wenn dir etwan, welches der Himmel verhüte, eine Ohnmacht anwandeln solte, mit ihrem kräfti- gen Balsam zu stärcken. (12) Was setzt dich dann so gar ausser dir, daß du so ängstlich thust, als wenn du unter die Mörder gefallen wärest? Was schreyest du, als wenn dir schon das Messer an die Kehle gesetzet sey? Sage uns, werther Philip- pi, wo sind die Leute mit dem geladenen Gewehr, mit den Spiessen, Schwerdtern und Stangen? Wo ist die Menge der Gerichts-Diener, die du siehest? Wir sehen nichts. Besinne dich demnach, Oheroi- scher Philippi, und ängstige uns nicht ferner durch ein so jämmerliches Zetter-Geschrey. Sey ge- trost und fürchte dich nicht. Du bist nirgends siche- rer, als in unserer Versammlung, und befindest dich unter Leuten, die dich alle recht zärtlich lieben, und vor dich, wenn es Noth thäte, mit Freuden ihr Leben wagen würden.
Urtheile demnach selbst, O erleuchteter Philip- pi! wie lächerlich, daß ich so rede, deine Furcht uns vorkommen würde, wenn wir fähig wären, bey dei- nem Jammer, und wenn er auch nur eingebildet, zu lachen. Glücklich bist du, werther Philippi, daß wir alleine sind. Was würde daraus werden, wenn un- sere Feinde sehen solten, wie du dich geberdest? Wie du ohne alle Ursache uns vor Mörder, und die zu beyden Seiten sitzenden annehmlichsten Kin- der, deine Mit-Schwestern, vor Furien ansie- hest? Würden sie nicht übele Gedancken von dir be- kommen? Würden sie nicht erbärmlich mit dir um-
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(12) S. die sechs deutschen Reden. p. 25.
A a
(o)
wenn dir etwan, welches der Himmel verhuͤte, eine Ohnmacht anwandeln ſolte, mit ihrem kraͤfti- gen Balſam zu ſtaͤrcken. (12) Was ſetzt dich dann ſo gar auſſer dir, daß du ſo aͤngſtlich thuſt, als wenn du unter die Moͤrder gefallen waͤreſt? Was ſchreyeſt du, als wenn dir ſchon das Meſſer an die Kehle geſetzet ſey? Sage uns, werther Philip- pi, wo ſind die Leute mit dem geladenen Gewehr, mit den Spieſſen, Schwerdtern und Stangen? Wo iſt die Menge der Gerichts-Diener, die du ſieheſt? Wir ſehen nichts. Beſinne dich demnach, Oheroi- ſcher Philippi, und aͤngſtige uns nicht ferner durch ein ſo jaͤmmerliches Zetter-Geſchrey. Sey ge- troſt und fuͤrchte dich nicht. Du biſt nirgends ſiche- rer, als in unſerer Verſammlung, und befindeſt dich unter Leuten, die dich alle recht zaͤrtlich lieben, und vor dich, wenn es Noth thaͤte, mit Freuden ihr Leben wagen wuͤrden.
Urtheile demnach ſelbſt, O erleuchteter Philip- pi! wie laͤcherlich, daß ich ſo rede, deine Furcht uns vorkommen wuͤrde, wenn wir faͤhig waͤren, bey dei- nem Jammer, und wenn er auch nur eingebildet, zu lachen. Gluͤcklich biſt du, werther Philippi, daß wir alleine ſind. Was wuͤrde daraus werden, wenn un- ſere Feinde ſehen ſolten, wie du dich geberdeſt? Wie du ohne alle Urſache uns vor Moͤrder, und die zu beyden Seiten ſitzenden annehmlichſten Kin- der, deine Mit-Schweſtern, vor Furien anſie- heſt? Wuͤrden ſie nicht uͤbele Gedancken von dir be- kommen? Wuͤrden ſie nicht erbaͤrmlich mit dir um-
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(12) S. die ſechs deutſchen Reden. p. 25.
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wenn dir etwan, welches der Himmel verhuͤte, eine
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gen Balſam zu ſtaͤrcken. (12) Was ſetzt dich
dann ſo gar auſſer dir, daß du ſo aͤngſtlich thuſt, als
wenn du unter die Moͤrder gefallen waͤreſt?
Was ſchreyeſt du, als wenn dir ſchon das Meſſer
an die Kehle geſetzet ſey? Sage uns, werther Philip-
pi, wo ſind die Leute mit dem geladenen Gewehr, mit
den Spieſſen, Schwerdtern und Stangen? Wo iſt
die Menge der Gerichts-Diener, die du ſieheſt?
Wir ſehen nichts. Beſinne dich demnach, Oheroi-
ſcher Philippi, und aͤngſtige uns nicht ferner durch
ein ſo jaͤmmerliches Zetter-Geſchrey. Sey ge-
troſt und fuͤrchte dich nicht. Du biſt nirgends ſiche-
rer, als in unſerer Verſammlung, und befindeſt dich
unter Leuten, die dich alle recht zaͤrtlich lieben, und
vor dich, wenn es Noth thaͤte, mit Freuden ihr Leben
wagen wuͤrden.
Urtheile demnach ſelbſt, O erleuchteter Philip-
pi! wie laͤcherlich, daß ich ſo rede, deine Furcht uns
vorkommen wuͤrde, wenn wir faͤhig waͤren, bey dei-
nem Jammer, und wenn er auch nur eingebildet, zu
lachen. Gluͤcklich biſt du, werther Philippi, daß wir
alleine ſind. Was wuͤrde daraus werden, wenn un-
ſere Feinde ſehen ſolten, wie du dich geberdeſt? Wie
du ohne alle Urſache uns vor Moͤrder, und die zu
beyden Seiten ſitzenden annehmlichſten Kin-
der, deine Mit-Schweſtern, vor Furien anſie-
heſt? Wuͤrden ſie nicht uͤbele Gedancken von dir be-
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(12) S. die ſechs deutſchen Reden. p. 25.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/461>, abgerufen am 26.11.2024.
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