Philippi, vor dem Riß getreten, und dich durch deine vortrefliche Schriften dem einreissenden Ver- derben entgegen gestellet hast? Wie kanst du uns dann Schuld geben, wir hielten den Cicero und De- mostenes hoch? Jch bin versichert, grosser Philippi, daß du eine bessere Meinung von uns hast, und solte dahero fast auf die Gedancken gerathen, du wollest ge rade das Gegentheil von dem, das du sagest, ver- standen wissen, und nur so viel sagen, daß unsere Fein- de thörigt handeln, wenn sie, obgleich die deutsche Sprache ihre eigene Regeln hat; doch verlangen, man solle sich nach den Regeln der lateinischen und grie- chischen Rede-Kunst eines Cicero und Demostenes richten.
Auf solche Art würde unser drittes Gesetz, nach deinem Sinn, folgender Gestalt lauten müssen: Bin- de dich nicht an die Regeln der lateinischen und griechischen Rede-Kunst eines Cicero und Demostenes, denn die deutsche Sprache hat ihre eigene Regeln.
Dieses wäre ein Gesetz vor uns, und der Schluß, auf welchen sich dasselbe gründet, würde uns als klei- nen Geistern wohl anstehen, weil in selbigem die Sprach-und Rede-Kunst so artig mit einander vermenget sind, und nicht undeutlich zu verstehen ge- geben wird, daß es eine lateinische, eine griechische und eine deutsche Beredsamkeit gebe, die wesent- lich von einander unterschieden; welches gewiß unsern Feinden eben so wunderlich vorkommen würde, als wenn man ihnen von einem lateinischen, griechischen und deutschen Ein mahleins vorsagen wolte.
Allein,
(o)
Philippi, vor dem Riß getreten, und dich durch deine vortrefliche Schriften dem einreiſſenden Ver- derben entgegen geſtellet haſt? Wie kanſt du uns dann Schuld geben, wir hielten den Cicero und De- moſtenes hoch? Jch bin verſichert, groſſer Philippi, daß du eine beſſere Meinung von uns haſt, und ſolte dahero faſt auf die Gedancken gerathen, du wolleſt ge rade das Gegentheil von dem, das du ſageſt, ver- ſtanden wiſſen, und nur ſo viel ſagen, daß unſere Fein- de thoͤrigt handeln, wenn ſie, obgleich die deutſche Sprache ihre eigene Regeln hat; doch verlangen, man ſolle ſich nach den Regeln der lateiniſchen und grie- chiſchen Rede-Kunſt eines Cicero und Demoſtenes richten.
Auf ſolche Art wuͤrde unſer drittes Geſetz, nach deinem Sinn, folgender Geſtalt lauten muͤſſen: Bin- de dich nicht an die Regeln der lateiniſchen und griechiſchen Rede-Kunſt eines Cicero und Demoſtenes, denn die deutſche Sprache hat ihre eigene Regeln.
Dieſes waͤre ein Geſetz vor uns, und der Schluß, auf welchen ſich daſſelbe gruͤndet, wuͤrde uns als klei- nen Geiſtern wohl anſtehen, weil in ſelbigem die Sprach-und Rede-Kunſt ſo artig mit einander vermenget ſind, und nicht undeutlich zu verſtehen ge- geben wird, daß es eine lateiniſche, eine griechiſche und eine deutſche Beredſamkeit gebe, die weſent- lich von einander unterſchieden; welches gewiß unſern Feinden eben ſo wunderlich vorkommen wuͤrde, als wenn man ihnen von einem lateiniſchen, griechiſchen und deutſchen Ein mahleins vorſagen wolte.
