Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite
(o)

Er gerieth auch kurtz darauf in einen
Zustand, daß man seiner, ohne Sünde,
ferner nicht spotten konnte. Da er, wie
ich schon erwehnet habe, genöthiget wur-
de, Halle zu verlassen, so begab er sich
nach Göttingen. Allein, ausser, daß die
merseburgische Regierung ihn noch immer
verfolgte, und auf seine Auslieferung
drang, so wollte es auch sonst daselbst mit
ihm nicht fort. Er fieng an zu lesen, und
seinen Freydenck er herauszugeben. Man
wollte es aber nicht leiden, und es ward
ihm so wohl das lesen, als das Bücher
schreiben gäntzlich verboten. Jch bekenne,
die Diät, welche man ihm durch dieses
Verbot vorschrieb, war seinem innern
Menschen sehr heilsam; aber der äussere
muste nothwendig dabey zu kurtz kommen,
und das, deucht mich, war zu hart. Al-
lein nicht lange darauf gieng es ihm noch
ärger. Er bekam das Consilium abeun-
di,
und ward, wie man mir berichtet hat,
bey hellem Tage zum Thor hinaus ge-
bracht. Ob nun gleich dadurch erfüllet
ward, was ich von seiner plötzlichen Ver-
schwindung in meiner letzten Schrift ge-
weissaget hatte; so habe ich ihn dennoch
von Hertzen bedauret, und hätte lieber

ein
(o)

Er gerieth auch kurtz darauf in einen
Zuſtand, daß man ſeiner, ohne Suͤnde,
ferner nicht ſpotten konnte. Da er, wie
ich ſchon erwehnet habe, genoͤthiget wur-
de, Halle zu verlaſſen, ſo begab er ſich
nach Goͤttingen. Allein, auſſer, daß die
merſeburgiſche Regierung ihn noch immer
verfolgte, und auf ſeine Auslieferung
drang, ſo wollte es auch ſonſt daſelbſt mit
ihm nicht fort. Er fieng an zu leſen, und
ſeinen Freydenck er herauszugeben. Man
wollte es aber nicht leiden, und es ward
ihm ſo wohl das leſen, als das Buͤcher
ſchreiben gaͤntzlich verboten. Jch bekenne,
die Diaͤt, welche man ihm durch dieſes
Verbot vorſchrieb, war ſeinem innern
Menſchen ſehr heilſam; aber der aͤuſſere
muſte nothwendig dabey zu kurtz kommen,
und das, deucht mich, war zu hart. Al-
lein nicht lange darauf gieng es ihm noch
aͤrger. Er bekam das Conſilium abeun-
di,
und ward, wie man mir berichtet hat,
bey hellem Tage zum Thor hinaus ge-
bracht. Ob nun gleich dadurch erfuͤllet
ward, was ich von ſeiner ploͤtzlichen Ver-
ſchwindung in meiner letzten Schrift ge-
weiſſaget hatte; ſo habe ich ihn dennoch
von Hertzen bedauret, und haͤtte lieber

ein
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <pb facs="#f0051" n="47"/>
        <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
        <p>Er gerieth auch kurtz darauf in einen<lb/>
Zu&#x017F;tand, daß man &#x017F;einer, ohne Su&#x0364;nde,<lb/>
ferner nicht &#x017F;potten konnte. Da er, wie<lb/>
ich &#x017F;chon erwehnet habe, geno&#x0364;thiget wur-<lb/>
de, Halle zu verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o begab er &#x017F;ich<lb/>
nach Go&#x0364;ttingen. Allein, au&#x017F;&#x017F;er, daß die<lb/>
mer&#x017F;eburgi&#x017F;che Regierung ihn noch immer<lb/>
verfolgte, und auf &#x017F;eine Auslieferung<lb/>
drang, &#x017F;o wollte es auch &#x017F;on&#x017F;t da&#x017F;elb&#x017F;t mit<lb/>
ihm nicht fort. Er fieng an zu le&#x017F;en, und<lb/>
&#x017F;einen <hi rendition="#fr">Freydenck</hi> er herauszugeben. Man<lb/>
wollte es aber nicht leiden, und es ward<lb/>
ihm &#x017F;o wohl das le&#x017F;en, als das Bu&#x0364;cher<lb/>
&#x017F;chreiben ga&#x0364;ntzlich verboten. Jch bekenne,<lb/>
die Dia&#x0364;t, welche man ihm durch die&#x017F;es<lb/>
Verbot vor&#x017F;chrieb, war &#x017F;einem innern<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ehr heil&#x017F;am; aber der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
mu&#x017F;te nothwendig dabey zu kurtz kommen,<lb/>
und das, deucht mich, war zu hart. Al-<lb/>
lein nicht lange darauf gieng es ihm noch<lb/>
a&#x0364;rger. Er bekam das <hi rendition="#aq">Con&#x017F;ilium abeun-<lb/>
di,</hi> und ward, wie man mir berichtet hat,<lb/>
bey hellem Tage zum Thor hinaus ge-<lb/>
bracht. Ob nun gleich dadurch erfu&#x0364;llet<lb/>
ward, was ich von &#x017F;einer plo&#x0364;tzlichen Ver-<lb/>
&#x017F;chwindung in meiner letzten Schrift ge-<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;aget hatte; &#x017F;o habe ich ihn dennoch<lb/>
von Hertzen bedauret, und ha&#x0364;tte lieber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[47/0051] (o) Er gerieth auch kurtz darauf in einen Zuſtand, daß man ſeiner, ohne Suͤnde, ferner nicht ſpotten konnte. Da er, wie ich ſchon erwehnet habe, genoͤthiget wur- de, Halle zu verlaſſen, ſo begab er ſich nach Goͤttingen. Allein, auſſer, daß die merſeburgiſche Regierung ihn noch immer verfolgte, und auf ſeine Auslieferung drang, ſo wollte es auch ſonſt daſelbſt mit ihm nicht fort. Er fieng an zu leſen, und ſeinen Freydenck er herauszugeben. Man wollte es aber nicht leiden, und es ward ihm ſo wohl das leſen, als das Buͤcher ſchreiben gaͤntzlich verboten. Jch bekenne, die Diaͤt, welche man ihm durch dieſes Verbot vorſchrieb, war ſeinem innern Menſchen ſehr heilſam; aber der aͤuſſere muſte nothwendig dabey zu kurtz kommen, und das, deucht mich, war zu hart. Al- lein nicht lange darauf gieng es ihm noch aͤrger. Er bekam das Conſilium abeun- di, und ward, wie man mir berichtet hat, bey hellem Tage zum Thor hinaus ge- bracht. Ob nun gleich dadurch erfuͤllet ward, was ich von ſeiner ploͤtzlichen Ver- ſchwindung in meiner letzten Schrift ge- weiſſaget hatte; ſo habe ich ihn dennoch von Hertzen bedauret, und haͤtte lieber ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/51
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/51>, abgerufen am 24.11.2024.