehen können
und dem treflichen Poeten einen fürnehmen Ca-
vallier vorgezogen, mit dem sie in vergnügter
Ehe lebet.

Der

(o)
und er waͤre bey nahe der Clarimene zu Fuͤſ-
ſen gefallen. Er rafte ſich aber bald wieder
auf, kuͤßte ihren Zeige-Finger zum Abſchiede,
und eilte (wie er ſchreibt) uͤber Stroh und
Heu nach Hauſe. Allda hieng er den Degen
an die Wand, das Gehencke uͤber den Degen
und den Hut uͤber beyde, ergrif Feder und
Papier und verfaſſte in der Nacht zwiſchen dem
26. und 27. Mertz 1732. gegenwaͤrtiges Ge-
dichte, welches er, unter einem zahlreichen Ge-
folge von Seufzern und Weſten-Winden, der
Zedena den folgenden Tag zuſchickte, mit
Bitte, es ſeiner Goͤttin zu uͤberreichen. Gleich-
wohl empfing er in kurtzer Zeit das ſchreckliche
Urtheil ſeiner Verſtoſſung faſt mit groſſem Ent-
ſetzen, doch nicht geringerer Ehrfurcht, als ein
Tuͤrckiſcher Baſſa die ſeidene Schnur, die ihn
hinrichten ſoll: bewundert aber noch itzo, daß
Clara ſo kraͤftigen Worten widerſtehen koͤnnen
und dem treflichen Poeten einen fuͤrnehmen Ca-
vallier vorgezogen, mit dem ſie in vergnuͤgter
Ehe lebet.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0519" n="427"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
und er wa&#x0364;re bey nahe der <hi rendition="#fr">Clarimene</hi> zu Fu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gefallen. Er rafte &#x017F;ich aber bald wieder<lb/>
auf, ku&#x0364;ßte ihren Zeige-Finger zum Ab&#x017F;chiede,<lb/>
und eilte (wie er &#x017F;chreibt) u&#x0364;ber Stroh und<lb/>
Heu nach Hau&#x017F;e. Allda hieng er den Degen<lb/>
an die Wand, das Gehencke u&#x0364;ber den Degen<lb/>
und den Hut u&#x0364;ber beyde, ergrif Feder und<lb/>
Papier und verfa&#x017F;&#x017F;te in der Nacht zwi&#x017F;chen dem<lb/>
26. und 27. Mertz 1732. gegenwa&#x0364;rtiges Ge-<lb/>
dichte, welches er, unter einem zahlreichen Ge-<lb/>
folge von Seufzern und We&#x017F;ten-Winden, der<lb/><hi rendition="#fr">Zedena</hi> den folgenden Tag zu&#x017F;chickte, mit<lb/>
Bitte, es &#x017F;einer Go&#x0364;ttin zu u&#x0364;berreichen. Gleich-<lb/>
wohl empfing er in kurtzer Zeit das &#x017F;chreckliche<lb/>
Urtheil &#x017F;einer Ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ung fa&#x017F;t mit gro&#x017F;&#x017F;em Ent-<lb/>
&#x017F;etzen, doch nicht geringerer Ehrfurcht, als ein<lb/>
Tu&#x0364;rcki&#x017F;cher Ba&#x017F;&#x017F;a die &#x017F;eidene Schnur, die ihn<lb/>
hinrichten &#x017F;oll: bewundert aber noch itzo, daß<lb/><hi rendition="#fr">Clara</hi> &#x017F;o kra&#x0364;ftigen Worten wider&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen<lb/>
und dem treflichen Poeten einen fu&#x0364;rnehmen Ca-<lb/>
vallier vorgezogen, mit dem &#x017F;ie in vergnu&#x0364;gter<lb/>
Ehe lebet.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[427/0519] (o) und er waͤre bey nahe der Clarimene zu Fuͤſ- ſen gefallen. Er rafte ſich aber bald wieder auf, kuͤßte ihren Zeige-Finger zum Abſchiede, und eilte (wie er ſchreibt) uͤber Stroh und Heu nach Hauſe. Allda hieng er den Degen an die Wand, das Gehencke uͤber den Degen und den Hut uͤber beyde, ergrif Feder und Papier und verfaſſte in der Nacht zwiſchen dem 26. und 27. Mertz 1732. gegenwaͤrtiges Ge- dichte, welches er, unter einem zahlreichen Ge- folge von Seufzern und Weſten-Winden, der Zedena den folgenden Tag zuſchickte, mit Bitte, es ſeiner Goͤttin zu uͤberreichen. Gleich- wohl empfing er in kurtzer Zeit das ſchreckliche Urtheil ſeiner Verſtoſſung faſt mit groſſem Ent- ſetzen, doch nicht geringerer Ehrfurcht, als ein Tuͤrckiſcher Baſſa die ſeidene Schnur, die ihn hinrichten ſoll: bewundert aber noch itzo, daß Clara ſo kraͤftigen Worten widerſtehen koͤnnen und dem treflichen Poeten einen fuͤrnehmen Ca- vallier vorgezogen, mit dem ſie in vergnuͤgter Ehe lebet. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/519
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/519>, abgerufen am 22.11.2024.