Allein,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0473"n="381"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><hirendition="#fr">Philippi, vor dem Riß getreten,</hi> und dich durch<lb/>
deine vortrefliche Schriften dem einreiſſenden Ver-<lb/>
derben entgegen geſtellet haſt? Wie kanſt du uns<lb/>
dann Schuld geben, wir hielten den <hirendition="#fr">Cicero</hi> und <hirendition="#fr">De-<lb/>
moſtenes</hi> hoch? Jch bin verſichert, groſſer Philippi,<lb/>
daß du eine beſſere Meinung von uns haſt, und ſolte<lb/>
dahero faſt auf die Gedancken gerathen, du wolleſt ge<lb/>
rade das <hirendition="#fr">Gegentheil</hi> von dem, das du ſageſt, ver-<lb/>ſtanden wiſſen, und nur ſo viel ſagen, daß unſere Fein-<lb/>
de thoͤrigt handeln, wenn ſie, obgleich die deutſche<lb/>
Sprache ihre eigene Regeln hat; doch verlangen, man<lb/>ſolle ſich nach den Regeln der lateiniſchen und grie-<lb/>
chiſchen Rede-Kunſt eines Cicero und Demoſtenes<lb/>
richten.</p><lb/><p>Auf ſolche Art wuͤrde unſer <hirendition="#fr">drittes Geſetz,</hi> nach<lb/>
deinem Sinn, folgender Geſtalt lauten muͤſſen: <hirendition="#fr">Bin-<lb/>
de dich nicht an die Regeln der lateiniſchen<lb/>
und griechiſchen Rede-Kunſt eines Cicero<lb/>
und Demoſtenes, denn die deutſche Sprache<lb/>
hat ihre eigene Regeln.</hi></p><lb/><p>Dieſes waͤre ein Geſetz vor uns, und der Schluß,<lb/>
auf welchen ſich daſſelbe gruͤndet, wuͤrde uns als klei-<lb/>
nen Geiſtern wohl anſtehen, weil in ſelbigem die<lb/><hirendition="#fr">Sprach-und Rede-Kunſt</hi>ſo artig mit einander<lb/>
vermenget ſind, und nicht undeutlich zu verſtehen ge-<lb/>
geben wird, daß es eine <hirendition="#fr">lateiniſche,</hi> eine <hirendition="#fr">griechiſche</hi><lb/>
und eine <hirendition="#fr">deutſche Beredſamkeit</hi> gebe, die weſent-<lb/>
lich von einander unterſchieden; welches gewiß unſern<lb/>
Feinden eben ſo wunderlich vorkommen wuͤrde, als<lb/>
wenn man ihnen von einem lateiniſchen, griechiſchen<lb/>
und deutſchen <hirendition="#fr">Ein mahleins</hi> vorſagen wolte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Allein,</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[381/0473]
(o)
Philippi, vor dem Riß getreten, und dich durch
deine vortrefliche Schriften dem einreiſſenden Ver-
derben entgegen geſtellet haſt? Wie kanſt du uns
dann Schuld geben, wir hielten den Cicero und De-
moſtenes hoch? Jch bin verſichert, groſſer Philippi,
daß du eine beſſere Meinung von uns haſt, und ſolte
dahero faſt auf die Gedancken gerathen, du wolleſt ge
rade das Gegentheil von dem, das du ſageſt, ver-
ſtanden wiſſen, und nur ſo viel ſagen, daß unſere Fein-
de thoͤrigt handeln, wenn ſie, obgleich die deutſche
Sprache ihre eigene Regeln hat; doch verlangen, man
ſolle ſich nach den Regeln der lateiniſchen und grie-
chiſchen Rede-Kunſt eines Cicero und Demoſtenes
richten.
Auf ſolche Art wuͤrde unſer drittes Geſetz, nach
deinem Sinn, folgender Geſtalt lauten muͤſſen: Bin-
de dich nicht an die Regeln der lateiniſchen
und griechiſchen Rede-Kunſt eines Cicero
und Demoſtenes, denn die deutſche Sprache
hat ihre eigene Regeln.
Dieſes waͤre ein Geſetz vor uns, und der Schluß,
auf welchen ſich daſſelbe gruͤndet, wuͤrde uns als klei-
nen Geiſtern wohl anſtehen, weil in ſelbigem die
Sprach-und Rede-Kunſt ſo artig mit einander
vermenget ſind, und nicht undeutlich zu verſtehen ge-
geben wird, daß es eine lateiniſche, eine griechiſche
und eine deutſche Beredſamkeit gebe, die weſent-
lich von einander unterſchieden; welches gewiß unſern
Feinden eben ſo wunderlich vorkommen wuͤrde, als
wenn man ihnen von einem lateiniſchen, griechiſchen
und deutſchen Ein mahleins vorſagen wolte.
Allein,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/473>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.